Privatisierung der Krankheit: Gesunde Menschen vs. gesunde Zahlen?

Überforderte Pflegekräfte, eingeschüchterte Chefärzte und profitorientierte Mediziner – die Privatisierung deutscher Krankenhäuser zeichnet erschreckende Realitäten. Die beispiellose Privatisierungswelle, die Deutschland in den letzten Jahren heimgesucht hat, greift in die sensibelsten Bereiche ein.

Ulrich Hildebrandt, ehemaliger Oberarzt und Chirurg, ist ein Zeuge dieser Entwicklung. In seinem neu erschienenen Buch „Die Krankenhausverdiener“ schildert er, wie sich die medizinische Versorgung zwischen Profit und Patient spaltet. Wie effizient muss ein Krankenhaus überhaupt sein? Und was ist letztendlich wichtiger: schwarze Zahlen oder die bestmögliche Behandlung?

Seiner langen Berufserfahrung hat Hildebrandt es zu verdanken, dass er beide Systeme kennt: staatlich geführte Krankenhäuser und privat finanzierte. Der 1949 geborene Arzt hat die meiste Zeit seiner Karriere in staatlich finanzierten Einrichtungen verbracht. Für ihn kommt die Privatisierung der Krankenhauslandschaft einer Kündigung der Daseinsvorsorge gleich. Hildebrandt ist überzeugt, dass vielen Medizinern ihre Unabhängigkeit und Kompetenzen genommen werden. Der ständige Druck auf Ärzte, Erlösziele einzuhalten, schaffe ein angespanntes System. Das sei nicht verwunderlich, da Unternehmen die Normen der Industrie auf diesen Bereich anwenden würden. Doch oft sei es zweitrangig, dass es um die Gesundheit und das Leben von Menschen geht. Wenn private Träger, aufgrund ökonomischer Rechnungen, die optimale „Auslastung“ der Krankenbetten vorgeben, kann dies gefährliche Konsequenzen für die Patienten haben.

Teure Therapien sehr beliebt

Das Horrorszenario: Ein Arzt empfiehlt einem Patienten eine komplizierte OP, welche medizinisch keinen Sinn macht. Er missbraucht seine gesellschaftliche Stellung, um dem Patienten eine Leistung anzudrehen, für die die Krankenkassen tief in die Tasche greifen. Künstliche Hüftgelenke und Knieprothesen zum Beispiel sind bei Krankenhausbetreibern sehr beliebt. Ärzte könnten durch den stetig wachsenden Druck manipuliert werden. Wenn wirtschaftliche Kriterien die Oberhand gewinnen, könnten Ärzte eines Tages aus den falschen Gründen handeln und den hippokratischen Eid verletzen.

Hinzu kommt, dass die gesundheitliche Beratung und Versorgung ein äußerst komplexes Thema ist. Es gibt keine festen Grenzen, die definieren, welche Behandlung richtig und welche falsch ist. Viel mehr liegt es am Arzt, Indikatoren festzustellen und aus dem Gesamtbild des Patienten heraus zu urteilen. In Fällen, in denen ein Arzt eine konservative und passive Heilung für richtig hält, kann ein anderer eine OP für sinnvoller halten. Dieses äußerst komplexe Vorgang kann durch den ständigen Druck, effizienter zu arbeiten, gestört werden.

Was könnte die Politik ändern?

Verbindliche Personalschlüssel für Pflegekräfte, wären laut Hildebrandt ein sinnvoller Mechanismus. Man müsse die Zahl des Pflegepersonals gesetzlich festlegen. Nur so könne man den Trend, die Versorgung der Patienten auf möglich wenige Personen aufzuteilen, entgegentreten. Dadurch würde auch der Druck auf Chefärzte sinken, da diese ständig mit knappen Pflegestellen konfrontiert sind. Auch würde dadurch der Ausbau wichtiger Stationen vorangetrieben. Ein weiteres Instrument, wäre ein nationaler Krankenhausplan. Dieser würde festlegen, welche Regionen wie viele Krankenhäuer brauchen. Das würde die medizinische Versorgung effizienter verteilen und den Krankenhäusern den Konkurrenzdruck nehmen.

Von Celal Cagli

Bildnachweis: Von DocP [CC BY-SA 2.0 de], via Wikimedia Commons

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