„And all of my friends say I should move on – she’s just another girl don’t let it stick to your heart so hard.“ Ich heule in meinen Whiskey und fühle mit jedem Wort, dass Brandon Flowers durch mein von rotem Neonlicht durchflutetes Wohnzimmer schreit.
Ich lebe den Blues des Verlassenwerdens so sehr, dass mir Wortkombinationen wie „Blues des Verlassenwerdens“ wahnsinnig tiefgründig erscheinen. Ich bin Tom aus „500 Days of Summer“, Cap aus „Cap und Capper“, Bridget Jones aus jedem Bridget Jones Film, den es gibt und noch geben wird. Nur ohne Botox-Gesicht, Schokolade und besonders – ohne Happy End.
Über Schicksal und Meerjungfrauen
Würde ich an Schicksal glauben, würde ich sagen. „Das hat schon alles einen Sinn. Es sollte eben nicht so sein und die Wunden heilt die Zeit.“ Aber das tue ich nicht. Ich glaube nicht, dass irgendetwas passiert, weil es eben so passieren sollte. Ich glaube, dass wir Menschen aus Zufall treffen, dass wir ganz willkürlich Dinge machen, sagen, denken, die unser ganzes Leben verändern können.
Bei einer Pizza in Kreuzberg sagt mir ein Freund:„Es ist doch viel zauberhafter, wenn alles aus Zufall passiert und aus Entscheidungen, die wir treffen und auch hätten anders treffen können. Das erlaubt es uns irgendwie mit zu bestimmen und ist nicht so beschränkend. Wäre alles Schicksal, dann hätte ich meine Freundin vielleicht nie kennen gelernt, weil es bestimmt jemanden gibt, der besser zu ihr passen würde. Oder zu mir. Dann wäre ich nicht nach Berlin gezogen, würde in diesem Moment nicht mit dir hier sitzen.“
Trotzdem kann ich mich von dem Gedanken, eine gute Option verpasst zu haben und mich nun mit schlechteren Optionen abfinden zu müssen, nicht losmachen.
Aber klar, warum sollte ich auch? Wenn der Prinz Dornröschen nicht wach geküsst hätte, dann würde sie immer noch schlafend in ihrem Erker liegen. Da käme wohl kaum ein anderer Prinz auf die Idee, mal vorbei zu schauen. Wenn Belle das Biest nicht kennen gelernt hätte, dann würde sie wohl immer noch in ihrem kleinen Dorf in Frankreich sitzen. Und wenn Ariel Eric nicht über den Weg geschwommen wäre, wäre sie niemals zum Mensch geworden.
Ob diese Entscheidung gut war, darüber kann man wohl streiten. (Ariel 2016: I don’t wanna be where the people are) Ja, vielleicht wäre sie sogar glücklich gewesen, wenn sie weiter unter Wasser gelebt hätte. Hätte einen netten jungen Meerjungmann oder eine nette junge Meerjungfrau kennen gelernt oder wäre Single geblieben. Aber schließlich war das nicht so vorherbestimmt.
What (the f*ck) is love? Baby, don’t hurt me.
Bei 7,44 Milliarden Menschen auf diesem Planeten, wovon 3,43 Milliarden das Internet nutzen, muss doch wenigstens einer mal festgestellt und aufgeschrieben haben, warum es gut ist, Single zu sein.
Ich mache mich auf die Suche und lese Dinge wie „Du musst keine Geschenke kaufen“, „Du hast das Bett für dich alleine“, „Du musst dich nicht melden“, „Du kannst noch prickelnde erste Küsse erleben“ und „Du kannst One Night Stands haben“. Wow. Was eine Ausbeute im Gegensatz zur vollkommenen Disney-Liebe.
Liebe. Was ist das eigentlich genau? Ich kenne das Gefühl, mit dem ich Liebe gleichsetze, aber was ist Liebe für andere Menschen? Denken wir da alle gleich? Und warum passiert es mit dem einen Menschen und mit dem anderen nicht? Ich glaube, besser über alles hinweg zu kommen, wenn ich den Ursprung von Liebe begriffen habe.
„Liebe ist jemandem zu vertrauen und sich beschützt zu fühlen.“ oder „Liebe ist verzeihen und akzeptieren. Mit dem, der uns am meisten akzeptiert bleiben wir zusammen“, sagen meine Freunde auf die Frage, wie sie romantische Liebe definieren würden und ich bin keinen Schritt weiter. Schließlich fühle ich mich von vielen Menschen akzeptiert und beschützt, die ich nicht auf eine romantische Weise liebe oder begehre oder wie man es auch sagen möchte.
Meine Mutter meint (und schließlich haben Mütter immer Recht) „Ihr seid doch noch so jung. Jetzt geht es doch erst einmal darum, dass du dich selbst verwirklichen kannst und dich dabei nichts zurück hält. Manchmal trifft man einen richtigen Menschen auch einfach zur falschen Zeit.“
Zeit. Und Selbstverwirklichung. Jetzt ist die Zeit für Selbstverwirklichung. Das sagt nicht nur meine Mutter. Nicht ohne Grund ist die „Generation Beziehungsunfähig“ ein bekannter Begriff. Es heißt: Niemand will mehr Kompromisse eingehen und es gibt ja so viel Auswahl. Also bleiben wir alleine, haben Affären, Freunde mit gewissen Vorzügen und One Night Stands. Ich frage mich, ob Selbstverwirklichung nicht auch zu zweit (oder in Poly-Beziehungen zu Dritt, Viert etc. ) klappt. Ist das wieder unrealistische Disney-Liebe oder geht das?
Der Zauber des Zufalls
Ich glaube nicht, dass Liebe ein Generationsproblem, der Gegenpart zur Selbstverwirklichung oder niemals ultimativ Disney-tauglich sein kann.
Vielleicht ist Liebe einfach Zufall. Und vielleicht liegt genau darin der Zauber. (Ja, meinetwegen auch ein wahnsinnig kitschiger, mit Musical Einlage und singenden Tieren Disney-Zauber). Die Karten sind eben noch nicht gelegt, es ist eben noch nicht alles sowieso entschieden. Und mit einer einzigen Handlung, mit einem Moment kann ich immer noch mein ganzes Leben verändern. Das bringt nicht nur Risiko, sondern auch wahnsinnig viele Chancen.
Von Kim von Ciriacy