Bevor Jón Gnarr Politiker wurde, verdiente er sein Geld als Komiker und spielte in einer Punkrock-Band. Nicht unbedingt der typische Werdegang eines Volksvertreters. Trotzdem wurde er 2010 Bürgermeister Reykjaviks und überraschte ganz Island – sich selbst eingeschlossen.
Als 2008 die Finanzkrise ausbrach, war Island besonders schwer betroffen. Entsprechend frustriert waren die Isländer über die etablierten Parteien. Das perfekte Klima für eine junge und alternative Partei. Das roch Jón Gnarr – und gründete die Best Party. Er selbst sagt, sie sei „keine politische Partei, sondern viel mehr eine politische Selbsthilfegruppe“ gewesen. So trat das bunt zusammengewürfelte Kollektiv aus ehemaligen Punkrockern und Komikern auch auf.
Das Primärziel: Spaß. Gnarr wollte die Leute zum Lachen bringen, auch während der Kampagne. So versprach er einen Eisbären für den Zoo von Reykjavik, kostenfreie Handtücher für alle Freibäder und ein drogenfreies Parlament innerhalb der nächsten zehn Jahre. Außerdem versicherte er, alle Versprechen zu brechen, wenn er erst einmal im Amt sei. Seine Kampagne war nie ernst gemeint. Von Anfang an war sie eine Karikatur des politischen Systems. Der einzige Haken: Gnarr ging als Sieger aus der Wahl hervor.
Sein Erfolgsrezept: Ehrlichkeit
Mit seinem Einzug ins Rathaus Reykjaviks hatte Gnarr selbst am wenigsten gerechnet. Entsprechend fiel auch seine Reaktion aus: „Wieso muss ich mich selbst immer in Schwierigkeiten bringen?“, fragte er sichtlich ratlos die Journalisten. Eine ungewöhnliche Ehrlichkeit für einen Politiker. Wenn Gnarr etwas nicht wusste, dann sagte er das auch. Er sei schließlich nur Bürgermeister und auch dieser könnte nicht alles wissen.
Als Gnarr, damals 43 Jahre alt, seine Amtszeit antrat, hatte er weder Ahnung vom politischen Alltag, noch besaß er Kontakte zu anderen einflussreichen Politikern, die ihm helfen konnten. Als er während des Wahlkampfs die noch amtierende Bürgermeisterin Reykjaviks in einer Talkshow traf, wusste er nicht einmal, wer sie ist. Entsprechend hart griffen ihn die anderen Parteien an. Sie wollten unter allen Umständen verhindern, dass ein Komiker in ihren heiligen Hallen Platz nimmt.
Nicht die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere. Doch davon ließ sich der Kämpfer Gnarr nicht beeindrucken.
Schwere Kindheit im Heim
Gnarrs Kindheit war nicht schön. Seine Mutter: Alkoholikerin. Sein Vater wurde als Kind selbst geschlagen, übertrug dies auf seinen Sohn. Dennoch seien sie keine schlechten Menschen gewesen, sagt Gnarr. Lediglich „das Produkt ihrer eigenen grausamen Erfahrungen.“ Mit 14 kam er in eine Anstalt, die mehr einem Gefängnis als einer Schule glich. Seine Lehrer hatten ihn abgeschrieben und als Unruhestifter abgestempelt.
All das hat Gnarr später in seinen Sketches verarbeitet und zum Thema gemacht. Vor allem seine frühen Werke setzten sich stark mit seiner schweren Jugend auseinander und halfen ihm, zu dem lebensfrohen Menschen zu werden, der er heute ist.
Politik als Lebensabschnitt
Die ersten Monate im Amt verdeutlichten schnell, dass selbst Gnarr die hohen Erwartungen an seine Person nicht erfüllen konnte. Er musste Bildungsgelder kürzen und Stellen im öffentlichen Dienst streichen. Politischer Alltag, um den selbst der ehemalige Punker nicht herum kam.
Jón Gnarr über Spaß, Revolution und Politik, die im Whirlpool gemacht wird.
Nach Ende seiner Legislaturperiode 2014 löste Gnarr seine Best Party auf. Diese sei ohnehin immer nur eine Idee auf Zeit gewesen. Heute, ein Jahr später, hat er zwei Bücher – Indianer und Pirat und Hören sie gut zu und wiederholen Sie: Wie ich einmal Bürgermeister wurde und die Welt veränderte – geschrieben, arbeitet an der Rice University in Texas in einem Forschungszentrum und will vor allem eins: Das Leben nicht allzu ernst nehmen.
Von Maximilian Haag
Bildnachweis: Pink Jon Gnarr by Aleksandar Radulovic