Ich habe wirklich versucht, eine gute Frau zu sein! Ich habe gekocht, geputzt und gebügelt. Ich habe auf die Kinder aufgepasst, kleine Partys für unsere Freunde organisiert und war immer für meinen Mann da. Eigentlich war es ein Traum für alle. Nur nicht für mich.
Die eine Seite: Die Fakten hinter der Geschichte
Nur kurze Zeit konnte ich in diesem Männertraum-Modus bleiben, aber bald verwandelte ich mich aus einer gepflegten, gut aussehenden Frau in ein gestresstes Nervenbündel, das kaum noch Zeit für sich selbst hatte. Ich musste unbedingt etwas ändern.
Jeder Dritte empfindet den Haushalt als Stress
Deshalb beschloss ich, einen Teil des Haushaltes an eine andere Person zu übertragen. Man glaubt es kaum, aber Haushalt macht wirklich Stress. Jeder Dritte empfindet laut einer aktuellen Umfrage Haushalt als Stress.
Also fing ich an, eine Haushaltshilfe für uns zu suchen. Drei wichtige Fragen stellten sich mir dabei: Wer könnte die richtige Person sein? Wo finde ich diese Person? Und wie viel kann und will ich ausgeben?
Über die erste Frage habe ich nicht lange nachgedacht. Natürlich musste es eine Frau sein. Es ging nicht darum, dass Frauen gründlicher reinigen oder um andere Faktoren, nach denen Frauen als Putzhilfe bevorzugt werden, wie Freundlichkeit oder Zuverlässigkeit.
Es ging mir vielmehr darum, eine Art Assistentin, eine „rechte Hand“ im Haushalt zu haben. Deshalb konnte ich mein mit viel Liebe gestaltetes Zuhause nur einer Frau anvertrauen. Das Schwierigste war, die beiden letzten Fragen zu klären. Wo finde ich diese Haushaltshilfe und wie teuer wird das? Im Internet gibt es eine Reihe von Vermittlungsagenturen, aber die dort aufgerufenen Preise (im Regelfall mehr als zwölf Euro pro Stunde) überstiegen mein Budget.
Eine Haushaltshilfe ist heute kein Luxus mehr
Ich habe als Nächstes in meinem Freundeskreis herum gefragt. Es stellte sich heraus, dass viele von meinen Bekannten schon lange eine Haushaltshilfe hatten und es sich bei Unterstützung im Alltag definitiv nicht mehr um ein Luxusgut der oberen Zehntausend handelt.
Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Minijob-Zentrale zeigt, dass für knapp 80% der Deutschen eine Haushaltshilfe heute etwas ganz Normales ist. Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft hatten 2016 immerhin schon 4,4 Mio. der 30 Mio. deutschen Haushalte eine Reinigungskraft.
Es stellte sich heraus, dass meine Suche, die ich im Freundeskreis gestartet habe, der häufigste Weg ist, eine Reinigungskraft zu finden. 73% der Befragten fanden ihre Putzhilfe aufgrund von Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld.
Ich hatte eine genaue Vorstellung davon, was ich von einer Putzfrau erwarte. Deshalb konnte ich schnell herausfiltern, wer von den empfohlenen Frauen nicht in mein Schema hineinpasste. Ich habe dann eine Frau namens Marina ausgewählt und sie zu einem Gespräch eingeladen.
Marina, Mitte 30. Energisch und zuverlässig
An dieses erste Treffen erinnere ich mich sehr gut. Marina war eine kleine, zierliche Frau Mitte 30. Sie sprach in schnellem Tempo und mit einem starken ukrainischen Akzent. Sie erschien mir energisch und zuverlässig. Nach einem kurzen Wohnungscheck hat sie gleich gesagt, wie viele Stunden sie zum Putzen brauchen wird und ihren Stundensatz genannt: zehn Euro. Das entsprach meinen Erwartungen und die sind relativ typisch, denn die meisten Deutschen wollen für eine Haushaltshilfe nicht mehr als zehn bis zwölf Euro die Stunde zahlen.
