Durch die Verbreitung des Internet und die Verbindung von immer mehr Endgeräten mit dem World Wide Web verändert sich die Art und Weise, wie sich Menschen informieren. Unternehmen reagieren darauf mit Cross Media Strategien. Dafür nutzen sie drei unterschiedliche Ansätze, die im Wesentlichen auf Kostenoptimierung abzielen. Speziell im Umfeld mobiler Endgeräte scheint dies nicht ausreichend zu sein. Dazu einige Bemerkungen.
Was ist Cross Media Publishing?
Cross Media Publishing heißt nichts anderes, als das Inhalte in verschiedenen Ausspielkanälen (also z.B. Webseite, Facebook, Twitter, E-Mail etc.) genutzt werden. Das ist nichts wirklich Neues. In Zeitschriften veröffentlichte Fachbeiträge werden in Büchern gesammelt, ein Roman wird vorab in einer Zeitschrift abgedruckt, ein Bild findet Eingang in Zeitung, Zeitschrift und Buch – das gab es schon vor hundert Jahren.
Der Begriff Cross Media Publishing allerdings entwickelte sich erst ab den 1980er Jahren, und zwar im Zuge einer technischen Neuerung: der Umstellung von Fotosatz auf Desktop-Publishing Systeme. Damit fügt sich Cross Media in eine ganze Reihe von tief greifenden Änderungen ein, die im Zuge eines längerfristigen Innovationsprozesses entstanden sind – der Digitalisierung.
Digitalisierung der Medien – von der Gutenberg-Galaxis ins Internet
Die Digitalisierung ist für die Medien in etwa ähnlich bedeutend wie die Entwicklung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert, denn sie ändert massiv die Art und Weise, wie mit Inhalten umgegangen wird. Bis zur Entwicklung des Druckwesens nutzte die Gesellschaft zur Fortführung von Wissenszusammenhängen im Wesentlichen das gesprochene oder gesungene Wort.
Mündlichkeit war das zentrale Kennzeichen der Weitergabe von Informationen. Information und Kultur im Sinne eines geteilten Programms, mit dem die Gesellschaft ihren Sinnzusammenhang definiert, konnten nur unter Anwesenden aktualisiert werden und waren dadurch räumlich und zeitlich limitiert. Der Inhalt selbst wurde ausschließlich durch die Reputation des Sprechers auf Konsistenz geprüft, eine nachvollziehbare Prüfung gegenüber dem auslösenden Ereignis war nicht möglich.
Mit der Durchsetzung der Reproduktionstechnik wurde Schriftlichkeit wichtiger. Wissen konnte aufgeschrieben und so störungsfrei konserviert werden. Aus der zunehmenden Alphabetisierung der Gesellschaft entwickelte sich die Epoche der Aufklärung. Technische Entwicklungen wurden möglich, die Industrialisierung schritt voran und mit ihr entwickelte sich die Arbeiterklasse.
Das Zeitalter der Reproduktion von Text und Bild, auch als Typographeum oder Gutenberg-Galaxis bezeichnet, führte die Gesellschaft in die Moderne. Ähnlich wie es in der Oralität schon Schrift gab, gab es in der Gutenberg-Galaxis schon Elektrizität und chemische Anwendungen und dadurch Telegrafie und Telefonie (Interaktion über Distanz), Fotografie (verlustarme Bildlichkeit) und Cinematografie (bewegte Bilder).
Aber erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts – nach der Zäsur, die der Zweite Weltkrieg markiert – werden die elektronischen Medien die Leitmedien der Gesellschaft. Kommunikation über Distanz, bis dato ein teures und sehr selektives Verfahren, wird durch die Telefonnetze zum Lebensstil. Radio und vor allem Fernsehen prägen Vorstellung und Verständnis von Geschichte und Gegenwart durch die Verwendung von Emotionen und die unterstellte Wahrhaftigkeit als Abbildung der Realität.
Die Digitalisierung der Inhalte ist der zentrale Treiber
Das elektronische Zeitalter als dritte Stufe einer Medien-Genealogie beginnt ungefähr mit dem 20. Jahrhundert. Die beiden wesentlichen Treiber waren zunächst Fernsehen und Telefon. Doch die eigentliche Abkehr von der Gutenberg-Galaxis mit dem gedruckten Wort und Bild als zentralem Element der Wirklichkeitskonstruktion einer Gesellschaft hat sich erst durch eine dritte Technologiestufe realisiert, der Entwicklung und Verbreitung von Computersystemen oder allgemeiner: der Digitalisierung der Inhalte.
