Freier Handel, freie Welt: Was macht eigentlich die Welthandelsorganisation?

Wenn in unserer Medienlandschaft die Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) erwähnt wird, ist sie oft begleitet von Kampfbegriffen wie TTIP, Menschenrechtsverletzung oder Intransparenz. Nur wenige wissen, was sich wirklich hinter der im April 1994 in Marrakesch (Marokko) gegründeten internationalen Organisation steckt.

Alle zusammen!

Die Welthandelsorganisation ist ein Produkt der Uruguay Runde, die im Rahmen des seit des seit 1948 geltenden GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen), Fragen auf wichtige Wirtschaftspolitische Maßnahmen suchte und Regeln für eine Internationale Handelsgemeinschaften aufstellte. Die damaligen Mitgliedsstaaten konnten verschiedener nicht sein: Von Burma über Ceylon bis Südrhodesien war das Abkommen ein Sammelbecken für wirtschaftliche Außenseiter. Das damalige Ziel war es, auch die Interessen kleiner Entwicklungs- und Schwellenländer zu berücksichtigen und sich nicht nur auf die Wünsche großer Industriestaaten zu beschränken.

Mehr Gerechtigkeit.

Die Hauptaufgabe bestand darin, Hemmnisse des internationalen Handels, z.B. Zölle und Abgaben, abzubauen und somit ein reibungsloses und effizientes Handeln zwischen den Mitgliedsstaaten zu ermöglichen. Interessant und für die damalige Zeit sogar etwas revolutionär, war das Prinzip der Gleichbehandlung, das besagt, dass allen Handelspartnern des Abkommens, gleiche Zollvergünstigungen gewährt werden müssen. Sprich: Die großen und mächtigen Wirtschaftsräume, allen voran die USA und Europa, konnten sich durch bilaterale und isolierte Absprachen nicht gegenseitig begünstigen und mussten erstmals die kleineren Staaten berücksichtigen. Theoretisch zwingt das Abkommen, Länder wie USA und China oder Frankreich gleiche Zollvergünstigungen zu gewähren wie Chile oder dem Libanon.

Geschichtlicher Hintergrund

Vor dem Ersten Weltkrieg beteiligten sich fast alle Länder am internationalen Handel. Unter der Führung Englands wurden bereits im 19. Jahrhundert einige, auf Steuer- und Zollsenkung basierende, Handelsverträge abgeschlossen. Nach dem Ersten Weltkrieg, der Finanzkrise 1929 und dem Zweiten Weltkrieg stellten fast alle Länder ihren Außenhandel ein und isolierten sich wirtschaftlich immer mehr.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene politische sowie ökonomische Vormachtstellung der USA, ihr Festhalten am offenen Weltmarkt sowie der ideologisch gefestigte Keynesianismus, führten zu einer wirtschaftlich vom Osten abgeschotteten westlichen Hemisphäre. Grund für die radikale Abschottung, war die von Keynes vertretene Ansicht, dass scharfe Konkurrenz während einer Krise zu Lohnsenkung und somit letztendlich zum Nachfragerückgang führt. Aus diesem limitierten und exklusiven Wirtschaftsraum, entwickelte sich nach und nach die internationale Handelsorganisation, so wie wir sie heute kennen.

Streichung der Zollvergünstigungen als Sanktion?

Die Realität sieht manchmal etwas anders aus. Am 28.06.2013 verkündete US-Präsident Barack Obama, dass sein Land die Zollvergünstigungen für Bangladesch bis auf weiteres streicht. Er begründete dies mit erheblichen Sicherheitsmängeln, arbeitsrechtlichen Verstößen sowie humanitäre Krisen. Auslöser war das vorangegangen Fabrikunglück in Sabhar, welches 1.127 Menschen das Leben kostete und weitere 2.483 verletzte.

Die internationale Resonanz war durchweg positiv, weil man sich dadurch verbesserte Arbeitsbedingungen und eine Beseitigung der vorherrschenden Missstände erhoffte. Wirtschaftliche Sanktionen, wie sie derzeit in der Ukraine-Krise angewandt werden, können ein notwendiges Druckmittel sein, um Konflikte in der Weltgemeinschaft ohne kriegerische Auseinandersetzung zu lösen. Doch ist es für die Wirkung der Sanktionen essenziell, genau zu analysieren und auszuwerten, wen die jeweiligen Sanktionen treffen. Und in einem Land wie Bangladesch, in der die systematische Ausbeutung von Arbeitern schon lange zur Tradition geworden ist, kommen angebrachte Zweifel auf, ob die Sanktionen nicht einfach von den konzentrierten wirtschaftlichen Mächten, auf die ohnehin schon leidende Zivilbevölkerung abgewälzt wird und in noch niedrigeren Löhnen und noch schlechteren Arbeitsbedingungen resultiert.

Wirtschaftliche Sanktionen, ohne weitere Kontrollen und Maßnahmen, laufen Gefahr, die Ungerechtigkeiten weiter zu verstärken. Weitere Kritik bekommt die WTO von Umweltorganisationen. Es wird ihr vorgeworfen, dass sie Natur-Umwelt- und Tierschutzmaßnahmen als Hindernis sieht und diese somit nicht beachtet bzw. nur sekundär in ihrer Entscheidung einfließen lässt.

Ergebnisse

Die Haupterrungenschaft der WTO, ist die einheitliche Liberalisierung des Welthandels. Dieser Liberalisierung und der damit verbundenen Senkung der Zölle ist es zu verdanken, dass der Welthandel in den 1950er und 1960er Jahren ein extrem hohes Wachstum erreichen konnte und somit ein durchschnittliches Wachstum von 8% pro Jahr erreicht wurde.

Auch der Stabilität dieses Handelssystems ist es zu verdanken, dass die Mitgliederzahl der WTO kontinuierlich gestiegen ist. Ein weiterer Meilenstein ist das Prinzip der Gleichheit: Erstmals erhielten kleine Länder ein substanzielles Mitspracherecht bei wirtschaftlichen Fragen und mussten nicht mehr lose und unorganisiert einen ungleichen Kampf führen. Unterstützend zu diesem Teil des Abkommens, greift das Streitbeilegungssystem und garantiert Rechtssicherheit bei wirtschaftlichen Konflikten. Von diesem Recht machten die Entwicklungsländer oft Gebrauch und verklagten die USA und Europa schon mehr als 80 Mal. Auch der Vorwurf, die WTO würde ärmeren Ländern pauschal schaden, wird durch den Erfolg widerlegt: von den 50 ärmsten Ländern der Welt sind bereits 42 Mitglieder der WTO.

Insgesamt sind heute 160 Länder Mitglieder der Welthandelsorganisation. Diese Länder repräsentieren über 90% des weltweiten Handelsvolumens.

Von Celal Cagli

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