Warum darf Israel das, Frau Merkel?

Anfang Mai besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Berliner Röntgen-Schule. Das Ziel des Besuchs war eine offene Diskussionsrunde über die EU und ihre aktuellen Krisenherde. Anstelle von Ukraine oder Flüchtlingen stand aber plötzlich ein ganz anderes außenpolitisches Thema im Mittelpunkt: Israel. Doch darüber sollten die anwesenden Journalisten nicht berichten. So liefen die Bilder im Fernsehen ohne O-Ton und wurden nur indirekt kommentiert- wie einst im DDR-Fernsehen.

Trotz ihre ursprünglichen Ziels, verlagerte sich die Diskussion schnell in die Thematik des Nahost-Konflikts. Schüler mit palästinensischen Wurzeln fragten die Kanzlerin, wie sie es für moralisch vertretbar hält, Waffen an die israelische Regierung zu liefern. Zusätzlich wurde die Kanzlerin darauf aufmerksam gemacht, dass der Großteil der Waffendeals mit Rabatten kombiniert werden: Rabatte, die der deutsche Steuerzahler übernimmt.

Typisch Politik: Knifflige Fragen, leere Antworten

Merkels Antwort, Deutschland hätte eine historische Verantwortung, kann nicht so recht überzeugen: Hieße das, ohne Holocaust und dritten Weltkrieg, hätte Deutschland keinerlei Interesse am Wohlergehen Israels? Und darf man einem Staat einen politischen Blankoscheck ausschreiben, der gedeckt ist, mit Verbrechen und Ungerechtigkeiten aus der Vergangenheit?

Dieser fragwürdige Auftritt der Kanzlerin hätte eine Debatte anstoßen können. Eine Debatte darüber, wie es politische hinnehmbar sein kann, einen Staat im Nahen Osten zu unterstützen, der tagtäglich international geltendes Recht bricht. Einen Staat, dessen gesellschaftliches Leben von Gewalt und Diskriminierung geprägt ist und wo die widerrechtliche Annektierung von fremden Land von jeder Partei unterstützt wird. Einen Staat, in dem es als normaler Wahlkampf angesehen wird, wenn ein israelischer Politiker die Exekution aller arabischer Israelis fordert, sollten sie eine arabische Partei wählen.

„Palestinians? They are beasts. They are not human!“

Verrückte Politiker gibt es in jeder Partei, könnte man nun meinen. Zum Beispiel David Silvester, Mitglied der UKIP, der Anfang letztes Jahr behauptet hat, die starken Überschwemmungen in Großbritannien, seien Gottes Strafe für die Einführung der Homosexuellen-Ehe. Doch wie rechtfertigt sich ein Land, in dem solche Einstellungen nicht Einzelfälle, sondern die Regel sind?

„Palestinians? They are beasts. They are not human!“ Das ist die Einstellung von Eli Ben-Dahan. Nicht irgendwem in Israel, nicht irgendein verquerer Hinterbankpolitiker, sondern der Minister für religiöse Angelegenheiten.

Über der ganzen Welt verteilt Leben mehr als 9 Millionen Palästinenser. Zusätzlich zum harten Kurs der jetzigen ultrarechten Regierung, greift Dahan mit dieser Aussage alle Palästinenser an. Die Vorstellung, ein deutscher Politiker würde öffentlich so abwertend und beleidigend über eine andere Nation reden, weckt ein mulmiges Gefühl. Man beachte, dass Bundespräsidenten hier ihre Posten verlieren, weil sie sich angeblich ein Hotelzimmer haben bezahlen lassen. In Israel wird eine Partei(Likud) stärkste Kraft, deren Vorsitzender, Benjamin Netanjahu, während dem Wahlkampf sagt, dass es mit ihm keinen palästinensischen Staat geben wird. Diese Aussage ist ein Bruch mit der UN-Resolution, sie ist ein Bruch mit den Osloer Verträgen und sie ist eindeutig konträr zur deutschen und amerikanischen Position: Frieden kann es nur mit einer Zwei-Staaten-Lösung geben.

Russland wird sanktioniert, Israel nicht

„We should manage the conflict and not give up on a centimeter of land. Our plan is to annex area C.” So Ajalet Schaked, Justizministerin in Israel. Als die UN nach dem zweiten Weltkrieg zusammenkam, wurde beschlossen, das historische Palästina in zwei Gebiete zu teilen: ein arabisches und ein jüdisches. Während die erste Grenze das Land fast gleichmäßig aufteilte, annektierte Israel nach dem Sechstagekrieg 1967 große Teile Palästinas.

Obwohl es rechtlich verboten ist, während eines Krieges besetztes Land zu behalten, hat Israel bis dato nur die Sinai-Halbinsel zurückgegeben. Am 22. März 1976 entschied der UN-Sicherheitsrat einheitlich in einer Resolution , dass die seit dem Sechstagekrieg besetzten Gebiet keine rechtliche Gültigkeit besitzen. Doch diese Entscheidung interessierte die israelischen Politiker nicht, im Gegenteil: seit der Gründung Israels, wurde der Siedlungsbau fanatisch weiter betrieben, sodass heute mehr als 600.000 Israelis auf fremdem Land leben. Stelle man sich vor, Putin würde mehr als eine halbe Millionen russischer Staatsbürger auf annektiertem ukrainischem Boden ansiedeln, würden sich die Sanktionen blitzartig in einen Krieg verwandeln. Unter diesem Gesichtspunkt scheint die moralische Integrität der westlichen Staaten, allen voran Deutschland, nicht mehr so lupenrein wie gerne dargestellt.

Freundschaft heißt nicht blinde Vasallentreue

Wie so oft in der deutschen Politik, wird auch diese außenpolitische Frage mit der merkelschen Allzweckwaffe beantwortet: „Es gibt keine Alternativen.“ Doch die skandinavischen Länder und allen voran US-Präsident Barack Obama, haben sich in diesem Konflikt neu aufgestellt und zeigen, dass man Kritik ausüben und zugleich Partner bleiben kann.

Als das schwedische Parlament letzten Oktober mehrheitlich für die Anerkennung Palästinas gestimmt hat, reagiert Israel sofort und zog seinen Botschafter ab, hielt die wirtschaftlichen Beziehungen aber aufrecht. Und als Barack Obama den Siedlungsbau und den respektlosen Umgang mit der arabischen Bevölkerung während des Wahlkampfes kritisiert hat, wurde seine Kritik international positiv aufgenommen.

Doch auf all die schönen Worte müssen langsam Taten folgen. Ansonsten laufen wir politisch Gefahr, das Wichtigste zu verlieren: Unseren Glauben an Frieden.

Von Celal Cagli

Bildnachweis: Graffiti on a checkpoint at Kalandia. Picture taken by Justin McIntosh, August 2004. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.

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