Die deutsche Spießigkeit ist eines der größten Vorurteile, mit denen wir im internationalen Vergleich regelmäßig zu kämpfen haben – und das zu Recht. Neben der peniblen Pünktlichkeit unsererseits und dem weltweit bekannten Leberwurstbrot, welches wir Deutschen uns im Verständnis anderer täglich in einer großen familiären Feierstunde zwischen die Kiemen drücken, stehen Altervorsorge und Ersparnisse auf Platz 1 der typischen Merkmale der Deutschen, fragt man unsere internationalen Nachbarn.
Im Gegensatz zu anderen Ländern, die eher das Motto „Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter“ verfolgen, und deren Einwohner ihr Geld auch wirklich raus schleudern als gäbe es kein Morgen mehr, haben wir Deutschen gerne eine beruhigende Summe an Geld auf der hohen Kante liegen, um auch in schlechten Zeiten nicht mit leeren Taschen dazustehen. In den letzten Jahren hat der Spartrend vor allem bei jungen Menschen sogar noch weiter zugenommen und der Wunsch nach dem typisch spießigen „Haus mit Garten, dem Ehemann und zwei Kindern“ nimmt ebenfalls an Bedeutung zu. Dabei richtet sich der neu gewonnene Konservativismus aber vor allem auf die finanzielle Situation und das Interesse an verschiedenen Anlagemöglichkeiten, bei denen das Gesparte am besten aufgehoben ist, wächst stetig.
Sonntag ist RUHEtag
Reisende begeben sich an Sonntagen in Deutschland nur allzu häufig auf die Suche nach jeglicher Zivilisation und das vergeblich. Die Bürgersteige der Bundesrepublik werden hochgeklappt, knatternde Rasenmäher und Fußbälle werden in der letzten und dunkelsten Ecke des Kellers verscharrt und das ganze Land gibt sich dem allwöchentlichen Genesungstag hin. Wer an diesem besonderen Tage auf die Idee kommt, auch nur das leiseste Geräusch durch die quietschende Garagentür zu bewirken, wird auf direktem Wege der Nachbarschaft verbannt. Daher ist es für uns Deutsche im Urlaub umso faszinierender, was in fremden Ländern an dem letzten Tag des Wochenendes so alles möglich ist. Der ein oder andere fällt dabei aus allen Wolken, wenn er bemerkt, dass der wöchentliche Großeinkauf selbst am heiligen Sonntag realisierbar ist.
Bayrische Folklore als DER deutsche Charakter
Als Inbegriff der deutschen Kultur werden wohl weltweit die Lederhosen tragenden Bayern gefeiert, die – eine Weißwurst in der linken Hand, eine Maß Bier in der rechten Hand – zur Volksmusik mitgrölen. Auch wenn wir Einheimischen uns immens dagegen sträuben, diesen Stempel aufgedrückt zu bekommen, macht das Oktoberfest es kaum möglich, zu leugnen, dass die Trachtenzeit einen großen Teil der deutschen Kultur ausmacht und auch der deutsche pro Kopf Bierkonsum nicht von schlechten Eltern ist.
Immer wieder treten Situationen auf, in denen der Deutsche mit den typischen Vorurteilen konfrontiert wird. Die typische Reaktion darauf: ein empörtes Schnauben und der darauffolgende Versuch, die offensichtlichen Tatsachen mit allen Mitteln zu widerlegen. Doch sind wir einmal ehrlich, verlassen wir uns gewohntes Territorium, vermissen wir schmerzlich unsere gewohnten Umgangsformen. Wer schon einmal in Italien oder Spanien unterwegs war, der weiß, wovon ich spreche. Egal wie oft wir es verteufeln, auf Pünktlichkeit und Organisiertheit reduziert zu werden: Im Endeffekt sind wir doch froh, wenn wir uns auf genau diese Qualitäten verlassen können.
Von Lisa Wallbraun