Milka lockt seit kurzem mit zwei neuen Sorten ihrer beliebten Schokoladentafeln – Milka Triple á la Caramel und Milka Triple Choco Kakao. Damit vereint der Nahrungsmittelkonzern jeweils drei verschiedene Geschmacksrichtungen in einer Tafel: Flüssige Schokolade, knuspriger Keks und ein schokoladiges Mousse.
Doch hilft uns das, schneller und besser das richtige Produkt zu finden? Oder überfordert uns diese Auswahl nicht eher? Wieso fällt es uns jedes Mal aufs Neue so schwer, selbst banale Entscheidungen, wie die Auswahl beim wöchentlichen Lebensmitteleinkauf, innerhalb kurzer Zeit zu treffen?
Kaffee oder Tee, Buch oder Fernseher
Im täglichen Leben können bereits Fragen wie, „Was koche ich heute?“ oder der Blick in den Kleiderschrank eine mittelschwere Krise auslösen. Im Supermarkt stundenlang an denselben Regalen vorbei laufen, Dinge einpacken und diese dann im nächsten Moment doch wieder zurücklegen. Es kommt nicht selten vor, dass ich aus einem Supermarkt komme und mich frage, wie ich schon wieder eine geschlagene dreiviertel Stunde dort verbringen konnte und doch nur Milch, Eier und Brot im Gepäck habe.
Schon früh wird uns von unseren Eltern erzählt: „Wer die Wahl hat, hat die Qual“. Aber wer hätte damals schon gedacht, dass sich dieses Sprichwort auf mehr Lebenslagen übertragen lässt, als uns vermeintlich lieb ist? Denn Forschungen zufolge, treffen wir täglich bis zu 20.000 Entscheidungen, die alle von mehr oder weniger großer Bedeutung, bewusst oder unbewusst sind und schon am Morgen mit der Wahl unseres Frühstücks beginnen. Trinken wir Kaffee oder Tee, ziehen wir danach das weiße oder doch das schwarze T-Shirt an und lesen wir abends ein Buch oder setzen wir uns wie gewöhnlich vor den Fernseher und lassen uns berieseln?
Neben diesen vermeintlich banalen Entscheidungsfragen, kommen aber auch solche auf, die uns die Frage abnötigen, welche Richtung wir jetzt einschlagen sollen. Entscheidungen, die den Verlauf unserer Zukunft maßgeblich bestimmen können.
Entscheidungen – Wie es dazu kommt
Aber wieso kommt es eigentlich dazu, dass wir Entscheidungen treffen müssen? Und wieso fällt uns das jedes Mal aufs Neue so schwer? Banalerweise kann man auf die Frage der Notwendigkeit der Entscheidungen mit einer ganz einfachen Erklärung antworten: „Weil wir im Leben nicht alles haben können“. So müssen wir uns in den meisten Situationen für eine von mindestens zwei Wahlmöglichkeiten aussprechen. Öffnen wir die eine Tür, so schließt sich die andere. Entscheidungen können dabei sowohl positive, als auch negative Konsequenzen mit sich bringen. In einer Flut von bestehenden Alternativen haben wir höchstens die Möglichkeit, die für uns am besten passende herauszufinden. Aus diesen Alternativen entsteht somit eine Situation, in der eine Entscheidung unumgänglich ist. Warum es uns dann so schwer fällt, diese Entscheidung zu treffen, hat mehrere Gründe.
Wenn Angst zum Hindernis wird
Ein Gefühl, welches den Druck, eine Entscheidung treffen zu müssen, um ein wesentliches erhöht, ist Angst. Angst davor, die falsche Wahl zu treffen. Angst davor, diese im Endeffekt zu bereuen und dann nicht mehr rückgängig machen zu können. Angst davor, sich selbst oder andere Personen dadurch zu verletzen. Angst, die einen in Bezug auf die Handlung lähmen kann. Dann, nach einer getroffenen Entscheidung tritt oft der Gedanke an den Verlust, der entgangenen Möglichkeit, in den Vordergrund. Das typische „Was wäre, wenn…“-Szenario, welches vielen Menschen nur allzu bekannt vorkommt.
Interview mit einer Psychologiestudentin zum Thema Entscheidungsschwierigkeiten und dem praktischen Tipp der 10-10-10-Regel.
Bei der Entscheidung, die möglicherweise den Verlauf der Zukunft prägend beeinflussen, ist dieses Empfinden besonders präsent. Wer kennt das nicht: Aus Angst und Unsicherheit werden seitenlange Pro- und Contra-Listen angefertigt. Jedes auch nur ansatzweise mögliche Szenario wird immer wieder vor- und zurückgespult. Dabei muss Angst nicht per se etwas schlechtes bedeuten. Sie ist ein Schutzmechanismus des Körpers und bewahrt uns vor negativen Geschehnissen, wenn sie denn begründet ist. Oft empfinden wir Angst jedoch auch in Situationen, in denen diese unbegründet ist. Dann sollten wir uns dessen bewusst sein und negative Gefühle möglichst ausblenden.
Selbstbewusst zu seinen Entscheidungen stehen
Nur Selbstvertrauen und Mut können die Basis dafür sein, überzeugt zu einer gefällten Entscheidung zu stehen. Auch entgegen anderer Meinungen. Wichtig ist es, sich nicht von der Angst vor der Reaktion anderer Menschen oder möglichen negativen Konsequenzen verunsichern zu lassen. Doch auch die Widersprüchlichkeit „Herz gegen Kopf“ hält uns oftmals davon ab, Entscheidungen auf schnellstem Wege zu treffen. Schon im 17. Jahrhundert war der französische Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal davon überzeugt: „Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt“.