Marina war ein Glücksgriff. Nach einiger Zeit hatte ich so großes Vertrauen ihr gegenüber, dass ich ihr nicht nur den Haushalt anvertraut habe, sondern sie auch bat, ab und an auf meine Kinder aufzupassen. Marina hatte unseren Wohnungsschlüssel und wir haben uns gegenseitig Geschenke zu Geburtstagen und zu Weihnachten gemacht.
Marina wurde ein wichtiger Teil meines Alltags. Ich war in vielen Dingen auf sie angewiesen. Wir mochten uns und wir kannten uns vom gemeinsamen Auftrag: den Haushalt in Ordnung zu bringen. Aber ich wusste eigentlich nichts über sie als Mensch. Wer ist Marina eigentlich?
Die andere Seite: Die Menschen hinter der Geschichte
Einmal, als ich nach Hause kam, war Marina da und passte auf die Kinder auf. Da merkte ich, dass sie etwas bedrückt. Sie wirkte traurig. Ich habe für uns einen Tee gekocht und wir kamen ins Gespräch. Sie erzählte mir an dem Tag ihre Geschichte, die Geschichte einer Frau, die für zehn Euro die Stunde meinen Haushalt sauber macht.
Das ist, was Marina mir erzählte: „Ich habe eine Berufsausbildung im Bauwesen abgeschlossen. Meine Patentante hat mich nach Deutschland eingeladen. Sie hat schon damals als Putzfrau hier gearbeitet. Mein Traum war es, eine Eigentumswohnung in der Heimat zu haben. Aber mit den ukrainischen Gehältern hätte ich das niemals geschafft. So kam ich an.
Der Traum: Eine Eigentumswohnung in der Ukraine
Ich wollte eigentlich nur ein Jahr bleiben. Jetzt putze ich schon seit sieben Jahren. Nach all dem, was ich im ersten Jahr in Deutschland erlebt hatte, wollte ich eigentlich in die Ukraine zurückkehren, schaffte es aber nicht. Das Geld reichte nicht für eine Eigentumswohnung, eine Arbeit habe ich auch nicht gefunden, so kam ich zurück nach Berlin.
Die ersten sechs Monate waren besonders schwer. Es gab wenig Arbeit. Ein paar Jobs habe ich von meiner Patentante gekriegt, danach musste ich es selbst schaffen. Es gab Zeiten, da habe ich nur drei Stunden pro Woche gearbeitet. Und dieses Nichtstun kann einen depressiv machen, egal, ob man ein Ziel hat oder nicht.
Dann, wenn man genug Kunden hat und ganztägig sieben Tage die Woche arbeitet, kommt eine andere Art Depression. Nach etwa sechs Monaten. Von der Müdigkeit und Erschöpfung. Und in diesem Fall greifen viele zur Flasche. Ich hatte Glück, weil mir Alkohol unwichtig ist. Außerdem waren viele meiner Kunden sehr nett und sie haben mir nicht nur das Putzen, sondern auch das Babysitten oder das Gassi gehen mit den Hunden anvertraut.
Nach einem Jahr war ich vollbeschäftigt, bis zu zwölf Stunden täglich. Durch den Stress habe ich neun Kilo abgenommen. Vor Müdigkeit habe ich oft geheult. Anstrengender als die Arbeit war der emotionale Druck. Die Kunden waren ja alle sehr unterschiedlich: Geschäftsleute, Anwälte, Polizisten, Schauspieler.
„Am schlimmsten waren Ärzte“
Am schlimmsten waren Ärzte. Die sind sehr pingelig. Da musste ich wirklich in jeder Ecke saubermachen. Du wirst es nicht glauben – selbst mit Wattestäbchen. Das ist natürlich eine gute Lebenserfahrung, aber trotzdem sehr anstrengend. Eine ältere Dame trug mir beispielsweise auf, jede Woche ihren Kühlschrank zu reinigen und alle Fächer mit Papiertüchern auszulegen.
Generell ist es so, dass beim ersten Mal die meisten Deutschen dir folgen und dich beim Putzen beobachten. Einige tun das auch weiterhin. Kannst du dir vorstellen, wie unwohl man sich dabei fühlt. Kannst dich nicht bücken, wie du willst oder musst usw.
