Flawed. Fehlerhaft. Mit Mängeln behaftet. In einer zukünftigen Welt zählt es nur noch, perfekt zu sein. Und bei der 17jährigen Celestine läuft alles perfekt. Sie ist klug, hübsch und ihr Freund ein Traum. Doch ihre Welt verändert sich schlagartig, als sie einmal nicht den Regeln, sondern ihrem Gefühl folgt.
In Highland ist es verboten, einer fehlerhaften Person zu helfen, egal in welcher Lage sie sich befindet. Hilft man ihr doch, macht man sich strafbar und wird vor die Gilde geführt. Das ist Celestine durchaus bewusst und dennoch kann sie nicht tatenlos zusehen, wie sich ein alter Mann auf der Straße quält. Ihr Bauchgefühl gewinnt Oberwasser und sie eilt ihm zur Seite. Das zieht fatale Folgen nach sich. Weil Celestine das Gesetz gebrochen hat, wird sie von der Strafpolizei der Gilde, den „Whistleblowern“, abgeführt und muss sich nun vor den Richtern verantworten.
Während ihrer Gefangenschaft fängt Celestine an, die Gilde und ihre Gesetze in Frage zu stellen. Wie kann es falsch sein, Menschlichkeit und Mitgefühl zu zeigen? Celestine fühlt sich einsam und verlassen. Die Anwesenheit ihres Zellennachbars Carrick macht sie jedoch stärker und gibt ihr das ungemein gute Gefühl, mit ihm auf tiefer Ebene verbunden zu sein.
Alles, was sie wollte, war ein normales, ein perfektes Leben
Normalerweise ist Celestine eine Person, die die Welt in Schwarz und Weiß sieht. Schnell klärt sich jedoch ihre Sicht auf das System. Sie handelt gegen das Gesetz, folgt ihrem Gewissen und hört auf ihr Herz. Plötzlich ist Celestine nicht mehr die perfekte junge Frau, sondern flawed: fehlerhaft. Eine Aufsässige und Rebellin. Gebrandmarkt für immer, muss sich Celestine mit neuen Regeln und Gefahren auseinander setzen. Ihr altes Leben gehört der Vergangenheit an. Alles, was sie wollte, war ein perfektes Leben – also Normalität. Sie wollte niemals das System ins Wanken bringen. Doch mit nur einer rationalen Entscheidung tat sie es.
Cecelia Ahern schafft es, mit ihrer Story uns Leser zu bewegen und wach zu rütteln. Bereits der Titel des Romans stellt uns eine bewegende Frage: „Flawed – Wie perfekt willst du sein?“ Die Frage richtet sich an alle, die schon allein den Titel lesen.
Es ist eine sehr spannende Frage und das besonders interessante an dem Roman ist, dass man selbst als Nicht-Leser bereits zum Nachdenken angeregt wird. Was ist schon Perfektion? Kann es überhaupt eine perfekte Person, eine perfekte Gesellschaft, eine perfekte Welt geben? Jeder kennt das Gefühl, das er etwas besonders gut, ja geradezu perfekt haben möchte. Sei es nun ein Outfit, die Beziehung zu Freunden und Familie oder die Arbeit.
Fehler sind der Beweis, dass wir leben
Aber das Menschliche ist eben, dass wir nicht leblos sind. Leben ist ständige Anpassung an immer wieder neue Situationen. Fehler und Mängel sind ganz normal. Fehler sind der Beweis, dass wir leben. Wirklich jeder muss sich damit abfinden, dass einem mal ein Fehler unterläuft oder man in einer Situation falsch gehandelt hat. Von Zeit zu Zeit bereuen wir diese Aktionen und unser Verhalten, aber ich finde das auch Kleinigkeiten die wir in unserem Leben falsch machen uns schmieden und zu dem machen, der wir sind.
In „Flawed“ darf niemand Fehler machen. Die Protagonistin hat einen klugen Verstand und ehrt das System, in dem sie lebt. Es ist für sie nur logisch, den Regeln der Gilde zu folgen. Als sie in eine Situation gerät, wo ihre Logik ihr sagt, das Mitgefühl und Menschlichkeit des Problems Lösungen sind, fängt Celestine zum ersten Mal an zu straucheln und nimmt die Gesellschaft mit anderen Augen wahr. Wie kann es als falsch angesehen werden, wenn man einer Person in Not hilft, nur weil diese nicht der Norm entspricht?
Durch „Flawed“ werden unsere Moral und Ethik herausgefordert. In Cecelia Aherns Dystopie geht es nicht um ein hübsches Mädchen, das ein Gesetz gebrochen hat und nun mit den Folgen leben muss. Es geht um ein Mädchen, das gegen den Konsens ihrer Gesellschaft handelt und nun zur Rechenschaft gezogen wird, weil sie ihr Gewissen über das Gesetz gestellt hat.
Was diese Dystopie von anderen ihrer Artgenossen abhebt, ist der Charakterzug unserer Heldin. In den meisten Fällen neigen die Hauptcharaktere dazu, sich in das zu wandeln, als was sie präsentiert werden. Da kann das Mädchen noch so schüchtern sein. Sobald sie an die Spitze der Rebellion steht, übernimmt sie ganz natürlich die Rolle der führenden Kraft. In „Flawed“ bleibt sich Celestine aber selber treu.
Ein weiteres Thema, das in „Flawed“ herausgearbeitet wird, ist die Machtkorruption der Obrigkeiten. Im Verlauf des Romans erkennt man immer mehr Indizien dafür, wie die Gilde ihre Position ausnutzt. Eine ganz entscheidende Rolle spielt dabei einer der drei obersten Richter Bosco Crevan. Am Anfang sympathisiert er noch mit Celestine. Mit Lügen und Intrigen will er sie retten, aber sobald sich Celestine quer stellt verliert er die Kontrolle.
Fesselndes Thema, dramatische Story. Kaufen!
Unterm Strich ist der Roman „Flawed – Wie perfekt willst du sein?“ von Cecelia Ahern ein großartiges Buch, welches die tiefgründigen Probleme in einer Gesellschaft anspricht und an ihr Kritik ausübt. Das fesselnde Thema der Perfektion verpackt sie glänzend in einer dramatischen Story. Chapeau! Ich warte mit Spannung auf den angekündigten zweiten Teil, der konsequent den schlichten Titel „Perfect“ tragen und noch vor Weihnachten in den Handel kommen wird.
Von Alina Pfänder
Bildnachweis: Matthew Thompson (bezogen über die Pressestelle des S. Fischer Verlags)