Das Märchen der Babyboom-Insel 

Die Geburtenrate in Deutschland ist konstant gering. Jede Frau bekommt durchschnittlich 1,38 Kinder. Doch der Stadtteil in Prenzlauer Berg in der deutschen Hauptstadt ist berühmt dafür, diesem Trend entgegen zu wirken. Was hat es mit diesen Behauptungen auf sich? „Wir befinden uns im Jahre 2014 n.Chr. Ganz Deutschland ist von Kinderlosigkeit besessen… Ganz Deutschland? Nein! Ein von ehemaligen Hipstern bevölkerter Stadtteil Berlins weigert sich hartnäckig mit dem deutschen Trend zu gehen…“ – so würde der Autor von „Asterix und Obelix“ das Phänomen des Prenzlauer-Berg-Kiezes beschreiben. Hier soll alles anders sein als im Rest Berlins – angeblich sogar wie im Rest Gesamtdeutschlands.

Die deutsche Bevölkerung wird immer älter. Das scheint aber der Familienplanung der meisten Paare keinen Anstoß in die Richtung zu geben, sich frühzeitig und mehrfach auf Kinder einzulassen. Heutzutage möchte man seine jungen Jahre genießen, erst einmal zu Zweit Zeit verbringen, Karriere machen und vielleicht ist dann irgendwann Platz für ein Kind. Höchstens zwei. „Sind potentielle Eltern endlich bereit dazu ein Kind zu bekommen, ist es meistens entweder ganz zu spät dafür, oder mehr als eins ist in dem entsprechenden Alter nicht mehr möglich.“, bestätigt der in Berlin-Mitte ansässige Familienexperte Manuel Schleier. Laut Statista wurden 2013 682.100 Babys in Deutschland geboren. 1997 waren es 812.173, 1991 sogar 830.019. Bei durchschnittlich 1,38 Kindern pro Frau, ist eine Überalterung schon lange keine Überraschung mehr.

Warum sollte das in Prenzlauer Berg anders sein?

Noch vor wenigen Jahren galt das Viertel in Ostberlin als Szene-Kiez. Hierhin zog das junge kreative neureiche Klientel, oft Studenten die den Sprung nach oben schafften. Der Kleidungsstil zwischen Öko und Hipster, Lebensmittel alle Bio, die Wohnungseinrichtungen irgendwo zwischen chaotisch und kreativ und später kam noch etwas anderes hinzu: Die Kinderwagen. Mit einem Schub schien ganz Prenzlauer Berg Eltern geworden zu sein, beschreibt Paul Michael Rathke. Seit 1982 wohnt der mittlerweile 63-jährige in der Dunckerstraße. Aus erster Hand bekam er die Veränderung mit. „Es war mir, als hätte es über Nacht Kinder geregnet. Die meisten Menschen in meiner näheren Nachbarschaft hatten sich urplötzlich von überzeugten Singles in überzeugte Eltern verwandelt.“ Schnell hatte „Prenzelberg“ den Ruf als babyreichste Gegend Deutschland inne.

Imagewandel

Mittlerweile ist diese Behauptung widerlegt. Es gab in der Gegend nicht mehr Babys als anderswo, wo viele junge Menschen beheimatet waren. Was sich veränderte, war das Image des Kinderkriegens. Es war plötzlich angesagt sich mit Kindern in Cafés und auf Spielplätzen zu treffen. Spielzeugläden, Windelservice und Kindermodengeschäfte schossen aus dem Boden und plötzlich sah man überall Mütter und Väter mit ihren Kleinkindern herumlaufen. Das wiederum veranlasste andere junge Familien zuzuziehen, hatte man hier doch alles was man brauchte um ein Kind aufwachsen zu lasen und war zusätzlich relativ zentral zuhause.

„Wer alles haben wollte was ein Kind zum leben und glücklich sein braucht, der zog zu uns um die Ecke.“, erzählt Rathke weiter. „Das hat sich bis heute nicht geändert. Wir haben uns daran gewöhnt, und wer sich nicht damit abfinden konnte, musste sich halt verpissen.“ Und somit bevölkern die ehemaligen , „vernünftig gewordenen“ Hipster auch weiterhin Prenzlauer Berg. Der angebliche Babyboom war allerdings übertrieben.

Von Ruth Bauer

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