Terror mit Terror bekämpfen? Anonymous erklärt dem Islamischen Staat den Krieg

Ein Name – oder wenn man es ganz genau nimmt eher kein Name – dominiert derzeit die medialen Kanäle: Anonymous. Spätestens seit den brutalen Terroranschlägen in Paris, nach denen französische Aktivisten des Hacker-Kollektivs dem Islamischen Staat per Video-Botschaft den digitalen Krieg erklärten, sind die Anonymen ein Begriff. Doch wer ist Anonymous wirklich? Wer steckt hinter den Masken? Sind Anonymous digitale Robin Hoods oder doch nur Internet-Terroristen?

„Wir sind Anonymous. Wir sind eine Legion. Wir vergeben nicht. Wir vergessen nicht. Erwartet uns.“ Mit genau diesen Worten trat Anonymous am 14. Januar 2008 in einem Protest gegen Scientology auf und erregte zum ersten Mal großes Aufsehen. Es könnte als Geburtsstunde der Anons gelten – jedenfalls aus journalistischer Sicht, da das damalige Protestvideo weltweite Aufmerksamkeit in der Presse mit sich brachte. Vor allem auch das Statement „Knowledge is free“ wurde damals gefeiert. Die Gruppierung der Anonymen selbst ist allerdings älter und soll bereits ab 2003 in Hacker-Szene aktiv geworden sein.

Anonymous vs Scientology: We do not forgive. We do not forget. Expect us.

Fakt ist jedoch, dass diese erste große Protestaktion – die als Projekt Chanology bekannt ist – nur den Startschuss für eine ganze Serie von Operationen darstellt: 2010 folgte ein Hacker-Angriff gegen PayPal, Sony funkten die IT-Nerds 2011 dazwischen und im gleichen Jahr schoss das Hacker-Kollektiv digital gegen das mexikanische Drogenkartell Zetas, dazwischen folgten viele kleinere Aktionen.

Aktuell haben die Anons, ebenfalls in einer Video-Botschaft, den IS-Terroristen den digitalen Krieg erklärt: „Diese Attentate können nicht ungestraft bleiben.“ Weiter heißt es, „Wir werden euch finden und wir werden nicht nachlassen. Wir werden die wichtigste Operation gegen euch starten, die je gegen euch geführt wurde. Der Krieg hat begonnen.“

https://www.youtube.com/watch?v=5vpttryHgRk

Drei Tage nach den Anschlägen auf Paris am 16. November 2015, erklärte Anonymous durch diese Videobotschaft den IS-Terroristen den digitalen Krieg.

Bevor dieses Video überhaupt verbreitet wurde, teilte das Hacker-Kollektiv bereits im September 2014 via Twitter mit, dass unter dem Namen „Operation Ice ISIS“ eine Cyberwar-Kampagne gegen die Terrororganisation betrieben wird.

So weit, so anonym. Doch was hat das für uns zu bedeuten? Sicherlich zum einen Schutz und ein Druckmittel, gegen das keine Waffen der Welt direkt eingreifen können. Den Vorteil, den sich die selbst ernannten digitalen Freiheitskämpfer hauptsächlich zu Nutze machen, ist die Macht der Masse. Weltweit sind Hacker unter dem Namen Anonymous aktiv, das Netzwerk ist riesig und wächst stetig weiter. Im Grunde genommen kann jeder ein Anon werden – „everyone and anyone can be Anonymous.“

Doch verbirgt sich hinter der Maske nur das Gute oder haben wir auch etwas zu befürchten? Vielleicht fangen wir mal anders an. Die Masken, das wohl wichtigste Erkennungsmerkmal von Anonymous, sollen ursprünglich das Gesicht des britischen Freiheitskämpfers Guy Fawkes darstellen und für Freiheit kämpfen die Anons, vor allem für freien Informationsfluss. Darüber hinaus ist die Maskierung eine Anlehnung an die Graphic Novel „V wie Vendetta“. Sie dient der Hacker-Gemeinde neben der Wiedererkennung ganz klar zur Anonymisierung und somit auch zum Schutz vor Verfolgung.

Anonymous veröffentlicht Liste mit neuen Anschlagszielen

Diesen Sonntag veröffentlichte Anonymous eine Liste mit neuen Anschlagszielen der Terror-Miliz Islamischer Staat (IS, ISIS), die durchaus nicht außer Acht gelassen wurde. Verständlich, bedenkt man den letzten „Erfolg“ des Hacker-Netzwerks: Nachdem die Anons der IS den digitalen Krieg erklärten, schafften diese 5.500 Accounts von Terror Sympathisanten aus dem Netz.

Aufgrund der aktuellen Liste soll sich der IS als neue Terrorziele die USA, Italien, Indonesien, den Libanon und erneut Frankreich ausgesucht haben.

Frankreich hat bereits gehandelt und die Kundgebung der französischen Frauenrechtsorganisation „Collectif Droits des Femmes“, die im Visier des Terros sein soll, aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Auch das FBI gab bekannt, dass der Geheimdienst die Meldung von Anonymous mitbekommen habe. „Während wir alle Bedrohungen ernst nehmen, haben wir keine spezifische oder glaubwürdigen Informationen dafür, dass am genannten Zeitpunkt Anschläge stattfinden werden“, zitiert CBS News die FBI-Sprecherin J. Britt Johnson. Anonymous merkte allerdings an, dass sie die IS nicht zu hundert Prozent als Quelle für alle Anschlagsziele auf der Liste bestätigen könne.

Ein bisschen wie Robin Hood – hintergehe das Gesetz für den guten Zweck

Bis hierher klingt das alles nach mehr Sicherheit, mehr Transparenz und ein bisschen auch nach Robin Hood: Hintergehe das Gesetzt, sei illegal für den guten Zweck.

Denn Eines steht fest: So positiv Anonymous auch gerade betrachtet wird, gleichsam als Helden der Neuzeit, so ist ihre Vorgehensweise trotzdem illegal, gegen das Gesetz. Das sollte trotz aller Euphorie nicht in Vergessenheit geraten. Selbst wenn man vermeintlich für den guten Zweck handelt, handelt man gegen das Gesetz.

Hinter Anonymous steht nicht etwa ein Gesicht, welches ausgeschaltet werden könnte, wenn es zu weit ginge. Hinter Anonymous steht – wie sie ja selbst sagen – eine Legion. Eine Masse, die nach dem Schwarmprinzip handelt und deshalb eine enorme Macht besitzt. Diese Macht kann sicherlich viel Positives erzeugen und viel Negatives verhindern, solange die Mehrheit dieser Legion, das auch im Sinn hat.

Wir sollten das „erwartet uns“ ernst nehmen und für uns selbst interpretieren. Bisher grüßen wir alle freundlich zurück wenn es wieder heißt: „Greetings World. We are anonymous – expect us!“

Wie alles begann, die Protestdrohung von Anonymous an Scientology. Es war die erste Aktion der Anons die weltweit in der Presse für Aufruhr sorgte.

Von Freya-Alessa Hausmann

Bildnachweis: By Vincent Diamante [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

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