Deutschland bewirbt sich um die Olympischen Spiele 2024. Eventuell findet das größte Sportereignis der Welt sogar in der Bundeshauptstadt Berlin statt. Aber: wollen die Berliner die Spiele wirklich? An der BiTS Berlin wurde über ein Für und Wider der Spiele diskutiert.
Dieser Moment, unter dem Jubel der Zuschauer ins Stadion einzumarschieren. Dieser Moment, wenn die Fackel hineingetragen und das olympische Feuer entfacht wird. Dieser Moment, wenn die eigene Flagge im Wind weht und die Nationalhymne in der Arena ertönt. Wenn all das harte Training, all der Verzicht der letzten Jahre und Jahrzehnte plötzlich einen Sinn ergibt. Diese Momente sind der Traum aller Athleten. Der Traum von einer Teilnahme beim größten und wichtigsten Sportereignis der Welt: den Olympischen Spielen.
Alle vier Jahre richtet ein Land die Spiele aus und nicht wenige Nationen buhlen jedes Mal um die Ehre, ein solches sportliches Großereignis organisieren zu dürfen. Zuletzt waren London und Peking stolze Ausrichter der Spiele, als nächstes sind Rio de Janeiro und Peking am Zug. Danach, im Jahr 2024, ist der Austragungsort noch offen. Und Deutschland möchte sich bewerben.
Dass die Bundesrepublik sich um die Olympischen Sommerspiele bewirbt, steht schon fest, aber nicht, mit welcher Stadt. Zur Debatte stehen die Hansestadt Hamburg und die Hauptstadt Berlin. In diesen zwei Großstädten geht es zur Zeit heiß her – haben die Olympischen Spiele doch keinesfalls nur Befürworter, sondern auch eine Menge Gegner. Nichtsdestotrotz fällt der Deutsche Olympische Sportbund am 21. März die Entscheidung, ob sich Hamburg oder Berlin bewerben wird.
Aber: wollen die Berliner die Spiele überhaupt? Pompöse Stadien, gebannte Menschenmengen, muskelbepackte Athleten, sportliche Höchstleistungen, Siegeskränze und Goldmedaillen auf der einen Seite – die jahrelangen Baustellen wegen der Errichtung der Sportstätten und des Olympischen Dorfes, die Umrüstung der Infrastruktur, das Bereitstellen zehntausender Freiwilliger auf der anderen. Diskutiert wird deshalb oft und heftig – unter anderem auch an der BiTS Berlin. Am 24.02. trafen hier Pro und Contra aufeinander. Für Olympia stand Tobias Dollase vom Landessportbund Berlin, dagegen Pierantonio Rumignani vom Bündnis NOlympia. Eine spannende Kombination – dass in der knapp zweistündigen Diskussion wohl keine Einigung stattfinden würde, war vorhersehbar.
Pro-Olympia-Aktivist Dollase sieht den größter Vorteil einer Olympiade in Berlin darin, dass die Stadt sehr erfahren im Umgang mit Großveranstaltungen ist. „Unser Markenzeichen sind die riesigen Events, das können wir wirklich“, betonte er und bezog sich dabei auf Highlights wie den Berlin-Marathon. Außerdem sei eine Olympiabewerbung Anreiz, Probleme in der Stadt anzupacken. Dazu zählt, dass die Stadt komplett barrierefrei für Rollstuhlfahrer wird, dass Sportstädten modernisiert werden und dass die Infrastruktur verbessert wird. Dollase befürchtet, dass eben diese Themen wieder unter den Tisch fallen, wenn Berlin sich nicht um die Spiele bewirbt. „Wir brauchen Ziele für die Stadt. Mit einer Null-Bock-Haltung kommt man nicht weiter“, so der Olympia-Befürworter.
