Präsenz auf dem Eis ist das A und O beim Synchroneiskunstlaufen. Aber die Präsenz in der deutschen Sportwelt fehlt dieser Sportart. Synchroneiskunstlaufen ist eine der unbekanntesten Sportarten Deutschlands. Und das, obwohl das deutsche Team seit langem international erfolgreich ist.
„Was machst du? Synchroneiskunstlaufen? Nie gehört.“ Das ist die Standardreaktion darauf, wenn man erzählt, dass man Synchroneiskunstlaufen macht. Dabei gibt es Synchroneiskunstlaufen (oder im internationalen Sprachgebrauch: Synchronized Skating) schon auf der ganzen Welt. 26 Teams aus zwanzig Nationen traten bei der Weltmeisterschaft 2015 in Kanada im Synchroneiskunstlaufen an.
Nummer 10 der Welt: Team Germany erfolgreich bei WM
Für Deutschland war das Team Berlin 1 am Start. Als „Team Germany“ holte das zwanzig Frauen und ein Mann starke Team den zehnten Platz, was ein großer Erfolg ist: unter allen Eissportarten ist es die beste deutsche Platzierung bei einer WM in der vergangenen Saison. Und dafür bekommt das Team nicht den Lohn, den es eigentlich verdient hätte.
Bunte, glitzernde Kleider, streng nach hinten gekämmte Haare und Kunstwimpern auf den Augen – schaut man sich die Synchroneisläufer bei Wettkämpfen an, sieht das Ganze zunächst eher nach einem Schönheitswettbewerb als nach einem Sportwettkampf aus. Doch Synchroneiskunstlaufen ist Leistungssport. Jeder, der in einem Synchron-Team läuft, hat sein Leben lang nichts anderes getan, als eiszulaufen. Von klein auf hieß es täglich trainieren, die Familien-Urlaubsplanung nach dem Wettkampfkalender richten und zu Trainingslagern ins Ausland reisen.
Das bedeutet viel Verzicht – doch zu einer Synchron-Weltmeisterschaft fährt man nicht mal eben. Das Team Berlin 1 trainiert fünf Mal pro Woche auf dem Eis. Dazu kommt Training im Kraftraum, Ausdauertraining und Ballett. Und nebenbei stehen Schule, Ausbildung oder Studium an. Freizeit bleibt da so gut wie nicht. Für die Freunde der meist 16- bis Mitte 20 Jahre alten Synchroneiskunstläufer ist der Satz „Ich kann nicht, ich hab Training“ wohl nichts mehr Neues. Um erfolgreich sein zu können, braucht es ein starkes Team – das lässt sich mit nächtelangen Parties nicht vereinbaren.
Doch für ihre Sportart und ihren Traum verzichten Synchroneisläufer darauf. Es ist hart, wenn der Wecker am Sonntagmorgen um halb sechs klingelt, man durch die Schwärze der Nacht den Weg zur Eishalle antritt und schließlich in einem dünnen Trainingskleid auf dem Eis steht. Doch man weiß immer: man ist nicht allein, mit einem steht das ganze Team auf dem Eis. Und wenn man den kalten Händedruck der anderen spürt, wenn das ganze Team gemeinsam den ersten Abstoß auf der spiegelglatten Eisfläche macht, man die enorme Kraft spürt, die man gemeinsam entwickelt und einem der eisige Wind ins noch müde Gesicht strömt, ist nur noch das Training und das Team da. Alles andere ist vergessen.
Synchroneislaufen ist Publikumssport: Unterhaltsam, mitreißend, schön
In den Trainingseinheiten üben die Teams ihre „Programme“, also das, was sie bei Wettkämpfen zeigen. 16 Läufer präsentieren das Programm dann beim Wettkampf, vier weitere dürfen als Ersatzläufer gemeldet werden. Jeden Sommer studieren die Teams die Choreographien für die kommende Saison ein. Zu einer individuellen Musik muss eine Choreographie entwickelt werden, in der die Elemente des Synchroneiskunstlaufens gezeigt werden. Sogar Hebungen gehören dazu – dafür ist absolutes Vertrauen unter allen Team-Mitgliedern wichtig. Doch nicht nur das Gelingen der Elemente bringt Punkte, auch die Programmkomponenten, früher als B-Note bekannt, sind wichtig. Hierbei zählt besonders der Ausdruck, also ob und wie das Team die Musik interpretiert und sie Preisgericht und Publikum präsentiert. Und dazu gehören auch das Kostüm und das passende Make-up.
Natürlich hat das alles seinen Preis. Training, Ausrüstung, Reisekosten, Unterkünfte, Kostüme: das deutsche Synchronteam muss alles selbst bezahlen. Es ist sicherlich ein schönes Gefühl, mit seinem Team eine gute Platzierung bei einem internationalen Wettkampf zu erreichen. Aber es wäre auch schön, wenn das jemanden interessieren würde. Deutsche Medien berichten konsequent nicht vom Synchroneiskunstlaufen. Dabei füllen Synchron-Wettbewerbe in Ländern wie Kanada, den USA, Finnland, Russland und Schweden riesige Stadien wie es hierzulande nur Fußball oder Eishockey können. Mit Fangesängen und Flaggen unterstützt man dort seine Teams. Das ist in Deutschland nicht der Fall. Hier sind bestenfalls die Familien der Läufer als Fans dabei.
Medien ignorieren den Sport
Synchroneiskunstlaufen ist eigentlich die ideale Publikumssportart da es unterhaltsam, mitreißend und bewegend ist – beste Voraussetzungen, zumindest die WM auch im Fernsehen auszustrahlen. Und würde diese Sportart mehr gefördert werden, könnte Deutschland darin noch viel mehr erreichen. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass Synchroneiskunstlaufen ab 2018 eventuell olympisch wird. Die Entscheidung darüber soll im Juni fallen – sollte sie positiv ausfallen, würde Deutschland dem noch als „Amateursport“ geltenden Synchroneiskunstlaufen endlich Beachtung schenken.
Von Pauline Schnor