Die CSU gehört zum bayerischen Selbstverständnis wie die Weißwurst zum Oktoberfest. Seit nunmehr 58 Jahren regiert sie im Freistaat – meist mit absoluter Mehrheit. Sie scheint in der bayerischen DNA verankert zu sein. Dabei ist die Dominanz konservativer Kräfte in München keineswegs ein Naturgesetz.
Es gab Zeiten, in denen sich ein Teil der Bayern nicht mit den gegebenem Umständen abfinden wollte – was war geschehen? Wir schreiben das Jahr 1919. Der erste Weltkrieg ist gerade mit all seinen verheerenden Folgen über Europa hergezogen. Das Deutsche Kaiserreich liegt nach seiner Kapitulation am Boden. Im ganzen Land reift revolutionäres Gedankengut heran. Ausgehend von der Novemberrevolution im Reich – die den Kaiser sein Thron kostete – wurden alle Fürsten nach und nach sprichwörtlich zum Teufel gejagt.
Die Revolutionäre versuchten in der Folge eine sozialistische Räterepublik zu etablieren – scheiterten jedoch rasch an der militärischen Übermacht der Reichsregierung. Der vermeintliche Putsch war schneller vorbei als er überhaupt angefangen hatte. Mit den Protagonisten der Revolution wurde kurzer Prozess gemacht. Schließlich konnte man nach vier Jahren Krieg nicht noch mehr Unruhe gebrauchen.
Doch was hat all das jetzt mit der CSU zu tun, mag sich mancher fragen. Sie wurde erst nach dem zweiten Weltkrieg gegründet. Konnte somit keinen Einfluss auf das damalige Geschehen nehmen. Das ist aber auch nicht der entscheidende Punkt.
Viel mehr müssen wir uns die Frage stellen, wie es sein konnte, dass nach einer 1000 Jahre währenden Monarchie und einer in der Nachkriegszeit schier unbezwingbaren CSU 1919 beinahe kommunistische Kräfte das Ruder der Macht übernommen hätten. Die Erklärung ist vermeintlich simpel: Teile der Bevölkerung waren es Leid sich von der Obrigkeit ihr Leben vorschreiben zu lassen. Sie wollten selbst als Akteur in das Zentrum der Macht treten, den Staat nach ihren Vorstellungen mitgestalten. Hinzu kam die Frustration über den desaströsen Krieg, der ein Land voller Not und Leid hinterließ.
Rückblickend kann man heute sagen, dass das kurze, fast stichenflammenartige Aufbäumen kommunistischer Gedanken in Bayern dem Konservatismus in die Karten spielte – und somit etwa 30 Jahre später auch der CSU. Die Bayern entwickelten eine ungeheure Angst vor dem Kommunismus, sowie seinen Vertretern. Rechte Kräfte haben seit jeher Zulauf, ob gemäßigt oder radikal. Das Selbstverständnis war nun konservativer als je zuvor. So bezeichnete man sich etwa in der Weimarer Republik als „konservative Ordnungszelle“ im vermeintlich „marxistischen Deutschland“.
Ist die heutige Dominanz der CDU-Schwesterpartei also ein indirekter und ungewollter Verdienst der Revolutionäre von 1919? Haben es erst die Kollaborateure der Nachkriegszeit möglich gemacht, dass sich die CSU als Erfinderin des blau-weißen Himmels über dem Freistaat feiert? Wären etwa Strauß und Stoiber nie zu bayerischen Volkshelden aufgestiegen?
Mit Gewissheit lässt sich das heute nicht sagen. Ob sie nun aufgrund ihrer konservativ-populistischen Inhalten, ihren polarisierenden Führungspersonen oder aber dank kommunistischer Schützenhilfe die unangefochtene Eins auf der politischen Bühne Bayerns ist, muss am Ende wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Von Maximilian Haag