„Ist egal, was du machst, aber bloß keine brotlose Kunst“. Studienanfängern, Schulabbrechern und allen Freigeistern wird dieser Satz noch in den Ohren klingen. Bevor wir uns für einen Karriereweg entschieden haben, weiß unser Umfeld genau, was er nicht sein darf: „Brotlos“.
Der Weg muss gerade sein, erfolgsversprechend und einfach zu erklären. Dabei machen doch die Unsicherheit, die Muße und das ständige Auf und Ab das Leben so spannend. Wie wichtig ist Erfolg, Geld und Jobsicherheit – das wollte Terminal Y von zwei Menschen, wissen, die sich ganz bewusst für die brotlose Kunst entschieden haben.
Lars, 23, studiert Filmwissenschaft
Lars ist jetzt 23 und studiert Filmwissenschaft im Master. Schon davor fiel seine Studienwahl auf die, als ach so brotlos verkannten Geisteswissenschaften. Er bereut nichts davon, trotz anfänglichem Gegenwind. Heute schreibt er Filmrezensionen für ein Magazin und arbeitet an seiner Universität.
Terminal Y: Warum hast du dich für diese Studiengänge entschieden?
Lars: Die Überlegung war ursprünglich tatsächlich, das war während dem Abi eine Zeit lang, mich an verschiedenen Unis in England für Business Administration, Economics oder Financing zu bewerben. Die Intention dahinter war, irgendwann sagen zu können „Ok, ich habe irgendwann genug Geld, um mich für meine Hobbies freikaufen zu können“. Ich habe dann aber gedacht, nein, das ist eigentlich Quatsch, wenn ich irgendwie mit Mitte 50 völlig depressiv und überarbeitet in der Ecke hänge, hilft mir auch der Haufen Geld nichts mehr. Und habe mich dann dafür entschieden, das was ich mir potenziell irgendwann schönes kaufen könnte, mache ich lieber gleich. Ich studiere lieber gleich Film und Literatur, als zwei große Leidenschaften von mir, auch auf die Gefahr hin, dass ich dann nicht irgendwann im Geld schwimme. Immer im Hinterkopf: Naja, ist ja vielleicht auch nicht so wichtig im Geld zu schwimmen, wenn ich dafür meiner persönlichen Leidenschaft nachgehen kann.
Waren deine Eltern damals begeistert von dieser Studienwahl?
Waren sie absolut nicht. Aber nicht mal aus einer Angst heraus, das Kind könnte irgendwann auf der Straße sitzen. Es war tatsächlich weniger eine finanzielle Sorge. Tatsächlich ging es um die mangelnden Berührungspunkte zu geisteswissenschaftlichen Studienfächern und zu kulturellen oder künstlerischen Branchen. Das führte zu der Unsicherheit: „Okay, was macht der eigentlich? Also, was macht Sohn jetzt und was heißt das für ihn langfristig.“ Sie machten sich nur Sorgen darum, ob ich irgendwann glücklich werde mit dem, was ich tue. Weil für meine Eltern ein nicht linearer Lebensentwurf erst einmal eine gewisse Hürde hatte, sich diesen Entwurf vorstellen zu können.
Denkst du diese Studienwahl war aus heutiger Sicht das Richtige für dich?
Absolut, ja, es hat sich, wenn überhaupt nur verfestigt im Laufe des Studiums. Also ich habe im Laufe des ersten Semesters schon festgestellt, dass ich auf keinen Fall das Studium wechseln werde, obwohl viele Kommilitonen gewechselt, oder abgebrochen haben.
Sollte die Jobperspektive überhaupt eine Rolle spielen bei der Wahl des Studien- oder Ausbildungsfach?
Auf gar keinen Fall! Ich glaube so zu denken, ist ein großer Fehler. Ich glaube, das ist auch ein Generationsproblem, dass viele Menschen Anfang 20, die eben vor der Studienentscheidung stehen, denken, naja gut, der erstrebenswerte Beruf hat einen linearen Verlauf, also ich muss irgendwie sehen, dass ich jetzt studiere, dann meinen Job bekomme, dann irgendwann in Rente gehe und dann glücklich bin. Und dieses Modell funktioniert einfach faktisch nicht mehr und vor allem nicht, wenn man sich entscheidet, Philosophie, oder Literaturwissenschaften zu studieren. In den klassisch geisteswissenschaftlichen Fächern ist es einfach nicht mehr so, dass man nachher sagen kann: Ich verfolge eine Linie und die zieht sich durch. Selbst, wenn man anfängt zu studieren, dann sollte man sich vor allem darüber im klaren sein, dass man vermutlich keinen Job ergreift, der in dem Feld stehen wird, sondern dass es immer Sprünge geben wird im Leben und, dass es immer Brüche und Wechsel geben wird und dass man immer vom Einen zum Anderen kommt.
