Als ich eines sonnigen Morgens in der Bahn saß, fiel mir ein Poster ins Auge. Darauf stand „Ich werde Sterben“ und viele verschiedene Namen. Sowas wie Michael, Soraya oder Ayse. Dann fiel mir auf, dass so die Berliner Hospizwoche beworben wurde. Ich kam ins Grübeln, was passiert, wenn du weißt dass du bald sterben wirst?
In meiner Erfahrung werden Hospize als etwas ganz Fürchterliches wahrgenommen. Jeder schaut dir schockiert ins Gesicht, wenn du mit dem Thema beginnst. Besonders wenn es um Kinderhospize geht. Für viele einer der schlimmsten Orte, die es auf unserer Welt gibt. Ich wollte aber wissen, wie es in dieser Welt wirklich aussieht und was genau hinter den Türen eines Kinderhospizes vorgeht. Wer finanziert ein Kinderhospiz und wie kann ich auf diese Thematik aufmerksam machen? Ist es wirklich so schlimm, wie man sich es vorstellt? Ich glaube kaum, aber viele Fragen bleiben bei so einer Thematik offen. Hier bekommt ihr die Antworten, die ich gefunden habe.
Ich habe das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar in Olpe (Nordrhein-Westfalen) angeschrieben, da ich durch eine Freundin aus der Heimat darauf aufmerksam wurde. Das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar wurde 1998 als erstes Kinderhospiz in Deutschland gegründet und begleitet seitdem Familien mit unheilbaren kranken Kindern auf den Weg bis zum Tod und auch darüber hinaus. Denn anders als ein Erwachsenenhospiz, wird im Hospiz Balthasar Familienarbeit geleistet und diese Familien werden über einen gewissen Zeitraum betreut. Denn ab der Diagnose stehen der Familie 28 Tage im Jahr zur Entlastungspflege zur Verfügung und diese können sie in einem Hospiz nutzen.
Was kommt nach der Diagnose?
Bei der Feststellung einer tödlichen Diagnose bricht für die betroffene Familie in Sekunden die ganze Welt zusammen. Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Und genau ab diesem Moment haben die Familien die Möglichkeit, ein Kinder- und Jugendhospiz zu besuchen.
Wichtig ist dabei zu verstehen, dass das nicht bedeutet, dass Kind aufzugeben. Es ist eine Möglichkeit zur Entlastung, zum Aufatmen und für die schönen Momente des Lebens. Eigentlich ein Ort der Freude. Und genau das ist wichtig zu wissen und es ist wichtig die Leute darüber aufzuklären, sodass erst keine Berührungsängste entstehen. „Die Familien sollen sehen, dass Balthasar nicht nur ein Ort zum Trauern und Sterben ist, sondern auch zum Leben und Lachen“, so das Hospiz Balthasar.
Ich habe mit Lisa Schildknecht, 23 Jahre, gesprochen. Lisa absolviert derzeit das Anerkennungsjahr im Rahmen ihrer Ausbildung im Kinderhospiz Balthasar. Bereits vorher sammelte sie viele Erfahrungen im sozialen Bereich, unter anderem zwei Jahre Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen in einer Behindertenwerkstatt, Praktikum in einem SOS-Kinderdorf und zwei Monate Arbeit im ambulanten Wohnen mit psychisch erkrankten Menschen.
Jetzt sind Lisas Aufgaben im Kinder- und Jugendhospiz die Betreuung und Angebote für Geschwisterkinder sowie für die erkrankten Kinder und Jugendliche. Lisa geht es vor allem darum, Herausforderungen und Erfahrungen in einem anderen Bereich zu sammeln, weshalb sie sich für das Balthasar entschied. Sie selbst beschreibt die Arbeit dort als „vielfältig und sinnvoll“, sodass sie stolz ist Teil des Teams zu sein. Stolz – ja, auch das kann man mit dem Thema Hospiz verbinden.
Gibt es so etwas wie einen Alltag?
Dennoch stellt sich die Frage, wie der Alltag in einem Kinder- und Jugendhospiz aussieht. Grundsätzlich ist es so, dass in Olpe die Möglichkeit besteht, zeitgleich zwölf Kinder aufzunehmen (acht Plätze im Kinderhospiz und vier Plätze im Jugendhospiz). „Jedes Kind hat ein eigenes, behinderten- und kindgerecht ausgestattetes Zimmer. Zwei Kinder teilen sich ein Bad. Breite Türen erlauben es, die Kinder auch in ihren Pflegebetten mit in den großen Aufenthaltsraum oder in den Garten zu nehmen. „Die Kinder sollen – so lange es geht – dabei sein und mit anderen Spaß haben können“, so Lisa.
