Ach was schieden sich die Geister, als unser Wowi im August 2014 seinen Rücktritt ankündigte, der heute vollzogen wird. Die einen waren traurig, die anderen fanden’s okay – doch eigentlich hatten wir alle etwas davon, denn auf unsere Zeitungen und Boulevard Magazine war Verlass: „Glamour als politische Währung“ hieß es in der Tageszeitung Die Welt und in der BILD schrieb man „Vom Party-Bürgermeister zum BER Pannenverwalter“, wobei wir auch beim eigentlich Problem Berlins wären.
Wohin man geht, wohin man sieht und ja sogar wenn man nichts sieht oder sich aus dem Haus bewegt hört man es – die Hauptstadtmusik von der Baustelle. Ein Kranquietschen hier, ein extrem lautes Zimmern dort und Schreie, die definitiv das Ganze abrunden.
Im Endeffekt könnte man sich darüber freuen, die Stadt ist aktiv, es passiert etwas, es bewegt sich etwas und auf den netten Schildchen steht „Wir bauen für Sie!“. Toll! Die sind ja nett denkt sich der Unterdurchschnittsminderheits-Berliner – alle anderen dürften bei diesen Zeilen wohl nicht die Korken knallen lassen. Vor allem dann nicht, wenn man sich gerade im Stadtverkehr durch das Baustellenlabyrinth, die Umleitungen und verstörte Fahrradfahrer schlängelt.
Willkommen in Baulin
Allerdings muss man nicht gleich erwerbstätig sein um von „Baulin“ – die Hauptstadt ist momentan wirklich der reinste Bau – genervt zu sein. Es reicht auch als Student, Tourist oder sonst irgendwer unterwegs zu sein, der seinen Tagesablauf frei einteilen kann und ein paar Minuten Zeit findet, um die vielen Attraktionen zu genießen. Immer steht man im Schatten der Stahlpalmen, wie man beschönigend mancherorts die allerorten anzutreffenden Baukräne nennt.
Doch seien wir einmal ehrlich: Natürlich regen sich alle täglich auf, dass der Bus nicht kam, die Bahn nicht fuhr, die Umleitung in die Irre führte, der Stau der längste unseres Lebens war. Jedoch ist auch Fakt: Dank Baulin haben wir immer ein Gesprächsthema. Die Berliner Baustellen sind eine Steilvorlage für den perfekten Smalltalk. Selbst der introvertierte Einzelgänger labert den Bäcker voll, dass man ja kaum zum Postkasten komme, da sich dieser auf einer Baustelle befindet.
Zu alledem ist es für viele auch die perfekte Ausrede – Verschlafen? Neeeiiin die blöde Baustelle. Zu spät los? Ach wo, die Bahn fuhr nicht – wegen der Baustelle. Und letztendlich, also sollte der ganze Rummel mal ein Ende finden, sind wir doch auch alle froh, schließlich entsteht dort, wo heute noch Staub weht, ein neuer Fußweg. Oder dort, wo sich die Bauarbeiter mit den wildesten Ausdrücken anschreien, eine neue schnelle U-Bahn Verbindung – mit der wir dann sicher nie mehr zu spät kommen.
Somit einfach vorm nächsten Aufreger einmal daran denken und ein wenig in „Peace-Mood“ kommen. Es gibt schließlich wirklich Schlimmeres auf der Welt. Somit, auf die Baustellen. Cheers!