Süße Creme mit bitterem Beigeschmack: Das Nutella-Problem

„Man muss aufhören, Nutella zu essen!“ Was bei Liebhabern des cremig-süßen Brotaufstriches als schlechter Scherz aufgefasst wird, meinte Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royale im Juni ernst. Im französischen Fernsehen warb sie öffentlich dafür, Nutella zu boykottieren – und dafür hat sie auch einen triftigen Grund: in der beliebten Schokoladencreme stecken nicht nur Nüsse und Kakao, sondern auch Palmöl. Genau darauf soll Nutella-Hersteller Ferrero verzichten, verlangt Royale.

Palmöl steckt nicht nur in Nutella. Der Rohstoff, der aus dem Fruchtfleisch der Ölpalme gewonnen wird, ist auch Inhaltsstoff von Cremes, Keksen, Seife, Tütensuppen, Waschmittel, Make-Up und immer häufiger auch Biosprit.

Zunächst einmal klingt die Verwendung eines pflanzlichen Rohstoffes nach einer umweltfreundlichen Idee, schließlich wächst die Ölpalme ja wieder nach. Doch ganz so einfach ist es nicht. Ölpalmen gedeihen am besten in tropischen Gebieten, also zum Beispiel in Südostasien. Dort bietet sich der großflächige Anbau von Ölpalmen zwar klimatechnisch an, aber genug Platz für riesige Plantagen gibt es auch dort nicht.

Brandrodung vernichtet Regenwald und den Lebensraum von seltenen Tieren

Um dennoch Anbauflächen zu schaffen, muss der Regenwald eben weichen – und das geschieht meistens durch Brandrodung. Die riesigen Feuer, die dann durch die Länder fegen, verbrennen nicht nur Bäume sondern auch den Lebensraum der Elefanten, Orang-Utans, Tiger und Nashörner. Tierarten, die ohnehin schon vom Aussterben bedroht sind. Wenn es so weiter geht, könnten einige dieser seltenen Wildtiere schon in dreißig Jahren ausgelöscht worden sein.

Auch für die Umwelt ist der Palmölanbau alles andere als förderlich: wenn Regenwald verbrannt wird, wird der Torfboden, auf dem die Bäume im Dschungel wachsen, freigelegt – und mit ihm riesige Mengen Kohlendioxid. Der Palmölanbau sorgt also für einen Großteil des weltweiten CO2-Ausstoßes und ist damit für die ganze Welt nachteilig. Aber die Risiken, die die Brandrodung für die ansässige Bevölkerung birgt, sind viel unmittelbarer: wegen der Brände ziehen riesige Rauchwolken durch Südostasien und legen sich auf die Lungen der Bevölkerung – Tausende Indonesier hat das schon gezwungen, umzusiedeln.

Die Liste der negativen Auswirkungen von Palmöl könnte noch fortgeführt werden. Aber all die Probleme, die Palmöl verursacht, liegen weit weg von China oder den westlichen Industriestaaten, wo der Rohstoff vorrangig verwendet wird. Dort freut man sich vor allem, einen preiswerten „Bio“-Rohstoff für den neuen „Bio“-Sprit gefunden zu haben und fordert munter immer mehr davon.

Dabei werben Umweltschützer schon seit Jahren gegen Palmöl-Produkte und zahlreiche Kampagnen versuchen, auf einen reduzierten Konsum des Rohstoffes aufmerksam zu machen. Doch das Palmöl ist schon zu stark in das Leben der Industrienationen involviert. „Zurzeit gibt es keine bedeutenden Alternativen zum Palmöl“, sagte ein Regenwaldforscher kürzlich. Zwar sei Kokosnuss- oder Rapsöl ähnlich verwendbar, aber man bräuchte dann noch mehr Anbaufläche als bei den Ölpalmen, um die aktuelle Nachfrage nach Öl zu befriedigen, da die Ölpalmen viel ertragreicher sind.

Die riesigen Firmen, die Palmöl anbauen lassen, versuchen mittlerweile, einen „nachhaltigeren“ Anbau von Palmöl zu unterstützen. Auch Ferrero gehört zu den Unternehmen, die auf ihrer Website behaupten, sie würden nur Palmöl von „kontrollierten Plantagen“ in Malaysia verwenden – aber auch die kontrollierte Plantage steht auf ehemaliger Regenwaldfläche. In einem Nachhaltigkeits-Ranking bekommt Ferrero deshalb auch nur die Note 3. Dabei ist das italienische Unternehmen Mitglied des RSPO (Roundtable on Sustainable Palm Oil), einer Organisation, der ein Großteil der Palmöl-Verwendenden Unternehmen angehört. Sie wollen gemeinsam nachhaltigere Anbaumethoden finden. Doch der RSPO steht in der Kritik: Nur 21 der 303 Mitglieder repräsentieren Umweltorganisationen. Alle anderen stammen aus Wirtschaftsunternehmen, die lediglich die Interessen der Industrie durchsetzen. Und obwohl die Firmen versuchen, nachhaltiger anzubauen, so produzieren sie doch immer noch Palmöl in riesigen Monokulturen – das kann, so Klimaschützer, niemals nachhaltig sein.

Die Lösung für das Problem mit dem Palmöl kann also nur sein, dass die Nachfrage danach sinkt. Aber ein Dauerhafter Verzicht auf Nutella und Co kommt für die meisten Menschen nicht in Frage, weshalb ein alternativer Rohstoff, dessen Gewinnung weniger Schäden mit sich trägt, die einzige Lösung ist. Bislang gibt es diesen Rohstoff noch nicht.

Vermeiden lässt sich Palmöl kaum, ist es doch in nahezu allen Supermarktprodukten enthalten – es sei denn, man hat genug Geld, im Bioladen einzukaufen, der zertifiziert dafür ist, keine Produkte mit Palmöl zu verkaufen. Was nur jeder einzelne tun kann, ist, bewusster einzukaufen und auf die Labels zu schauen: wo versteckt sich Palmöl, was ist Palmölfrei? Und es hilft, sich zu fragen: war dieses Glas Nutella es wert, dass ein Stück Regenwald abgeholzt wurde und womöglich einen Orang-Utan unter sich begraben hat? Diese Frage muss jeder selbst für sich beantworten. Der Verzicht auf das Glas Nutella bereinigt zwar nur das eigene Gewissen und löst nicht das weltweite Palmöl-Problem. Aber ein kleiner weiterer Bonus ist, dass Palmöl ohnehin schlecht für die Gesundheit ist und es sich deshalb lohnt, zu den Produkten ohne den Rohstoff mit dem riesigen ökologischen Fußabdruck zu greifen.

Von Pauline Schnor

Bildnachweis: By Craig (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

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