Kommunikation, Medien, Management: Diese 10 Bücher sollte man lesen

An unserer Hochschule fand letztens eine Veranstaltungsreihe statt: 10 books, 1 cake. Die Idee: In lockerem Rahmen sollten Professoren in der Hochschul-Bibliothek die ihres Erachtens zehn wichtigsten Publikationen ihres Fachgebiets vorstellen. Eine spannende Frage, denn zehn Bücher zu benennen, die tatsächlich zeitübergreifend wichtig sind und wesentliche Impulse für die Disziplinen Kommunikation, Medien und Management lieferten, das ist mehr als sportlich.

Das hier sind also meine zehn Empfehlungen, wenn man sich mit Kommunikation, Medien und Management auseinandersetzen will. Die Reihenfolge ist übrigens kein Ranking, sondern folgt einer inhaltlichen Überlegung.

1 Der Baum der Erkenntnis

Können nur Menschen kommunizieren? Auf diese Frage antworten meine Studenten spontan eigentlich immer richtig: Nein. Auch Tiere können kommunizieren. Kommunikation, so die beiden Biologen Maturana und Varela, ist nichts weiter, als eine spezielle Verhaltensweise von Lebewesen. In diesem Verständnis ist klar, dass nicht der Inhalt von Kommunikation im Erkenntnisinteresse steht, sondern die Prozesse, die im Lebewesen Kommunikation ermöglichen. Diese Prozesse sind im Individuum verankert. Wir können uns nur so verhalten, wie es unser Körper ermöglicht. Oder anders formuliert: Unser Verhalten lässt sich als ein geschlossenes System verstehen, dass durch externe Gegebenheiten „gereizt“ wird, dann aber nur nach eigenem Vermögen darauf reagieren kann. Das ist die Grundlage des Kommunikationsbegriffs, den ich erstmals im Studium bei Siegfried J. Schmidt kennenlernte und der seitdem mein Arbeiten prägt.

2 Miteinander reden

Die Kommunikationswissenschaft als Fachdisziplin beschäftigt sich mit Massenkommunikation. Aber das ist nur ein Sonderfall von Kommunikation. Der Regelfall spielt sich im direkten Kontakt zwischen Menschen ab, in der Interaktion. Und hier setzen wir das leistungsfähigste Medium ein, dass die Menschheit bislang entwickelt hat: Sprache. Das Buch, das mein Verständnis von Sprache wesentlich beeinflusst hat, ist Friedemann Schulz von Thuns „Miteinander reden“. Er kombiniert zwei wichtige Perspektiven: das platonische und von Karl Bühler durchdeklinierte Organonmodell (die Sprache ist ein Werkzeug, mit dem der eine dem anderen etwas über die Dinge mitteilt) und das zweite Watzlawicksche Axiom (wie wir etwas sagen, ist wichtiger, als was wir sagen). Das Ergebnis ist das bekannte Nachrichtenquadrat, das gut hergeleitet und zugleich gut verständlich einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen von Kommunikation leistet.

3 Public Opinion

Wenn wir über die Folgen von Massenkommunikation sprechen, dann geht es weniger um die von Harold Lasswell eingeführten Fragen, wer was zu wem in welchem Kanal mit welcher Wirkung sagt. Viel spannender ist die Beobachtung, die Walter Lippmann bereits 1922 vorlegte: massenmediale Kommunikation erzeugt öffentliche Meinung und moderne Gesellschaft braucht öffentliche Meinung, weil sie sonst nicht handlungsfähig wäre. Die Welt, in der wir leben, ist zu großen Teilen außerhalb unseres direkten Wahrnehmungsbereichs. Deshalb müssen wir uns auf öffentlich bereitgestellte Meinungen verlassen, die wir entweder akzeptieren oder dagegen opponieren. In beiden Fällen aber wird unser Bild von der Realität nicht durch direkte, sondern durch vermittelte Erfahrung bestimmt. Und diese massenmedial vermittelte Erfahrung, auf der wir unser Alltagshandeln gründen, folgt eigenen Gesetzen: News and truth are not same.

4 Wir amüsieren uns zu Tode

Es war eine schwierige Auswahl, aber letztlich habe ich mich für Neil Postman (und nicht McLuhan oder Innis) entschieden, um einen weiteren zentralen Gedanken zu belegen: Der Einfluss des Mediums auf unsere Wahrnehmung, völlig losgelöst von den mitgeilten Inhalten (oder um es mit Fritz Heider zu sagen: den Zusammenhang von Ding und Medium). Postman beschreibt anhand des Leitmediums seiner Zeit – dem Fernsehen – die Konsequenzen des Mediums auf Wahrnehmung und Verhalten. Das Fernsehen zeigt uns bislang nicht zugängige Details (Meyrowitz nennt es später den Verlust des Ortssinns), das Fernsehen führt eine neue Temporalität ein und last not least: das Fernsehen präsentiert alle Inhalte unterhaltend, denn das ist seine Form. Ok, dass Fernsehen ist heute nicht mehr so wichtig. Die Aussage aber, dass jedes Medium seine eigenen Formen erzeugt, schon, was man erahnen kann, wenn man die Folgen internetbasierter Dienste diskutiert.

