Vor 121 Jahren, am 16. Oktober 1894, wurde in Deutschland zum ersten Mal eine Marke offiziell eingetragen. Dies war der Beginn einer äußerst erfolgreichen Geschichte deutscher Marken mit internationaler Strahlkraft: Mercedes, Adidas, BMW, Bosch, Miele. Marken von Weltruf. Diese Marken begründeten letztlich das ursprünglich als Brandmarkung eingeführte „made in Germany“ als international geschätzter Inbegriff für Qualität. Doch wie weit ist es her mit diesem Qualitätsanspruch deutscher Marken?
Innerhalb weniger Tage nach dem Bekanntwerden der Softwaremanipulationen bei VW, prägte das US-amerikanische Wirtschaftsnachrichtenportal Quartz einen neuen Begriff: Volkswagening. Jeder verstand, was gemeint war: Absichtlicher Betrug, um tatsächliche Schwachpunkte eines Produkts im besseren Licht dastehen zu lassen. Man kennt dies speziell vor dem Hintergrund nachhaltigen Wirtschaftens auch als Greenwashing.
Als Deutscher im Ausland ist man es gewohnt, mit Werten wie Fleiß, Pünktlichkeit und akkurater Arbeitsweise identifiziert zu werden. Genau in dieser Wahrnehmung liegt der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik: Produkte, die eine gelungene Kombination aus hoher Qualität und einem einwandfreien Service darstellen.
Volkswagen. Das Auto. Und der Betrug.
Durch mittlerweile weltweit ausgestrahlte TV-Spots ist sogar am anderen Ende der Welt, wie zum Beispiel in Australien, jedem der Slogan „Das Auto“ geläufig, den VW jedem ihrer neusten Produktvorstellungen hinterher schiebt. Die gleiche Bekanntheit genoss das Unternehmen bisher in Amerika. Dem Land, in dem die manipulierten Abgaswerte einer mindestens siebenstelligen Zahl von Dieselfahrzeuge im Herbst aufgedeckt wurden.
Volkswagen ist nicht irgendein deutsches Unternehmen. Volkswagen ist nach Umsatz und Gewinn das größte Unternehmen Deutschlands. Volkswagen ist der zweitgrößte Autohersteller der Welt. Volkswagen wurde so groß, weil seine Autos als besonders zuverlässig galten. Hohe Ingenieurskunst, made in Germany. Wenn Volkswagens Ruf leidet, leidet der Ruf Deutschlands. Kein anderes Unternehmen wird wohl so klar mit Deutschland und deutscher Wirtschaft verbunden, wie die Autos, die laufen und laufen und laufen.
Von der Automobilindustrie zum gesamten Exportmarkt
Volkswagen zieht die Reputation des Labels Made in Germany hinunter. Und wenn sich das Verständnis von Made in Germany in Richtung Volkswagening entwickelt, dann beschädigt das alle exportorientierten deutschen Unternehmen. Da hilft es nichts, darauf hinzuweisen, dass die Umweltstandards, die Volkswagen durch Betrug umgehen wollte, eine Art Protektionismus darstellen, wie der Wirtschaftsexperte Hans-Werner Sinn jüngst in der Wirtschaftswoche darlegte. Betrug ist Betrug. Betrug ist gezielte Täuschung durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen. Und Volkswagen hat in diesem Sinne ganz offensichtlich und auch selbst eingestanden seine Kunden betrogen.
Das Vertrauen in deutsche Qualität und zuverlässige Arbeit, mit dem unter anderem Kultmarken in der Vergangenheit glänzen konnten, leidet seither auf globaler Ebene. Was bisher eher wenig in Betracht gezogen wurde: Diese Veränderungen in der Automobilbranche könnten durch Einflüsse auf den Arbeitsmarkt auch immense Konsequenzen für die gesamte deutsche Wirtschaft mit sich ziehen.
Ob dieses Tief von langer Dauer ist, oder ob es sich nur auf eine kurze Talfahrt beschränken wird, ist bisher jedoch nicht absehbar. Abhängig ist dies auch von anderen Automobilkonzernen, die zurzeit noch auf dem Prüfstand stehen. Eines aber ist unbestritten und vom Statistischen Bundesamt bestätigt: Autos und Fahrzeugteile sind mit einem Wert von über 202 Milliarden Euro das wichtigste deutsche Exportgut. Wenn’s hier klemmt, hat das Ausstrahlungseffekte auf viele andere Branche.
Die Autobranche, die deutsche Leitindustrie, kommt so von zwei Seiten unter Druck. Am einen Ende werden von Konzernen wie Alphabet aka Google und Apple disruptive (völlig neue) Konzepte für die Automobilität entwickelt. Am anderen Ende brennt der über Jahrzehnte aufgebaute gute Ruf der deutschen Autos und der deutschen Industrie wie ein Strohfeuer ab.
Von Lisa Wallbraun
Bildnachweis: Lisa Wallbraun