Die Frage nach dem Geschlecht ist einfach, denn es gibt ja nur zwei. Das heißt, eigentlich gibt es nur zwei, männlich und weiblich, jedenfalls stand das in den letzten Jahrtausenden für die Menschheit fest. Die Generation Y will von diesem Modell allerdings nichts mehr wissen. Es fällt uns schwerer denn je, einem Geschlecht zugeordnet zu werden. Sogar Facebook hat auf diesen Trend reagiert und bietet 60 Auswahlmöglichkeiten, um uns zu definieren. Von A wie androgyn bis Z wie Zwitter ist alles dabei. Aber geht das überhaupt? Gar keins oder mehrere Geschlechter zu haben?
Eine Person und zwei Geschlechter
Einer, der genau das von sich behauptet, ist Bernhard Kempen. Bernhard ist nicht immer Bernhard, manchmal ist er Barbara. „Barbara ist vor einigen Jahren in mein Leben getreten, ich habe nie geplant, irgendwann mal mit Rock und hohen Schuhen rumzulaufen, aber eines Abends hatte ich eine Vision von mir als Frau. Nicht als Drag Queen, sondern als ganz normale Frau, die im Club tanzt.“ Barbara ist keine Rolle, in die Bernhard schlüpft, wenn er mal gut drauf ist, sondern ein Teil von ihm.
Seither verbringen die beiden Persönlichkeiten ein harmonisches Leben zusammen, Bernhard verdient das Geld als Autor und Übersetzer von Science-Fiction-Romanen und Barbara streift durch das Berliner Nachtleben. Beide sind bisexuell und sagen ganz klar, dass der Mensch mehr ist, als nur weiblich oder männlich: „Es gibt Tage, da fühle ich mich weiblich oder männlich, aber da sind auch Momente in denen fühle ich mich keins von beidem. Wenn ich gerade arbeite, zum Beispiel, spielt mein Geschlecht eigentlich gar keine Rolle.“ Doch genau diese Unklarheit des Geschlechts stößt des Öfteren auf Ablehnung: „Es gab schon Leute, die wurden etwas aggressiv, wenn ich ihnen nicht verraten wollte, ob ich nun ein Mann oder eine Frau bin“, erzählt Bernhard, „Ich lasse die Frage gern einfach offen. Selbst bei der Auswahl meiner Sexualpartner verzichte ich auf jede geschlechtliche Diskriminierung.“
Geschlechterrollen verschwimmen in der neuen Generation
Ein Ausdruck, den wir in Verbindung mit Geschlechterrollen immer wieder hören ist „Gender“. Das englische Wort, das auf Deutsch nicht nur „Geschlecht“, sondern so etwas wie „das soziale oder kulturelle Geschlecht“ heißt. Also alles, was die Gesellschaft als typisch für Männer oder Frauen empfindet. Mit der Zeit wurden diese klar strukturierten Vorstellungen verschwommener, sodass die Abschaffung der Geschlechtszuordnung immer häufiger gefordert wird.
Die Frage, ob wir uns nur einem Geschlecht zuordnen sollen, verneinen sowohl Bernhard als auch Barbara eindeutig. Dieses Thema behandelt auch der Dokumentarfilm „Ich bin dann mal Barbara“ von Guerreiro Do Divino Amor, in dem Bernhard Kempen die Hauptrolle spielt. Der 13-minütige Kurzfilm wurde auf dem diesjährigen Kieler Transgender Filmfestival in der Kategorie „Bester kurzer Dokumentarfilm“ ausgezeichnet.
In der ersten Szene sieht man Barbara eine Straße entlanglaufen und sagen „Ich bin Barbara. Einfach nur Barbara.“ Dann folgen Aufnahmen, die die Transformation und Entwicklung von Bernhard zu Barbara zeigen. Zuletzt sitzen Bernhard und Barbara auf einer Couch und streiten darüber, wer von beiden denn nun die wahre Person sei. Mittendrin setzt sich ein dritter Bernhard dazu, nackt, aber ohne sichtbare Genitalien: „Auch wenn die sich streiten, bin ja immer noch ich da. Einfach nur der Mensch…“
Von Julia Lehrter
Bildnachweis: (c) Eva Brunner