Berlin ist eine Stadt, wie keine andere. Mit knapp 3,5 Millionen Einwohnern gibt es hier nichts, was es nicht gibt. Das gilt auch für Berlins Nachtleben. Oder sollten wir besser sagen: Berlins Nacktleben?
An einem ganz normalen Samstagabend wage ich den Selbstversuch: Eine Nacht in einem der berühmt-berüchtigten Fetisch-Clubs der Hauptstadt. Eine Nacht, die ich nicht so schnell wieder vergessen werde.
Vorbereitung: Das richtige Outfit und ordentlich vorglühen
Aber der Reihe nach. Alles beginnt ganz harmlos mit einer Flasche Wodka, Orangensaft und guter Musik in meiner Wohnung. Nachdem ich mir mit zwei Freundinnen genug Mut angetrunken habe, folgt noch ein kurzer Check im Spiegel. Die Einlasskontrolle soll streng sein, die Kleidungsvorschriften sind es auf jeden Fall. Lack und Leder sind besonders erwünscht, aber auch Kostüme, Glitzer und Glamour und Fetisch-Outfits jeder Art sind gern gesehen.
Die Schlange vor dem Club ist lang. Knapp eine Stunde müssen wir warten, bis wir an einem unscheinbaren Tor ankommen. Die Türsteher mustern uns, von der gestylten Haarpracht, bis zu den gefährlich hohen Absätzen. Mit einem Nicken dürfen wir passieren. Eine Freundin und ihr Freund jedoch nicht.
„Was im Fetisch-Club passiert, bleibt im Fetisch-Club“
Noch einmal, jetzt nur noch zu zweit, müssen wir an einer zweiten Kontrolle vorbei, aber dann öffnet sich die Tür und wir sind endlich drinnen. An der Garderobe schälen sich die Gäste eifrig aus ihren Anziehsachen. Schicht für Schicht wird entfernt, bis Lack und Leder, Halsband und Leine zum Vorschein kommen. Nicht nur Kleidung wird an der Garderobe abgegeben, auch auf Handys sollte im Club verzichtet werden, klärt uns der Garderobier im Adamskostüm auf.
Ohne Smartphone abgeschnitten von der Außenwelt, beginnen wir unseren Streifzug durch das unbekannte Terrain. Die Räume sind groß angelegt, Musik dröhnt in den Ohren, Menschen tanzen. Wir kommen an einem Käfig vorbei. Die beinahe nackte Frau darin wird von einem Mann gefesselt.
Wir gehen weiter.
Public Sex
In einem anderen Raum befinden sich zwei schmale Betten und zwei Gynäkologen-Stühle. Gegenüber eine lange Sofareihe. Aus den Nachbarräumen schwappt die Musik wellenweise in das Gewölbe. Getanzt wird hier nicht.
Wird es interessant, versammelt sich eine kleine Menschentraube um das Bett herum und schaut zu, oder macht kurzerhand einfach mit.
Kann man sich für Sex in der Öffentlichkeit nicht begeistern, bleiben immer noch die Toilettenräume, aus denen eindeutige Geräusche nach draußen dringen.
Devot oder dominant: Irgendwas geht immer
Ein Mann spricht uns an, um seinen Hals baumeln Halsband und Leine. Das Gespräch beginnt ganz normal mit Smalltalk. Wir reden über Jobs, Hobbys und gute Filme. Dann kniet er sich plötzlich hin, drückt uns die Leine in die Hand und fragt, ob wir ihn spazieren führen möchten. Das nenne ich Themenwechsel! Nachdem wir dankend abgelehnt haben, zieht er traurig von dannen.
Kurz darauf werden wir erneut angesprochen: „Entschuldigung, braucht ihr vielleicht noch einen Sklaven?“ Auf einem Sofa in der Nähe knien drei Frauen und lassen sich ihre Hintern versohlen.
Was für manch einen absurd klingt, ist im Fetisch-Club Normalität. Hier darf man, was man sonst nicht darf. Als ich um 7.30 Uhr morgens aus dem Club in die frische Morgenluft treten, ist es, als würde ich aus einem seltsamen Traum erwachen. Und ich frage mich: „Ist das alles wirklich passiert?“.
Von Finja Schön
Bildnachweis: William Etty [Public domain], via Wikimedia Commons