Es scheint eine ernstzunehmende Krankheitserscheinung unserer Generation zu sein. Ich bemerke es nicht nur bei mir, sondern auch bei Freunden und Bekannten. Es steht eine wichtige Aufgabe an, beispielsweise eine Klausur, die Steuererklärung oder einfach der Abgabetermin eines Artikels. Doch anstatt seine Aufmerksamkeit und seine Kraft den ernsthaften und dringenden Dingen des Lebens zu widmen, scheint es furchtbar interessant zu sein, seinen Kleiderschrank auszumisten, den Rasen zu mähen oder die Toilette zu putzen.
Wir wissen zwar, dass es falsch ist, genau das in diesem Moment zu tun, machen es aber trotzdem. Und jetzt sagt mir nicht, ihr kennt das nicht – wir wissen alle was ich meine. Es gehört in die Kategorie des 1. Januars eines neuen Jahres. Diese Sache mit den Vorsätzen: mehr Sport, weniger Trinken und ein besserer Mensch werden.
Prokrastination: Zusammensetzung aus pro ,für‘ und cras ,morgen‘, oder einfach Aufschieben.
Das ist schon etwas Tolles. Dieses befreiende Gefühl heute einfach nichts zu tun, morgen ist ja auch noch ein Tag und da wird bestimmt alles viel einfacher sein. Bis man bemerkt, dass ein Samstag auch nur 24 Stunden hat und das ganze Aufschieben einem mal wieder nur eine keimfreie Toilette und keine guten Noten beschert hat. Ärgerlich, aber das nächste Mal wird es bestimmt besser und ich werde einfach früher anfangen.
Pustekuchen, gar nichts wird besser!
Man redet sich das zwar immer aufs Neue ein, aber in Wirklichkeit tun wir damit auch nichts weiter, als Dinge noch mehr aufzuschieben. Für alle Menschen, die auch unter einer ernstzunehmenden Handlungsblockade leiden, habe ich mich in die Prokrastiantionswelt begeben, um Tipps und Tricks zu finden, um diese Bummelei zu unterbinden. Verhalten kann als Prokrastination eingestuft werden wenn folgende Kriterien erfüllt werden: Kontraproduktivität, mangelnde Notwendigkeit und Verzögerung. Wer sich hiermit angesprochen fühlt, sollte dringen weiterlesen.
Warum prokrastinieren wir eigentlich?
Das ist eine schwierige Frage, denn eigentlich mag man sein Studienfach doch, oder? Man kennt die Relevanz der vor einer liegenden Aufgabe. Und man fühlt sich doch gut und stolz nach erfolgreich erledigter Arbeit. Warum tut man es dann nicht einfach? Und das kurze Glücksgefühl das einem das Aufschieben beschert, ist offensichtlich nicht für die Ewigkeit, bis man am Ende sogar in einem Sumpf aus Aufgaben erstickt und einem alles über den Kopf wächst. Wie vor den Matheklausuren damals: ich saß immer den Abend vor dem Klausurtag heulend in meinem Zimmer und sah aufgrund meines Unwissens über Algebra mein Leben den Bach runter gehen. Bis ich dann irgendwann zur Nachhilfe ging. Und das ist der springende Punkt: Struktur und Prioritäten setzen. Man schiebt Dinge aufgrund von schlechter Organisation und mangelnder Struktur auf. Besonders Studenten leiden unter Prokrastination, da ein Studium weitestgehend frei gestaltet werden kann. Das führt dazu, dass die Hausarbeit nicht dieses, sondern erst nächstes Semester geschrieben wird. Es kann also auch als Studentensyndrom beschrieben werden, denn Selbstorganisation fällt ja nicht einfach vom Himmel.