Die Entwicklung der Medien geht einher mit der gesellschaftlichen Entwicklung in toto. Wenn wir gesellschaftliche Entwicklung in einem Extrem-Zeitraffer betrachten, sieht man, dass das Miteinander immer komplexer wird zugunsten einer immer größeren Spezialisierung der einzelnen Teile. Steigerung der Komplexität bei gleichzeitiger Reduktion der Komplexität durch Spezialisierung kann man als Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft interpretieren. Durch Spezialisierung und Teilung wird das Gesamtsystem leistungsfähiger und schafft damit selbst neue Anforderungen, die es nur aufgrund dieser Leistungsfähigkeit bedienen kann.
Fasst man die Entwicklungsschritte in gröbster Form zusammen, so kann man bislang drei große Phasen unterscheiden:
- Subsistenz der „Jäger und Sammler“, also komplette Versorgung eines Familienverbunds durch sich selbst
- Stratifikation, also Spezialisierung durch Aufgabenteilung aufgrund von Teilung in unterschiedliche Schichten (Adel vs. Bauer vs. Leibeigener) oder Stände (Bauer vs. Handwerk vs. Militär vs. Adel vs. Kirche)
- Industrialisierung, also Spezialisierung durch technische Hilfsmittel (Mechanik, Elektronik etc.) und funktionale Differenzierung (Recht vs. Wirtschaft vs. Familie vs. Religion vs. Politik vs. Wissenschaft).
Teile und spezialisiere: der Imperativ der Moderne
Der gemeinsame Prozess ist Teilung und Spezialisierung, die ihren konzeptionellen Höhepunkt wohl in der Arbeitsteilung des „Scientific Management“ des Frederic Taylor gefunden haben und gerne auch mit dem Begriff „Fordismus“ belegt werden. Unsere Grundannahme ist, dass auf den Prozess der Industrialisierung eine weitere Stufe aufsetzt, die den Prozess „Teilung und Spezialisierung“ beschleunigt, nämlich die Digitalisierung der Gesellschaft.
Während Industrialisierung darauf beruht, dass manuelle Prozesse durch Zuhilfenahme von Technik effizienter werden, geht es bei der Digitalisierung um die Zerlegung eines Prozesses auf seine binäre Ebene, d.h., die Spezialisierung wird elementarisiert in zwei Zustände: Eins und Null.
Eine kurze Geschichte der digitalen Zeit
Die Digitalisierung beginnt seit etwa Mitte der 1970er Jahre massiv Einfluss auf die Art und Weise zu nehmen, wie wir leben und arbeiten. Man kann die Geburtsstunde der Digitalisierung als gesellschaftlichem Entwicklungsschub aus dramaturgischen Gründen auf das Jahr 1975 datieren. Damals titelte die Zeitschrift Popular Electronics: „Project Breakthrough! World’s First Minicomputer Kit to Rival Commercial Models“ und beschrieb im zugehörigen Artikel eine kleine Blechkiste mit Schaltern und Dioden namens Altair 8800.
Als diese Ausgabe der Elektronikzeitschrift Paul Allen in Boston in die Hand kam, benachrichtigte er seinen Jugendfreund Bill Gates und beide telefonierten noch am selben Tag mit Ed Roberts, dem Inhaber von Micro Instrumentation Telemetry Systems (MITS), dem „Bauherrn“ des Altair 8800. Während Allen als Director of Software bei MITS einstieg, widmete sich Gates der Entwicklung von BASIC und startete die Firma Microsoft, die 1978 die 1-Million-Dollar-Umsatz-Hürde nahm.
Zu ähnlicher Zeit arbeiteten zwei Herren an einer Hardware und stellten 1976 ihren ersten selbst zusammengelöteten Debütanten vor, der auf den Namen Apple 1 hörte und für 666 Dollar angeboten wurde. Die Maschine wurde 200 Mal verkauft, was zur Entwicklung des Apple 2 für 1.300 Dollar führte. Für die damaligen Marktverhältnisse war Apple mit diesen Stückzahlen quasi Marktführer und Trendsetter in einem.
Das änderte sich 1981 – sechs Jahre nach dem Startschuss. Der Büromaschinengigant IBM entschied sich zur Einführung eines eigenen Personal Computers und stellte am 12. August ein Referenzdesign vor, das mit Microsofts MS DOS 1.0 betrieben wurde und darüber hinaus mit verschiedenen MS Programmierwerkzeugen bestückt war. Weitere zwei Jahre später folgte mit MS Windows eine erste Version eines grafischen Betriebssystems und mit MS Word die erste Standard-Büroanwendung aus dem Hause Microsoft. 1985 – zehn Jahre nach Gründung – schließt Microsoft das Geschäftsjahr mit einem Umsatz von 140 Millionen Dollar ab und geht ein Jahr später an die Börse.