5 Die Wirklichkeit der Medien

Es gibt kein empfehlenswertes Lehrbuch zu Medien- und Kommunikationswissenschaft. Daher kann ich auch keines empfehlen. Wenn mich aber Studierende fragen, in welchem Werk sie einen breiteren Überblick über die verschiedenen Aspekte der Disziplin erhalten, empfehle ich doch etwas: das schon etwas ältere, aber nach wie vor erhellende Werk über die Wirklichkeit der Medien. Es ist quasi ein Gegenmodell zu einem klassischen Lehrbuch: Es vermittelt keinen State of the art bekannten und gesicherten Wissens, sondern regt zum eigenen Nachdenken über sehr unterschiedliche Themen rund um Medien und Massenkommunikation an. Dies ist erfrischend, weil die gängigen „historischen“ Modelle erst gar nicht thematisiert werden, sondern von einer eher abstrakten Ebene auch heute noch akute Problemstellungen angerissen sind.

6 Wirtschaft der Gesellschaft

Durch Kommunikation (das Auslösen gegenseitig koordinierten Verhaltens) entsteht Gesellschaft. Menschen können im Vergleich zu anderen uns bekannten Lebewesen leistungsfähiger kommunizieren und die Leistungsfähigkeit der Kommunikation liegt an den von uns entwickelten Medien. Medien vereinfachen und beschleunigen Kommunikation, sie machen koordiniertes Verhalten wahrscheinlicher und erhöhen die Komplexität des Verhaltens. Daher darf es nicht wundern, dass man auch wirtschaftliches Handeln lediglich als einen Anwendungsfall von Kommunikation interpretieren kann, der sein eigenes Medium hervorgebracht hat: Geld. Die Wirtschaft der Gesellschaft – das war mein erster Kontakt mit Niklas Luhmann und hat mich tiefgehend und nachhaltig beeinflusst. Wirtschaft mathematisch zu beschreiben, wie es die klassische Ökonomie macht, ist m.E. ähnlich zielführend, wie in mathematischen Formeln zu sprechen. Grundsätzlich ist wirtschaftliches Handeln genauso irrational wie andere Formen der Kommunikation. Man lügt, man entscheidet aus dem Bauch, man handelt instinktiv. Luhmann selbst nutzt komplexe Satzstrukturen – aber die so gekleidete Erkenntnis zielt auf das alltägliche Leben und sie bietet ein besseres Verständnis für die gesellschaftlichen Herausforderungen, die sich aus der Verteilung knapper Ressourcen ergeben.

7 Marketing Myopia

Ich bin oft überrascht, wie sehr Marketing als Aufgabenbereich trivialisiert wird. Mechanistische Modelle dominieren speziell die deutschsprachige Literatur. Die Praxis arbeitet sich an schlichten Checklisten und ständig neu erfundenen „buzz words“ ab. Dabei ist es so einfach: Wenn wir Leistungen auf Märkten (d.h. im Wettbewerb) anbieten, müssen wir unser Angebot attraktiv machen, damit es sich verkauft. Und genau das macht Marketing: Es ist die Summe der Maßnahmen, die Wert für den Kunden schaffen. Und damit das gelingen kann, muss man ganz grundlegend eine Frage beantworten: What business are we really in? Was sind die Gründe, warum Kunden uns ihr Geld geben sollen. Diese Gründe liegen nie (!) beim Produkt, sondern immer (!) beim Kunden. Wir müssen unsere Kurzsichtigkeit aufgeben und den Blick auf unsere Umwelt richten, um dauerhaft Wert zu schaffen. Das forderte Theodore Levitt bereits 1960 und – Stichwort: disruptive Technologien – es scheint heute noch dringlicher als damals, mit der richtigen Brille seine Marketing-Kurzsichtigkeit zu beheben.

8 Information rules

Vielleicht kann man es das wichtiges Buch nennen, das bislang zur Digitalisierung geschrieben wurde. Shapiro und Varian lieferten uns bereits Ende der 1990er Jahre die Blaupause zum Verständnis einer echten „new economy“. Sie beschreiben gut nachvollziehbar, wo die Herausforderungen im Informationsgeschäft liegen (first copy costs), wie sehr sich Geschäftsmodelle an dauerhafter Kundenbindung orientieren müssen (vendor lock-in), dass dies in vielen Branchen zu Quasi-Monopolen führt (winner take all markets) und wie das Gebot des einen idealen Marktpreises sich auflöst (price discrimination), um nur vier Aspekte zu nennen.

9 Here comes everybody

Was Shapiro und Varian auf ökonomischer Ebene vorlegen, ergänzt Clay Shirky aus der Perspektive, wie Technologie und Vernetzung das Miteinander verändern. Der Untertitel des Buchs lautet „The power of organizing without organizations“ und das bringt auf den Punkt, worum es geht: Die Gesellschaft ändert sich in ihrer Struktur, weil Institutionen und Organisationen an Bedeutung verlieren, flexible Zusammenarbeit, spontane Gruppierung und globale Spezialisierung zunehmen. Intermediäre – wie Verlage und Rundfunkanbieter, Reisebüros und Versicherungsagenturen, letztlich aber auch Parteien und Verbände – sind die Verlierer in diesem Spiel, das die gesellschaftliche Komplexität massiv steigert, zugleich aber dem Einzelnen mehr Macht und mehr Convenience beschert.

10 Führen – leisten – leben

Abschließend ein Wort zu Management: Man sollte eigentlich erwarten, dass ein Manager in einem Satz erklären können sollte, was er tut. Die Realität belehrt uns eines Besseren. Fredmund Malik arbeitete Jahrzehnte daran, eine einfache, doch notwendige Weisheit im Bewusstsein der Manager zu verankern. Management ist die Transformation von Ressourcen in Wert. Und damit das klapt, müssen Manager Ergebnisse liefern. Nicht die Anzahl eingeflogener Meilen, die Stärke einer ökonomischen Analyse, die Brillanz einer Präsentation sind wichtig. Es kommt nur auf die Resultate an!

Von Thomas Becker

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