Rumignani konterte mit dem finanziellen Aufwand, der damit verbunden ist. Bei den Spielen in London 2012 hätten die Steuerzahler umgerechnet 11,5 Milliarden Euro bezahlt und in Berlin sei mit einer ähnlichen Summe zu rechnen. „Für eine vierköpfige Familie wären das mehr als 6000 Euro. Das muss man sich mal verinnerlichen“, so Rumignanis nachdrückliches Beispiel. Ebenfalls kritisierte er die schlechte Organisation und Planung: „Niemand weiß, wie viel die Spiele kosten werden. Und am Ende bekommt der IOC (International Olympic Committee) sowieso das meiste Geld“. Außerdem, so befürchtet Rumignani, kämen zwar viele Besucher in die Stadt – aber viele andere, die gekommen wären, wenn die Spiele nicht stattfinden würden, würden wegbleiben. Berlin brauche die Spiele nicht, um Touristen anzulocken, die Stadt sei auch so populär genug. Weiterer enormer Kostenpunkt: die Sicherheitsmaßnahmen – in London lagen sie bei 1,5 Milliarden Euro. Das ist eine riesige Summe und das hohe Sicherheitsrisiko ein ernstzunehmendes Argument gegen die Spiele in der Hauptstadt. Dem allerdings steuert Dollase entgegen: „Von den Terroristen dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen. Die können uns die Spiele nicht verbieten“. Er betonte, für die Sicherheit der Athleten und Zuschauer keine Kosten zu scheuen. „Wir geben dem Terror keine Chance“, so sein Statement.
Außerdem gehe es Dollase bei den Spielen gar nicht um die wirtschaftliche Produktivität: „Es geht um den olympischen Grundgedanken, nicht um das Geld“. Er sei gegen Gigantismus und „für Nachhaltigkeit, Toleranz und Emotionen“. Toleranz – damit meinte Dollase unter anderem die Integrationsarbeit der Tausenden Berliner Sportvereine. „Die Vereine sind der Motor für Integration, Lebensglück und Leidenschaft“, so Dollase, der auch ein Unterstützer von „Jugend trainiert für Olympia“ ist.
Damit gehen seine und Rumignanis Meinung allerdings meilenweit auseinander: Spitzensport soll nach Meinung des NOlympia-Mitglieds grundsätzlich nicht gefördert werden: „Leistungssport ist ungesund. Die Athleten tragen sehr oft Folgeschäden davon, das hat nichts mit gesundem Sport für den Normalbürger zu tun. Unsere Kinder sollen mit gesundem Sport gesund bleiben“, ließ Rumignani verlauten – und erntete damit harsche Kritik aus dem größtenteils sportbegeisterten Publikum, das mit einer solchen Haltung natürlich nicht einverstanden war. „Junge Sportler brauchen die Olympioniken als Vorbilder“, so die Meinung eines Zuschauers. Dem stimmte auch Dollase zu. Er sieht sogar noch Förderungsbedarf, gerade was den Zustand vieler Sportstätten angeht. „Wenn wir die Spiele nach Berlin holen, bekommen wir genau dafür Geld vom IOC. Darauf wollen wir nicht verzichten!“, fand der Olympia-Überzeugte.
Sollten die Spiele in die Hauptstadt kommen, will er auch endlich Schluss machen mit den Vorurteilen eines immer noch nationalsozialistischen Deutschlands: „Vielleicht kann man dann auch mal mit Stolz die Fahne schwenken. Der braune Mief muss endlich raus aus dem alten Olympiastadion“.
Nachhaltig, sozial, demokratisch, basisnah: so fasste Dollase noch einmal seine Argumente für Deutschland zusammen. „Deutschland ist das einzige Land, in dem es eine Volksabstimmung über Olympia gibt“, erklärte er. Natürlich wäre es für ihn am schönsten, wenn die Olympischen Spiele 2024 in seine Stadt Berlin kommen würden. Und obwohl Rumignani noch nicht überzeugt ist, räumte selbst er ein: „Sollte der IOC sich ändern und sollten die Spiele zumindest ohne wirtschaftliche Verluste ablaufen, habe ich nichts gegen Olympia“.
Tobias Dollase kämpft weiter für ein Olympia in der Hauptstadt. Und er ist positiv gestimmt, dass 2024 tatsächlich wieder Olympioniken aus der ganzen Welt ins Berliner Olympiastadion einziehen. „Wenn es zu einer Einigung kommt, könnte das ein Sommermärchen werden“, so sein Schlusswort. Ob er und die anderen Olympia-Befürworter den Deutschen Olympischen Sportbund von Berlin als Austragungsort überzeugen können, wird sich Ende März zeigen. Und dann müsste man sich immer noch gegen die Mitbewerber Boston und Rom durchsetzen – es wird also noch spannend im Kampf um die Olympischen Spiele 2024.
Von Pauline Schnor