Am Ende der Dekade sind 90 Millionen Personal Computer im Einsatz, am Anfang waren es nicht einmal eine Million. Die 1990er Jahre startet Microsoft erfolgreich und schafft 1991 als erste Software-Firma einen Jahresumsatz von einer Milliarde Dollar. 1993 vermeldet man zehn Millionen Word-Nutzer weltweit. 1995 kommt dann der entscheidende Schlag, der die Konkurrenz von Apple nahezu in den Konkurs treibt: Microsoft bringt Windows 95 heraus und verkauft 250 Millionen Lizenzen dieses Betriebssystems. In zwanzig Jahren von einer Elektronikbastelei zu einem globalen Geschäft.
Schon naht der nächste Entwicklungsschritt: das Internet. 1990 entwickelt Tim Berners-Lee am Genfer CERN die Kernkomponenten des Internet: HTML als universelle Beschreibungssprache, HTTP als standardisierten Übertragungsweg und URL als global verfügbare Ordnungsstruktur. Mit Freischaltung auf zentralen Rechnern des CERN 1991 und Freigabe für die Öffentlichkeit 1993 beginnt der Siegeszug eines neuen Massenmediums. Die Börsen explodieren und Microsoft ist mit seiner Browser-Software Internet Explorer mittendrin. Nach nur sechs Jahren erreicht das Web die ersten 100 Millionen Nutzer. 2011 ist knapp ein Drittel der Weltbevölkerung online. 2,3 Milliarden Nutzer sind connected.
Knapp die Hälfte der Menschen, die das Internet nutzen, tun dies nicht mehr über den PC, sondern über ein Smartphone. Die Nachfrage nach mobilen Lösungen schließt sich übrigens nahtlos an die Verbreitung mobiler Telefone an, die seit 1991 digital funken. Bereits zehn Jahre später sind mit 48,2 Millionen Nutzern in Deutschland mehr Menschen per „Handy“ als zu Hause im Festnetz zu erreichen. Noch einmal zehn Jahre weiter sind in Deutschland knapp 100 Mio. Mobiltelefone in Nutzung, also 1,3 Geräte pro Einwohner vom Kleinkind bis zum Greis. Weltweit sind heute bei rund 7,6 Milliarden Einwohnern 5,1 Milliarden im Besitz eines Mobiltelefon und 4,3 Milliarden mit Zugang zum Internet.
Wesentliche Begleiter unseres täglichen Lebens sind heute digital. Wir telefonieren digital, wir knipsen digital, wir hören Musik im digital aufbereiteten Surround Sound, wir filmen Hochzeiten und Todesfälle digital, wir streamen Videos, kaufen und verkaufen bei Amazon und Ebay, wir swipen unseren Partner fürs Leben genauso wie den schnellen Seitensprung, voicemailen und chatten mit Freunden weltweit, diskutieren teilweise exotische Themen in speziellen Zirkeln Gleichgesinnter und veröffentlichen unsere Mahlzeiten bei Instagram.
Das entscheidende an diesem noch lange nicht abgeschlossenen Prozess der Digitalisierung ist dabei vor allem der – noch nicht intensiv untersuchte – Wandel der Art und Weise, wie jeder Einzelne in der digitalisierten Welt sein Leben lebt. Und das unterscheidet sich tatsächlich erheblich vom Leben in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.
Cross Media Publishing ist notwendige Folge der Digitalisierung
Digitalisierung als Megatrend hat die Arbeitswelt so massiv geändert, wie vorher nur die Einführung von Dampfmaschinen und Strom. Viele Branchen sind heute IT-zentriert und auch der persönliche Lebensstil wird durch die Digitalisierung massiv beeinflusst und geändert. Und diese Entwicklungen sind letztlich der Auslöser für die Beschäftigung mit dem Thema Cross Media Publishing in der Medienproduktion. Es geht um die Bereitstellung von Inhalten auf verschiedenen Endgeräten, die durch die Digitalisierung der Inhalte leichter möglich ist, als in alten Produktionsverfahren.
Cross Media Publishing ist als Folge der Verbreitung elektronischer Medien und der Digitalisierung der Gesellschaft eine Art, wie die Anbieter ihre Inhalte in vernetzte Kulturen bringen können, die unabhängig vom konkreten Ort durch die Vernetzung eigene Gemeinschaften bilden, oder um es mit McLuhan zu formulieren: Cross Media Publishing ist eine Verlagsstrategie für die Einwohner des globalen Dorfes.
Grundlegend werden heute drei Cross Media Publishing Strategien eingesetzt:
Eine spezielle Ausprägung nimmt Cross Media Publishing an, wenn es als Cross Media Marketing genutzt wird (Stichwort: integrierte Unternehmenskommunikation). Schließlich werden wir ein Beispiel diskutieren und uns dabei Cross Media Praxis in Bezug auf die Veröffentlichung im mobilen Umfeld anschauen.
Von Thomas Becker (erstmals veröffentlicht 2012). Zitierweise: Becker, Thomas (2012): Cross Media Publishing: Notwendige Folge der Digitalisierung, tebevau: Berlin
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