Prokrastination kann aber auch durch Impulsivität, mangelnde Sorgfalt oder Perfektionismus hervorgerufen werden. Es findet eine Verschiebung in einigen Bereichen statt, also beispielweise die Überschätzung von zukünftigen Motivationsschüben, schlechtes Zeitmanagement und die Unterschätzung der emotionalen Verbindung zur Aufgabe. Oder man redet sich ein, man müsse erst in der richtigen Stimmung für diese Aufgabe sein. Hans-Werner Rückert (FU Berlin) sagte der WELT in einem Artikel, dass es zwei Prokrastinationstypen gibt. Zum einen die, die aufschieben, weil es ihnen einen Kick gibt. Diese schaffen es meist. Dann gibt es jene, die Aufschieben, um negative Gefühle zu vermeiden. Diese scheitern häufig. Außerdem geht es auch um eine gewisse Rechtfertigung. Wenn ich nur zwei Tage in das Lernen für eine Klausur investiert habe, ist eine schlechte Note quasi noch gut, wenn man jedoch eine Woche gelernt hat und das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist, so handelt es sich um einen herben Rückschlag. Der Mensch hat einfach Angst vorm Scheitern.
Auch das Internet spielt in der Prokrastiantionswelt eine große Rolle. Ich sitze am Schreibtisch und versuche meine Hausarbeit zu schreiben. Auf einmal vernehme ich ein zucken in meiner rechten Hand, ich möchte zu meinem Handy greifen. Nur mal eben Facebook und die Emails checken, achja bei Twitter sollte ich ja auch nochmal nachschauen. Oh, und meine Mutter hat mir gerade geschrieben… Und ehe man sich versieht verbringt man mehrere Stunden mit dem Surfen im Internet. Tipp dagegen: Einfach mal das Handy ausmachen – es tut nicht weh, mal 3 Stunden offline zu sein.
Am Anfang anzufangen ist hart – Goldene Regeln
Ja, das stimmt leider, es ist nicht leicht anzufangen. Aber wenn meine nicht existierenden zukünftigen Kinder ihre arbeitslose Mutter nicht einmal vom Küchenboden aufkratzen wollen, sollte man doch irgendwo mal an den Start kommen. Und eine goldene Regel ist die To-do-Liste und zwar eine konkrete. Nicht eine, wo noch der Einkauf mit drauf steht, sondern bis wann man was schaffen soll. Am besten immer eine für eine Woche oder gar für einen Monat. Diese sollte irgendwo im Zimmer platziert werden, sodass sie schön im Blickfeld hängt. Funktioniert wirklich! Selbsttest war erfolgreich. Und wie heißt es nicht so schön, man sollte Prioritäten setzen.
Belohnen – Das klingt traumhaft und macht vor allem wirklich Sinn. Sobald man etwas geschafft hat sollte man sich kurz belohnen. Damit meine ich keinen siebentägigen Urlaub für eine Seite Hausarbeit, sondern ein Stück Schokolade oder eine Folge Game of Thrones.
Pferde sind Fluchttiere, aber Menschen nicht. Deswegen sollte man versuchen seinen Fluchtinstinkt vor der Aufgabe zu unterbinden. Man sollte seine Tätigkeiten hinterfragen, besonders ob es jetzt gerade wirklich notwendig ist, den fünften Kaffee zu trinken oder das Zimmer umzustellen.
Good vibes – Auch wenn man gerade eine kleine Schreibblockade vor sich hat. Keine Angst haben und alles wieder hinschmeißen! Man sollte lieber positiv auf die Dinge zurückschauen, die man schon geschafft hat. Immer dran denken: das Glas ist halb voll, und wenn nicht, dann schenken wir nach.
Ein zehn Gänge Menü macht auch satt. Und wie! So sollte es einem auch bei seinen Aufgaben gehen, lieber viele kleine und erfolgreiche Schritte machen, anstatt unkontrolliert große. Es ist viel sinnvoller, zwei Wochen lang 2 Stunden am Tag für die Klausur zu lernen anstatt 48 Stunden vorher durchgehend.
Und zu guter Letzt: Realistisch bleiben! Wer aber doch gerade überhaupt nicht mit seiner Arbeit anfangen kann, sollte sich dieses Video anschauen.
Von Lea Bohlmann