Sie wollen frei und flexibel sein, sich nicht binden und arbeiten wann und wo sie wollen: Das ist das, was Generationsforscher meinen, über die Generation Y – die Kinder der 1980er und 1990er Jahre – herausgefunden zu haben. Das mag stimmen, allerdings nur für eine gewisse Zeit. Hört man sich unter den Zwanzigjährigen um, ist die überraschende Antwort auf den Lebensplan: Einen Partner finden, ein schönes Zuhause, ein gut bezahlter, sicherer Job und wenn es gut läuft ein oder zwei Kinder. Dieser Plan klingt überraschend simpel und wenn man ihn mit den vorangegangenen Generationen vergleicht, hat sich diesen gegenüber nicht viel verändert. Doch den vermeintlich einfachen Lebensplan in die Tat umzusetzen, ist längst nicht mehr so simpel wie es einmal war.
Obwohl die jungen Leute anscheinend das Ziel verfolgen, einmal eine Familie zu haben, scheint das Umsetzen in die Realität ihnen Angst zu machen. Zu oft haben sie gehört, die Karriere sei das wichtigste, man müsse sich selbst verwirklichen und sein Potenzial nutzen. Das Ganze dann noch mit einem Kind zu kombinieren, scheint unmöglich.
So hören junge Mütter, die sich trotz Studiums oder aussichtsreicher Jobchancen für ein Kind entscheiden, aus dem Freundeskreis oft nur negative Stimmen. „Willst du als Hausfrau enden?“ oder „Du bist doch noch viel zu jung, du musst dich erstmal selbst verwirklichen!“, sind die Standardsätze, die dann fallen. Und ganz unrecht haben die Stimmen ja nicht: es ist unbestreitbar, dass man die Karriereleiter einfacher ohne Kind auf dem Rücken hinaufklettert.
Ganz so wie es bei den eigenen Eltern war, soll es nämlich bei der Generation Y doch nicht ablaufen. War es zu Zeiten älterer Generationen noch kein Problem, wenn die Mutter nach der Geburt des Kindes zu Hause blieb und nur der Partner arbeitete, funktioniert das heute aus zwei Gründen nicht mehr: zum einen ist die Finanzierung einer ganzen Familie nur schwer möglich, wenn nur eine Person arbeitet. Zum anderen sehen die Frauen es nicht mehr ein, nur, weil sie ein Kind bekommen haben, ihren Job aufzugeben und somit womöglich umsonst studiert zu haben.
Das hängt mit der wachsenden Emanzipation zusammen und den Chancengleichheiten, die der Generation Y von Kindesbeinen auf eingetrichtert wurde: Mädchen haben die gleichen Rechte, Pflichten und Chancen wie Jungen. Das trifft allerdings nur bis zur Schwangerschaft zu. Denn trotz Chancengleichheit ist es immer noch so, dass die Frau das Baby austrägt und der Mann diesen Job nicht übernehmen kann.
Die jungen Familien müssen sich dann damit beschäftigen, wer wann in Elternzeit geht, ab wann das Kind in den Kindergarten kommen soll und ab wann die Mutter wieder voll in den Beruf einsteigen kann – vorausgesetzt, sie kann ihre alte Stelle überhaupt wieder antreten. Die Folgen: in Deutschland ist die Frauen-Erwerbsquote zwar so hoch wie nie. Aber seit dem Jahr 2000 hat sich die Anzahl der Geburten in Deutschland um fast 100.000 verringert und eine amerikanische Studie hat zuletzt ergeben, dass die Bevölkerung Deutschlands bis 2060 sogar um 19% sinken könnte.
Frankreich, Kinderreich
Nicht nur Deutschland sieht sich dem Geburtenrückgang ausgeliefert, auch in anderen EU-Ländern wie Bulgarien und Litauen scheint die Lust, ein Baby zu bekommen, zu schwinden. Auf der anderen Seite können Frankreich, Großbritannien und die skandinavischen Länder sogar auf einen Geburtenzuwachs zurückblicken. Dort scheinen die Frauen offensichtlich nicht zu befürchten, ein Baby könne ihrer Karriere schaden.
Auf den Internetseiten der Europäischen Union ist dem französischen Familienförderungssystem bereits eine eigene Seite gewidmet, auf der Frankreich als das Land mit den „höchsten Fruchtbarkeits- und Beschäftigungsraten“ bezeichnet wird. Hauptziel der Familienförderung in Frankreich: mit der Fruchtblase soll nicht auch der Traum von der eigenen Karriere zerplatzen. Die Frau soll so schnell sie möchte wieder in das Berufsleben einsteigen können, während ihr Kind betreut wird.
16 Wochen lang dürfen die Mütter nach der Geburt bei vollem Gehalt pausieren, Väter nur 11 Tage lang. Diese Elternzeit ist zwar kürzer als die in Deutschland, aber sie ermöglicht einen einfachen und sicheren Weg zurück in den Beruf. Frankreichs Kinderkrippen nehmen Babys schon ab zwei Monaten auf und Kinder ab zwei Jahren können kostenlos in den Kindergarten gehen – und das so lange, wie es der Arbeitstag der Eltern erfordert. 95% der französischen Familien nehmen diesen Dienst in Anspruch.
Etwas, das aber Frankreich besonders von den anderen EU-Ländern unterscheidet, ist, dass die Eltern dort nicht zögern, eine Tagesmutter – auch Nanny genannt – anzustellen. Das bietet ihnen nicht nur den Vorteil, direkt wieder in den Beruf einsteigen zu können: wer eine Nanny in Anspruch nimmt, bekommt sogar Zuschüsse vom Staat. Doch nicht nur die Kinderbetreuung ist besser geregelt als in Deutschland, Frankreich ist auch einen Schritt voraus, was die Gleichstellung von Frauen und Männern angeht: mehr Frauen haben Managerpositionen, weniger Frauen arbeiten Teilzeit. Die Gleichberechtigung der Geschlechter scheint also offensichtlich zu einer höheren Geburtenrate zu führen.
Die Maßnahmen in Frankreich tragen im wahrsten Sinne des Wortes Früchte: als einziges EU-Land weist Frankreich eine durchschnittliche Kinderanzahl von über zwei Kindern pro Frau auf. Laut Bevölkerungsstatistikern ist mindestens diese Anzahl nötig, damit die neue Generation später die jetzige Bevölkerungsanzahl ersetzen kann. In Deutschland müssen also dringend wieder mehr Kinder geboren werden, damit die Wirtschaft nicht eines Tages unter einem Mangel an Arbeitskräften leidet, wie es in China aktuell als Folge der Ein-Kind-Politik der Fall ist.
Die Angst vor der Familiengründung muss den jungen Menschen deshalb schnellstmöglich genommen werden – und das kann nur funktionieren, wenn sich die Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ändern. In Deutschland beschränkt sich die Familienförderung bislang hauptsächlich auf das Elterngeld – damit fördert der Staat nicht das berufliche Weiterkommen der Frauen, sondern er fördert damit sogar längere Pausen vom Job. Und das ist genau das Gegenteil von dem, was die kommende Müttergeneration möchte.
Von Pauline Schnor
Bildnachweis: Bundesarchiv, Bild 183-1988-0218-013 / CC-BY-SA [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons