Fitness – damit assoziierten die meisten bis vor ein paar Jahren noch in engen Gymnastikanzügen hüpfende Damen aus Achtziger-Jahre-Videos mit Bewegungsübungen für Hausfrauen. Mittlerweile ist der Begriff Fitness aber in die Alltagssprache integriert: Der Hashtag „fitness“ markiert auf Instagram rund 128 Millionen Beiträge und auf YouTube sammeln die Bodybuilder mit Tipps zu Muskelauf- und Fettabbau Likes und Klicks. Social Media sei Dank, assoziieren wir heute mit „Fitness“ schwere Gewichte, definierte Muskeln, proteinreiches Essen – und vor allem eines: das Fitnessstudio.
Nicht nur in der Online-Welt boomt Fitness, auch in der realen Welt tauchen vor unseren Augen immer neue Fitnessstudios auf. Die Studios, die teilweise mit fragwürdigen, weil nur auf Äußerlichkeiten bezogenen Slogans wie „einfach gut aussehen“ werben (besser wäre: „einfach gut fühlen“), erfreuen sich wachsender Mitgliederzahlen: 9,5 Millionen Menschen verausgaben sich in den deutschen Fitnessstudios, was eine am 14. März veröffentlichte Studie von Deloitte ergab.
Dazu kommen noch mehrere Hunderttausend Nutzer von Online-Fitnessstudios oder Sportprogrammen für Zuhause. Junge Unternehmer freut das – sie verdienen gut mit Onlineshops für Proteinriegel oder personalisierten Online-Coachings, und auch Armbänder, die den täglichen Kalorienverbrauch messen, sind voll im Trend. Zuletzt bewies die Fitness-Messe FIBO den wachsenden Stellenwert der Fitnessbranche: So viele FIBO-Besucher wie nie zuvor strömten in die Kölner Messehallen und testeten dort die neuesten Sportgeräte und Nahrungsergänzungsmittel. Und ergattertern mit etwas Glück ein Selfie mit ihren Bodybuilding-Vorbildern von YouTube und Instagram
Die Fitnessbranche wächst – und mit ihr der Bizeps der Deutschen?
160.000 Fotos kürt der Hashtag #fibo. Wer Instagram nutzt, bekommt aufgrund solcher Tatsachen schnell den Eindruck, dass jeder Instagrammer den „Fitness-Lifestyle“ lebt. Dass dieser Eindruck täuscht, merkt jeder, der einmal den Blick vom Handydisplay abwendet und durch sein reales Umfeld schweifen lässt.
Die Masse an Posts von Mädels in Sport-BHs und Jungs mit Mega-Muskeln trügt. Laut der am 13. April erschienenen Bewegungsstudie der Techniker Krankenkasse (TK) bewegt sich mehr als ein Drittel der Deutschen jeden Tag weniger als eine halbe Stunde. Das sei viel zu wenig, so der Vorstandsvorsitzende der TK. Problematisch ist vor allem, dass die Menschen ihre Zeit zu großen Teilen sitzend verbringen: am Esstisch, im Auto, auf dem Bürostuhl und schließlich auf dem Sofa. Und bei wem es nicht an der Motivation hapert, bei dem liegt es meist an der begrenzten Zeit im stressigen Alltag. Von den 9,5 Millionen, die Mitglied eines Fitnessstudios sind, machen sich also längst nicht alle auch auf den Weg dorthin.
Dabei kann Bewegung zu Ausgeglichenheit führen; viele empfinden bei sportlicher Betätigung sogar Glücksgefühle (ein Paradebeispiel: die Hahnertwins). Ein bisschen mehr Bewegung im Alltag tut also jedem gut. Und wer einfach mit dem Rad statt mit dem Auto zur Arbeit fährt, die Treppe statt den Aufzug nimmt und in der Mittagspause einen Spaziergang macht, anstatt eine weitere Stunde sitzend zu verbringen, der hat auch ohne schwere Gewichte zu stemmen ganz nebenbei etwas für die Fitness getan – und dem schadet es auch nicht, abends auf das gemütliche Sofa zu sinken.
Von Pauline Schnor
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