Lethargie und Zukunftsangst: Der Cocktail der Adoleszenz

Ich werde von dem fiesen Punch eines airbus-großen Downs geweckt. Auf einmal überflutet mich ein Tsunami der Realität, und jeder Muskel meines Seins zieht sich zusammen. Dieses unangenehme Erwachen verdanke ich wohl einer Mischung aus PMS, Schlafmangel und postalkoholischer Depression.

In letzter Zeit ist ausgehen und Exzess nämlich das Einzige, wofür ich mich wirklich begeistern kann. Dabei ist es, wie bei einer Droge, ein ewiger Teufelskreis. Denn wenn die Party vorbei ist steht man wieder an derselben Stelle, an der man begonnen hat.

Wimmernd steige ich aus dem Bett und versuche, meine Gedanken zu ordnen. Über WhatsApp weine ich mich bei sämtlichen Freunden aus, und die Wortkotze, die da aus meinen Fingern strömt, überrascht mich selbst. Es ist wohl das erste Mal seit einer langen Zeit, dass ich diese Gedanken zulasse, sie zugebe und ausspreche.

Ich habe eine wahnsinnige Angst vor der Zukunft. Manchmal, wie heute, fühlt es sich an, als säße ich mit verbundenen Händen am Steuer eines Raumschiffes. Als müsste ich farbenblind eine Bombe entschärfen. Dabei handelt es sich um mein Leben, dessen Kontrolle ich mich nicht gewachsen fühle.

“As far as I could see, 
life demanded skills I didn't have.” 
(Susanna Kaysen: Girl, Interrupted)

Eine alles verzehrende Angst saugt sich wie ein Dutzend gierige Blutegel an meinen Gedanken fest. Ist das, was ich hier gerade mache, wirklich richtig? Das Studium? Die Uni? Bin ich gut genug? Ist es das, wofür ich wirklich brenne? Das, was ich mein Leben lang machen möchte? Meine Leidenschaft, meine „Berufung“? Ist das, was ich hier tue, wirklich das richtige für mich?

Zurzeit fühlt es sich nicht so an. Zurzeit schwimme ich meine Runden in dem Teich der Lethargie, der mein Leben bestimmt und ich komme nicht raus. Ich kann nicht raus, weil irgendein Spaßvogel meine Anziehsachen vom Ufer gestohlen hat. Aus Angst mich bloß zu stellen, aus Angst zu scheitern verweile ich also, und versuche den Kopf überm trüben Wasser zu halten.

Es geht nicht nur mir so!

Die Erkenntnis überkommt mich, wie den Dalai Lama die Erleuchtung. Es geht nicht nur mir so! Das ist ganz normal. Die meisten von uns kommen heute mit 17 oder 18 Jahren aus dem Abitur. Der Druck, der danach entsteht, ist wohl keinem unbekannt. Was jetzt?

Zwar gibt es Menschen, die schon in jungen Jahren einen Traum haben und die sich auch tatsächlich trauen, diesen zu verfolgen, aber viele von uns müssen erstmal mit Ungewissheit ringen.

Wir vergleichen uns alle ständig miteinander, sind eingeschüchtert von dem was die anderen um uns herum leisten, und verlieren dabei die eigenen Stärken und den Glauben an uns aus den Augen. Jeder fühlt sich mal so, als hätte er keinen Boden unter den Füßen.

Also an alle meine Mit-Selbstzweifler: Steigt ruhig nackt aus dem Teich. Rappelt euch auf und schüttelt die Blutegel ab. Setzt euch hin, und schafft etwas. Beweist euch selbst, dass ihr es könnt. Lasst euch nicht zerfressen von der scheinbaren Beklommenheit, die die Zukunft wie ein Schatten über uns alle wirft. Redet offen über eure Angst, sucht Hilfe, damit die Angst nicht die Oberhand gewinnt. Wir müssen in unserem Alter nichts Großartiges leisten. Hauptsache wir leisten irgendetwas.

Von Luisa Goeler

Bildnachweis: Von Cristian Newman [Lizenz] via unsplash.com

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