Eigentlich sollte es eine einfach Antwort geben auf die Frage: Was ist guter Journalismus? Unter der Überschrift „5 Fragen an 100 Journalisten“ stellte Dirk Gehlen u.a. diese Frage an Branchenprofis. Und das Ergebnis ist ein bunter Strauß teils widersprüchlicher Aussagen. Wo ist eigentlich das Problem? Warum ist es so schwer, ein klares und nachvollziehbares Qualitätsverständnis journalistischer Arbeit zu benennen?
Auch an der University of Applied Sciences in Berlin beschäftigt man sich mit der Frage, was guter Journalismus sei. Der Ausgangspunkt ist dabei eine einfache Annahme: Journalismus ist eine Dienstleistung mit klarer Aufgabenstellung. Es geht darum, Nachrichten für ein Publikum zu sammeln, zu verarbeiten und zu verbreiten. Eine solche Dienstleistung müsste sich genauso gut wie andere Dienstleistungen – z.B. eine Finanzberatung, eine ärztliche Diagnose oder die Lehre an einer Hochschule – messen lassen.
Von diesem Grundverständnis ausgehend, kann man journalistische Qualität genauso bestimmen, wie man die Qualität von Produkten und Dienstleistungen in anderen Branchen erfasst, nämlich als „fitness to use“, wie es die American Society for Quality nennt.
Qualität wird meistens auf zwei Ebenen bezogen: Zum einen geht es darum, Fehler zu vermeiden. Im Journalismus wären das z.B. nachvollziehbare Sachmängel: Keine Recherche und Überprüfung von Informationen, fehlerhafte Daten, Widersprüchlichkeiten etc.
Zum anderen geht es bei Qualität darum, die Erwartung seines Publikums zu erfüllen. Die Erwartung seiner Publikums kann man treffen oder nicht. Wenn man sie trifft, ist es ok, wenn man sie nicht trifft, entsteht Unzufriedenheit. Diesen Aspekt kann man Basisqualität nennen.
Man kann die Erwartung des Publikums aber auch übertreffen und damit etwas wie Begeisterung auslösen, weshalb man diesen Aspekt auch Begeisterungsqualität nennt. Begeistungsqualität und Basisqualität sind zwei Ebenen, die synchron wirken. Man kann also von der Theorie her mit ein und demselben Beitrag zugleich zufrieden und unzufrieden sein. Das ist ähnlich wie bei der Arbeit, wo man vielleicht die Aufgabe selbst und die Kollegen schätzt, Bezahlung und Urlaubsanspruch aber unterdurchschnittlich sind. Man ist zufrieden und unzufrieden zugleich.
Kombiniert man diese drei Qualitätsdimensionen – Fehlerfreiheit, Unzufriedenheit, Zufriedenheit – mit den drei journalistischen Kernprozessen des Sammelns, Verarbeiten und Verbreitens von Nachrichten, kommt man zu einer Neun-Felder-Matrix.
Diese Neun-Felder-Matrix wird nun an der Business and Information Technology School (BITS) genutzt, um die Qualität veröffentlichter Beiträge zu messen. „Wir wollen herausfinden, wie gut sich die Neun-Felder-Matrix tatsächlich als Messinstrument für die Erfassung journalistischer Qualität eignet. Dazu führen wir im kommenden Semester eine Pilotstudie durch“, erkärt Prof. Dr. Thomas Becker, Leiter des Studiengangs Journalism and Business Communication an der BITS und Gründungsmitglied des Berlin Institute of Public Communication.
Es wäre schön, wenn sich ein solches Messinstrument etablieren würde. Denn dann wäre es für alle Beteiligten – Journalisten wie Publikum – einfacher, über die Ergebnisse der journalistischen Arbeit zu sprechen.
Von Thomas Becker
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