Verlage verschlafen das mobile Web

Verpassste Chancen 2.0: Print verschläft auch das mobile Web

Es ist erstaunlich: Während sich derzeit das Internet für seine mobile Nutzung neu erfindet und allerortens Firmen aus dem Boden sprießen, die die beiden Megathemen Payment und Geolocation besetzen, diskutieren Zeitungsverlage über Paid Content, Paywalls und Leistungsschutzrechte.

Das ist höchst erstaunlich, denn auch während der massenhaften Verbreitung von Internetdiensten, die über den stationären Computer genutzt wurden, waren Verlage im Kern mit sich selbst und dem Schutz ihres Bestands beschäftigt, anstatt sich – mit zerstörerischer Kreativität sensu Schumpeter – dem Markt zu stellen und innovieren.

Geschichte wiederholt sich, munkelt man. Aber in so kurzen Zeitintervallen? Die Verlagsmanager, die vor gut 20 Jahren das Internet verschlafen haben, verschlafen jetzt das Geschäft rund um mobile Nutzung.

Dazu habe ich heute morgen einen wirklich guten Artikel von Cory Bergman gelesen (5 reasons mobile will disrupt journalism like the Internet did a decade ago), der die Probleme scharf analysiert und in fünf Gruppen benennt:

1. A responsive design isn’t a mobile strategy

Das (kostengünstige) Verfügbarmachen vorhandener Assets (Inhalte in dem Fall) ist keine nach vorne gewandte Strategie, sondern nur passive Reaktion. Kleinanzeigenmärkte sind nicht aufgrund der Inhalte ins Netz abgewandert, sondern aufgrund medialer Vorteile!

2. Mobile will not only surpass the desktop, but begin to erode it

Der PC ist ein Auslaufmodell – jedenfalls was den Einsatz zu Hause angeht. Und auch in Büros stellt sich immer mehr die Frage, ob man wirklich einen PC braucht, oder nicht zumeist ein mobiles Devices genügt. Das Internet selbst löst seine bisherige „Wirtsplanze“ – den PC – auf. Während Verlage noch Web first diskutieren, ist die Realität der Nutzer längst Mobile first.

3. The desktop decline will pressure news revenues

Je mobile das Internet wird, desto ortsabhängiger wird es was seine Inhalte angeht. Statischer „one size fits all“ Content, wie ihn die Verlage heute anbieten, wird zunehmend uninteressant und bietet keine attraktive Plattform. Nicht mehr Reichweite, sondern Zielgenauigkeit ist heute der Motor für Umsätze.

4. News needs to solve problems

Welches tatäschliche Kundenproblem löst eine Zeitung heute? Mit fällt keines mehr ein. Die Weltnachrichten sind per Radio, TV, App und Browser ständig und zeitnah verfügbar. Für Hintergründe und längere Berichte gibt es Zeitschriften, TV-Dokus und das Internet. Zeitungen müssen sich neu erfinden und überlegen, welches Kundenproblem sie lösen. Beim Beginn der Zeitungswirtschaft war das noch klar: Informationsvermittlung. Heute: Drei Fragezeichen???

5. Technology companies are mobile first and spending like it

Verlage investieren grundsätzlich falsch. Die einen fahren die Redaktionen (den Produkterstellungsprozess) zurück, die anderen kaufen jetzt teuer die Innovationen zurück, die vor zehn Jahren gemacht wurden. Die dritten investieren in Flagship Products ohne konkreten Kundennutzen. Google, Twitter, Amazon, Ebay/Paypal, Facebook ja selbst Yahoo gehen einen anderen Weg: Gezielte Investitionen in Innovationen mit großen Potenzialen.

Von Thomas Becker

Bildnachweis: Von Marjan Grabowski [Lizenz] via unsplash.com

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