Menschlichkeit verleitet uns dazu, Handlungen aufgrund unserer Gefühle auszuführen. Die Begründung dafür können meist weder Vernunft, noch wir selbst geben. Im Gegensatz dazu offeriert uns, das wirtschaftswissenschaftliche Modell des Homo Oeconomicus, dass Entscheidungen auf Basis eines rationalen Kosten-Nutzen-Verhältnisses auf nüchterne Weise zu treffen, um maximalen Nutzen zu erzielen. Doch so einfach kann es nicht sein.
Kein Mensch handelt auf rein rationaler Ebene. Dies bestätigt auch der Psychologe Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin: „Menschen treffen Entscheidungen, – und jetzt sage ich etwas Radikales, gerade für uns Ökonomen – meistens, ohne Nutzen und Wahrscheinlichkeiten zu berechnen.“ Was besser ist, – eine Kopf- oder eine Bauchentscheidung – ist situationsabhängig.
Tragweite und Bedeutung der Situation spielen dabei eine große Rolle. Fest steht jedoch, dass emotionale und rationale Begründungen meist im Konflikt zueinander stehen. Allerdings belegen Studien, dass permanent rational handelnde Menschen mit dem Fokus auf der bestmöglichen Lösung, mit ihrer Wahl oft unzufriedener sind als solche, die sich auch mit einer ausreichend guten Aussicht zufrieden geben. Besonders bei alltäglichen Unschlüssigkeiten, wie der Auswahl des Essens während des nächsten Geschäftsmeetings, die keine spürbaren Konsequenzen nach sich zieht, ist es ratsam, vermehrt auf das Bauchgefühl zu hören um die eigenen Entscheidungsfähigkeiten zu stärken.
Qual der Wahl
Das Phänomen „Entscheidungsschwierigkeiten“ scheint ein Thema unserer Zeit zu sein. Soziale Medien verleiten dazu, uns mit anderen zu vergleichen. Der Druck, das Beste aus jeder Situation herausholen zu wollen steigt ins Unermessliche. Der Wunsch nach Perfektion und nach „der einen perfekten Lösung“ ist so groß, wie nie zuvor. Menschen wollen sich ungern festlegen. Anstelle von einst zehn verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten, bieten uns Internationalisierung und Digitalisierung nun einen Katalog von unzähligen Alternativen, die wir bei der Findung einer Entscheidung heranziehen können.
Consumer Confusion nennt sich der aus dem Marketing stammende Begriff, der immer wieder im Zusammenhang mit entscheidungspsychologischen Begründungen auftaucht. Und genau hier liegt das Problem: Hätten wir nicht eine so große Auswahlmöglichkeit an Alternativen, würde es uns erst gar nicht so schwer fallen, uns zu entscheiden. Man könnte die Situation mit der eines kleinen Kindes vergleichen, das in einem Süßigkeiten Paradies nur eine Sache mitnehmen darf und von der Fülle des Angebotenen heillos überfordert ist.
Ein weiteres Beispiel ist die Wahl des Berufs. Wenn es schon schwer fällt, sich morgens für Brot oder Müsli zu entscheiden, wie soll man dann festlegen, wo und in welchem Bereich man die nächsten Dekaden arbeiten will? Noch vor ein paar Jahrzehnten war der berufliche Werdegang familiär vorbestimmt. Dass der Sohn in die Fußstapfen des Vaters tritt, stand außer Frage. Heutzutage kann es zu einer ernsthaften Lebenskrise werden, einen passenden Karriereeinstieg zu finden. Unmengen an neuen Studiengängen, vielseitigen Ausbildungsmöglichkeiten und Traineeships überfordern. Sensible Menschen scheinen davon eher betroffen, als die Art Mensch, die emotionale Ereignisse weniger nah an sich heran lässt. In brenzligen Situationen sehen sie zu viele mögliche Entscheidungen vor sich, was von einer Überstimulation zu einer Belastung führen kann.
… dem Phänomen „Entscheidungsschwierigkeiten“ standhalten
Wie wir sehen: Zu viel Auswahl überfordert uns. Einen Rahmen zu setzen kann helfen, unter der Welle der vielen Möglichkeiten einzubrechen. Kleinere Supermärkte und zeitliche Fristen sind für den wöchentlichen Einkauf hilfreich. So sinkt die Gefahr, wertvolle Zeit in den Tiefen der Supermarktregale zu verschwenden. Stehen bedeutende Entscheidungen an, helfen Gespräche mit neutralen Personen, um neue Blickwinkel zu beleuchten.
Auch die eigene Akzeptanz des Gewählten, ob die Entscheidung nun richtig oder falsch war, hilft, dem Phänomen „Entscheidungsschwierigkeiten“ stand zu halten. Auch in der Zukunft, werden uns Entscheidungsprozesse nicht leichter gemacht. Die Anzahl an Alternativen wird vermutlich eher zunehmen, als dass sie geringer wird. Jedoch sollte die Angst vor einer Fehlentscheidung keineswegs davon abhalten, in richtigen Situationen Nägel mit Köpfen zu machen. Und wenn dann doch einmal nichts mehr hilft und die Lage aussichtslos erscheint, bleibt immer noch die alt bewehrte Münzwurf-Strategie, um einen Ausweg zu finden. Gelassen können wir uns zurücklehnen, wenn uns kleine Entscheidungen abgenommen werden. In diesem Sinne: Danke Milka, dass wenigstens ihr uns dabei helft, wenn wir wieder nicht wissen, welche Sorte Schokolade wir gerne auf dem Fernsehtisch liegen haben.
Von Lisa Wallbraun
Bildnachweis: Von Martin Fisch unter CC BY-SA 2.0 via flickr