Meine Patentante hat mir Vieles beigebracht. Wie man effizient putzt, welche Kleidung man am Besten bei der Arbeit trägt und so. Oder auch, dass man nicht gierig jede Arbeit annehmen sollte. Und ganz wichtig: Wie man sich bei den Kunden verhält, dass man niemals die Tür öffnen darf, egal was passiert, und niemandem etwas über die Kunden erzählen darf. Selbst deinen Mitbewohnern nicht.
Wohnen auf engstem Raum
Apropos Mitbewohner: Die Wohnsituation war ein spezielles Thema für mich. Mal lebte ich mit einem Pärchen zusammen, mal mit Menschen ganz unterschiedlicher Kulturkreise. Zu Viert in einer Einzimmerwohnung ist der Normalfall, damit man sich die Kosten der Miete teilen kann. Denn reich wird man mit Putzen nicht.
In guten Monaten hatte ich über tausend Euro, meistens aber nur so 800 bis knapp tausend. Davon gingen 150-250 Euro für die Miete weg, 50 Euro fürs Handy und 80 für die Fahrkarte. Dann noch Essen, Drogerieartikel, ab und an ein Kleidungsstück. Da bleibt nicht viel übrig.
Trotzdem schicke ich jeden Monat eine große Tasche voller Essen und Kleidung in die Ukraine. Kleidung und Schuhe dafür kaufe ich normalerweise auf billigen Märkten, aus Flohmärkten und nehme auch gerne gebrauchte Sachen, die mir meine Kunden schenken. Bargeld schicke ich auch. Selbst wenn es für deutsche Verhältnisse vielleicht nur ein lächerlicher Betrag ist, kann ich davon meiner Mutter – die Rentnerin ist – einen ganzen Monat Lebensunterhalt in der Ukraine finanzieren.
Wenn ich zur Visumverlängerung in die Ukraine fahre, langweile ich mich dort schnell. Ich denke jetzt ganz anders und verstehe, dass meine Familie komplett auf mein Geld angewiesen ist. Um das Visum für Deutschland so schnell wie möglich zu bekommen, muss ich in der Ukraine bis zu 500 Euro zahlen.
Scheinehe? Dafür bin ich zu jung. Ich möchte mich verlieben
Man könnte natürlich versuchen, einen Aufenthaltstitel hier vor Ort zu bekommen. Die einzige Möglichkeit dafür ist es aber, einen Deutschen zu heiraten. Mir wurden einige Männer vorgestellt und einige haben mir sogar einen Heiratsantrag gemacht. Die habe ich aber nicht geliebt und auf eine Scheinehe wolle ich mich nicht einlassen. Noch bin ich jung und möchte mich verlieben!
Manchmal wird auch aus Liebe geheiratet, aber meistens sind das Gerüchte. Selbst eine Scheinehe ist heute nicht mehr so einfach zu arrangieren und es kostet viel Geld. Deutsche Männer sind nicht blöd und sie wissen genau, dass drei Jahre später die Scheidung folgt. Deshalb versuchen sie, von dieser Scheinehe maximal zu profitieren. Ich meine nicht nur das Putzen und Kochen, sondern auch das Bett.
Wie es weiter geht? Ich weiß es nicht. Ich bin jetzt 38. In der Ukraine gibt es keine Arbeit. Hier schon, aber ohne Krankenversicherung, ohne Urlaubsgeld und ohne Garantien. Ich werde zum Arbeiten nach Deutschland kommen, solange ich gesund bin. Und danach? Man wird sehen.“
Einen Monat nach unserem Gespräch fuhr Marina in Ukraine, weil ihr Visum abgelaufen war. Sie hat bei mir im Keller einige Kartons mit Geschirr, Kleidung und Krams deponiert. Und wollte einen oder zwei Monate später zurückkommen. Gestern war es genau ein Jahr nach ihrer Abreise.
Von Lada Osornina
Bildnachweis (Titelbild): Von Catt Liu [CC0] via unsplash.com