Aussagen der Opfer von pädophilen Straftätern stießen 2013 die Debatte um die Rolle der Pädosexualität bei den Grünen an. Es waren Kleinkinder, die in den 1980er und 1990er Jahren unter die Räder einer vollkommen fehlgeleiteten und von jeglicher Vernunft verlassenen Diskussion um sexuelle Freiheiten geraten sind. Es waren bedeutende Politiker, wie Claudia Roth und Jürgen Trittin, die trotz dieser bekannten und offensiven Strömungen, nicht eingegriffen haben.
Das Resultat ist mehr als schockierend: die Grünen selbst sprachen von einer Opferzahl von fast tausend Kindern, revidierten ihre Aussage aber einen Tag später. Zurück bleibt ein mulmiges Gefühl und man fragt sich, ob eine etwas niedrigere Opferzahl, die Sache im Kern verändern würde.
Die Grünen selbst beauftragten den Parteienforscher Franz Walter der Göttinger Universität, um die Frage, inwieweit Pädosexualität Teil der grünen Ideologie und der früheren parteipolitischen Realität war, zu klären. Ihnen war bewusst, welches gefährliche Potenzial diese Thema hatte. Ein politisches Desaster dieser Größenordnung, das weiterhin unterschwellig brodelt, kann in entscheidenden Momenten einen Großteil der Stimmen und der moralischen Integrität kosten.
Was waren die Ursachen?
Die Studie wurde Ende letzten Jahres veröffentlicht. Nach ca 1½ Jahren beendete Walter seine Arbeit und kam zu einem differenzierten Schluss. Um die damalige politische Orientierung und die daraus resultierenden Fehlentscheidungen zu verstehen, muss man sich einige Grundpfeiler der grünen Politik näher anschauen.
Die 68er-Bewegung markierte den politischen Beginn der Partei. Linke Strömungen forderten mit immer wachsendem Nachdruck, die Abschaffung des Adenauerschen Sittenkodex. Dass Homosexualität damals strafbar war, galt als ein eindrücklicher Beweis der damaligen Repression.
Nach kurzer Zeit durchflutete die Idee der sexuellen Befreiung auch konservative Gruppierungen. Zusätzlich sah sich die Grüne als Interessenwahrer der Minderheiten und diese forderten oft absolute Toleranz. Dass Randgruppen gehört wurden und ihnen politisch eine Stimme verliehen wurde, war für die Grünen ein Beweis der Basisdemokratie.
Rückblickend kann man sagen, dass die Grünen vor einem Dilemma standen: sollten sie Empathie für die Minderheiten empfinden, oder ihrer eigenen Rationalität folgen? Leider entschieden sie sich anfänglich sehr oft für das Erstere, daher hatten kleine Gruppierungen von Beginn an viel Einfluss. Der Widerstand gegen das vorherrschende Rechtssystem, führte zur hypersensiblen Deutung antirepressiver Handlungen.
Schon nach kurzer Zeit, sahen die Grünen jegliche staatliche Handlung als Beweis von Unterdrückung, sodass zeitweise sogar eine Abschaffung von Justiz, Polizei und Gefängnissen gefordert wurde. Diese Haltung führte auch dazu, dass sie den damaligen innenpolitischen Konflikt mit der RAF einseitig und plakativ verarbeiteten. Die letzte und vielleicht wichtigste Eigenschaft, war der ständige Widerstand gegen den Mainstream.
Dieser führte letztendlich dazu, dass bei normativen Fragen alternative und minoritäre Meinungen befolgt wurden. Dies ging schließlich so weit, dass die Grünen sogar wissenschaftliche Thesen bevorzugten, die in der Fachwelt als nicht stichhaltig und größtenteils falsch galten. Walter betont jedoch auch, dass es im begrenzten Maße eine Forderung der Liberalisierung gab, jedoch nie eine konkrete Forderung nach Milderung des Sexualstrafrechts.
Personelle und institutionelle Verstrickungen
Die pädosexuelle Bewegung wurde hauptsächlich von zwei Gruppen getragen: die „SchwuP“( Arbeitsgemeinschaft Schwule, Transsexuelle & Päderasten) und die „Nürnberger Indianerkommune“. Während die erste Gruppe die Freigabe der Pädosexualität als ein Schritt zur Entkriminalisierung von Homosexualität sah, forderte die Indianerkommune die völlige Abschaffung des Sexualstrafrechts. Sie war auch im politischen Wirken integriert, wurde von Parteispenden finanziert und teilweise sogar in Schutz genommen.
Heute ist es bewiesen, dass die Mitglieder der Kommune jahrelang Kinder sexuell missbraucht haben. Die politische Debatte nahm 1985 ihren Wendepunkt, als ein grüner Politiker des Kindesmissbrauches festgenommen und verurteilt wurde. Dies und die starke Rolle der frauenpolitischen Kräfte sorgten langsam für einen Paradigmenwechsel innerhalb der grünen Ideologie: zur Liberalisierung der Sexualität gesellten sich nun Begriffe wie Manipulation und körperliche Gewalt. Das „repressive“ Sexualstrafrecht avancierte förmlich zu einer Schutzinstanz für Opfer
Es ist durchaus widersprüchlich, wie die Träger der 68er Revolution, die ihre Eltern der Verschwiegenheit über ihre verbrecherische Vergangenheit beschuldigt haben, diesen eigenen riesigen Fehler jahrzehntelang vergessen und verdrängt haben. Trotz ihrer selbsternannten Rolle als Interessenwahrer der Minderheiten, haben sie bewiesen, dass sie solche Kämpfe nicht mit ehrlicher Entschlossenheit, sondern mit opportunistischem Zögern ausgetragen haben. Jedes Opfer muss geschützt werden – außer die Eigenen.
Von Celal Cagli
Bildnachweis: Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich Böll Stiftung