Elsa, 32, Tanz & Schauspielerei
Vom Einen zum Anderen zu kommen. Davon kann auch Elsa, 32, erzählen. Sie absolvierte nach dem Abitur eine zeitgenössische Tanzausbildung, nahm neben bei Gesangs- und Schauspielunterricht. Als sie sich weiterentwickeln wollte, fing Elsa an noch einmal zu studieren und hat heute ihr eigenes Online Magazin, das sich mit Arbeitsalltagen jeglicher Art beschäftigt. Schauspielerei und Tanz blieb dennoch ihre Leidenschaften.
Warum hast du diese Ausbildung gemacht?
Ich habe sehr früh mit dem Theater spielen angefangen und wollte immer auf die Bühne. Ein weiterer Motor war und ist immer noch das Umsetzen von eigenen Ideen und Visionen. Ich glaube jeder Mensch möchte sich auf die eine oder andere Art ausdrücken. Für mich ist das die Kunst und das Arbeiten an eigenen Projekten gewesen. Darüber hinaus interessieren mich künstlerische Prozesse und die Auswirkungen, die Kunst auf die eigene Persönlichkeit hat. Gerade in der heutigen Zeit ist Kunst wichtiger denn je.
Hattest du je Angst davor kein Geld damit verdienen zu können?
Natürlich fragt man sich woher man das nächste Engagement herbekommt oder den nächsten Auftrag. Da ich aber sehr viele Standbeine habe, kann ich gut switchen, wenn mal nichts rein kommt. Unsicherheit kann auch ein Motor sein, sollte aber kein Dauerzustand sein. Das wäre ja frustrierend.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als du dich für die Ausbildung entschieden hast?
Mich interessiert die Meinung da nur bedingt. Wichtig ist, dass man sich für das entscheidet, was einen interessiert und am Ende im besten Fall glücklich oder zumindest zufrieden macht. Ich war und bin aber in der glücklichen Situation, dass mein Umfeld mich immer unterstützt hat. Es ist wichtig, dass man auch Umwege gehen darf. Prozesse sind wichtig, um sich selber und seine Arbeit zu finden.
Was ist für dich brotlose Kunst?
Kunst sollte unabhängig sein können. Das ist sie leider nur selten. Brotlose Kunst ist vielleicht eine Kunst, die nicht verstanden wird und deshalb nicht Bestand hat oder nicht angenommen wird. Doch Kunst liegt auch immer im Auge des Betrachters. Am Ende steht Kunst für sich, egal ob sie Brot bringt oder nicht. Kunst muss berühren. Das ist das allerwichtigste!
Wie hast du dich danach beruflich weiterentwickelt?
Ich entwickele mich immer noch. Aktuell arbeite ich als Schauspielerin und Choreographin und unterrichte noch manchmal Tanz. Daneben habe ich zusammen mit meiner Geschäftspartnerin und guten Freundin Katrin Haase das Online Magazin WORK IN Process gegründet. Langweilig wird es also nicht.
Hattest du je Zweifel an deiner Wahl?
Ja sicher, aber Zweifel bringen einen auch weiter. Manchmal beneide ich Menschen, die einen geradlinigen Weg einschlagen und einen Beruf ausüben. Für mich war es nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Gerade wenn die Arbeit Spaß macht, läuft man Gefahr auszubrennen. Mittlerweile versuche ich aber Pausen einzulegen und mir mehr Privatleben zu gönnen.
Sollte die Jobperspektive eine Rolle spielen, wenn man sich für eine Ausbildung/ein Studium entscheidet?
Nein oder nur bedingt. Meiner Meinung sollte man erst seinem Herzen folgen. Gerade wenn man jung ist und viel Energie hat, sollte man sich ausprobieren. Es ist nur die Frage welcher Lebensstandard angestrebt wird. Aber was bringt einem ein sicherer Job oder Ansehen, wenn man sich langweilt. Die Arbeitswelt funktioniert heute anders als früher. Wer flexibel ist und sich schnell in neue Arbeitsprozesse reindenken kann, hat einen klaren Vorteil.
Von: Julia Lehrter