Die junge Frau steht den Kindern zur Seite und Klinikclowns, Snoezelraum (gemütlicher, warmer Raum) sowie Musiktherapien verschönern den Alltag in einem Hospiz. Dennoch gestaltet sich der Alltag immer abhängig von den Familien und diesen kann man nicht pauschalisieren. Im Mittelpunkt der Arbeit steht das kranke Kind. Lisa sagt, „seine physischen, psychischen und sozialen Bedürfnisse und seine individuelle Fähigkeiten sind die Richtschnur für die Mitarbeiter“. Die Devise im Kinder- und Jugendhospiz Balthasar lautet: „Leben bis zuletzt und die verbleibenden Fähigkeiten fördern.“
Wie funktioniert die Finanzierung?
Es ist wichtig zu wissen, dass sich das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar zu 70% aus Spenden finanziert. Diese 28 Tage Entlastungspflege, die der Familie zustehen, werden von den Pflegekassen nämlich nicht ausreichend finanziert. Lisa sagte mir, „schon die alltägliche Pflege muss zu einem großen Teil aus Spenden finanziert werden. Alles was darüber hinausgeht, z.B. der Aufenthalt der Eltern und Geschwisterkinder, die gesamte Trauerarbeit, besondere Angebote […], sind nur durch Spenden möglich.“
Umso mehr wurde es zu einer meiner Herzensangelegenheiten, auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Aber nicht nur wir als Terminal Y Redaktion können etwas dazu beitragen, sondern auch viele Prominente setzten sich für diese Thematik und das Kinder- und Jugendhospiz Balthasar ein. Unter anderem unterstützen Katja Riemann, Ralf Schmitz und Christoph Maria Herbst als Paten das Hospiz.
Das Kinderhospiz Balthasar sagt, dass natürlich erstmal Geldspenden das Wichtigste sind, um die Arbeit zu unterstützen. Aber selbstverständlich sind auch Sachspenden willkommen, unter der Bedingung, dass sie neu und unbenutzt sind. Denn gebrauchte Stofftiere oder Spielzeuge dürfen aus hygienischen Vorschriften nicht angenommen werden. Ansonsten sind ehrenamtliche Helfer unverzichtbar und sehr wertvoll. Nicht zu vergessen: Die Aufklärung und Informationsweitergabe im Freundes- und Bekanntenkreis über diese wichtige Arbeit ist ein weiteres Geschenk, das man dem Kinder- und Jugendhospiz, sowie seinen Gästen, machen kann.
Welche Gefühle verbindet man mit der Arbeit im Hospiz
Ausgehend von meinen Erfahrungen, klingt der Kommentar so, wenn gesagt wird, eine Person arbeitet im Kinderhospiz, „Ohje, das ist natürlich krass. Also ich könnte das nicht.“ Aber wie ist wirklich? Welche Gefühle nimmt man mit nach Hause, wie nahe geht einem die Arbeit? Genau diese Fragen durfte ich auch Lisa stellen. Vor allem den Umgang mit den Kindern, stellen sich viele Leute sehr schwierig vor, aber genau diese Kinder und Jugendlichen gehen viel unbefangener mit ihrer Krankheit um, sagt sie. Es geht ihnen nicht um irgendeine Sonderbehandlung oder um Mitleid, sondern um diesen vorher besprochenen Alltag. Es geht darum, mit ihnen Zeit zu verbringen, ihnen das Gefühl von Geborgenheit und Akzeptanz zu geben.
„Trotz ihrer Krankheiten und den damit verbundenen massiven Fähigkeitsverlusten, kosten die Kinder jeden Augenblick aus. Dadurch wird einem selbst auch wieder bewusst, was wirklich wichtig ist.“, so Lisa. Sie sagte mir auch, dass sie nach der Arbeit eigentlich nur positive Gedanken mit nach Hause nimmt. Genauer genommen, die Lebensfreude der Kinder, die schönen Momente und auch die Dankbarkeit. Emotional würde sie nicht unterkühlen, im Gegenteil – mit der Zeit bekommt man ein besseres Gefühl für verschiedene Situationen mit den Familien und umso intensiver werden die Glücksmomente.
Dennoch blieb eine meiner letzten Fragen übrig. In welchem Zusammenhang steht Hoffnung mit der Arbeit im Kinderhospiz und vor allem für Lisa? Denn Hoffnung ist einer der größten Antriebsgründe unserer Menschheit und mit Hoffnung steht und fällt das Leben. Dazu sagt Lisa: „Für mich bedeutet Hoffnung, dass ich meinen Teil dazu beitrage, den großen und kleinen Gästen und ihren Familien eine möglichst erfüllte und positive Zeit zu gestalten“ und „dass jeder Tag ein Geschenk ist und es die kleinen Dinge sind, die wirklich wertvoll sind.“
Von Lea Bohlmann
Bildnachweis: Kinder- und Jugendhospiz Balthasar