Ana Buddy gesucht: Wird Magersucht salonfähig?

Früher wurden Autos getuned. Heute optimieren wir unsere Körper. Definierte Muskelpakete, Tattoos, Mode. Der eigene Körper ist zum Lifestyle geworden. Speziell für die Jugendlichen – gemeint sind die unter 20jährigen – gilt dabei: Die Körperoptimierung darf nicht viel kosten und muss trotzdem für Aha-Effekte sorgen. Also keine Fettabsaugung oder Nasenkorrektur. Sondern neben günstigen Cremes von der Drogerie, an erster Stelle die eigene Disziplin.

Man kann sich – völlig nachvollziehbar – so viel beschweren wie man will: Die Sehnsucht dünn zu sein, ist so stark, dass unter dem Hashtag #anabuddy Magersüchtige inzwischen schon öffentlich auf Twitter, nach Gleichgesinnten suchen. Vergangen sind die Zeiten, wo Websites geschlossen wurden, auf denen die Anas und Mias Diättipps jenseits von Gut und Böse posteten, zusammen mit Fotos von abgemagerten Mädchen, die nichts als Haut und Knochen waren.

Anas, das sind die Befürworter von Magersucht (Anorexia nervosa) und Mias die von Bulimie (Bulimia nervosa). Heute lassen sich alle unter einem Hashtag vereinen, und sie machen weiter mit dem Posten von „triggernden“ also entsprechendes Verhalten auslösenden bzw. unterstützenden Fotos und Bildern (ganz gleich ob echt oder bearbeitet). Und zu noch mehr wird sich dort gegenseitig motiviert. Zum Posten halbnackter Fotos, die nichts mehr mit der Präsentation eines neuen Bikinis zu tun haben.

Da geht es um das knallharte zur Schau stellen von Erfolgen und Scham gleichermaßen. Grenzenloser Scham jener Art, dass kein Bein, kein Arm und kein Bauch mehr schön genug ist, um perfekt zu sein. Aber perfekt sein ist die Aufgabe. Und dafür braucht man den Ana Buddy: den Magersuchtsunterstützer, der Motivator und schlechtes Gewissen in einem ist.

Der Ana Buddy soll auch beleidigen, rücksichtslos ins Gesicht schmettern, dass die, die mager sein will, es gerade nicht ist, sondern fett, faul und undiszipliniert. Und wenn der Magen doch knurrt, dann soll er ruhig gestellt werden, durch mehrere Liter Wasser am Tag. In „Ich Negerjunge: die Geschichte einer Kindheit und Jugend“ des afroamerikanischen Schriftstellers Richard Wright, schildert dieser seine eigene Jugend und erzählt, dass er als Junge dieselbe Methode anwandte, um seinen Hunger kurzzeitig zu stillen. Mit dem großen Unterschied, dass er keine andere Wahl hatte.

Die Folgen des Hungerns sind dummerweise nicht so positiv, wie die betroffenen Mädchen und Jungens es sich einreden. Unterernährung führt zu Unterentwicklung, bei Mädchen kann es zur Unfruchtbarkeit kommen und das Ende ist nur der Tod: Models wie Luisel Ramos aus Uruguay starben bereits an ihrer Unterernährung, hinuntergehungert auf einen Body Mass Index von 15,7, wo bereits unter 18 als untergewichtig gilt.

Sicherlich, es ist nicht verboten zu hungern und es nicht verboten, sich mit anderen darüber zu unterhalten, wie man am besten Gegessenes ohne zu viel Schmerzen wieder herauswürgt. Oder wie man sich durch Schmerzzufügung darauf konditioniert, Essen zu hassen. Aber der öffentliche Austausch darüber scheint es nahezulegen, dass diese Art Lebensstil an Zustimmung oder zumindest gesellschaftlicher Akzeptanz gewinnt.

Thinspiration: die tägliche Motivation fürs Hungern

Internetseiten, die sich darauf ausgerichtet haben, jeder Person mit E-Mail Adresse Webspace bereitzustellen, sind ungeahnte Quelle für Thinspiration, die Inspiration fürs Dünn-Sein. Livejournal, Tumblr und Instagram werden vor allem von jungen Mädchen genutzt, und die erfreuen sich wiederum in erster Linie am rebloggen von Bildern sehr dünner Mädchen und Frauen. Die Namen derer, die auf Twitter einen Freund zum Hungern suchen, sprechen für ihre Gedankenwelt: „fetter hässlicher Arsch“, „stilles Verhungern“, „40 kg“, „fettes Mädchen“, „die Wertlose“ oder „schön isst nicht“.

Irgendwann, möglichst schnell, sollten alle Menschen bei Unterernährung wieder an etwas denken, das es zu bekämpfen gilt. Etwas, das ihnen Tränen in die Augen treibt, beim Anblick von denen, die um ihr Leben ringen, weil sie essen möchten, aber nicht können. So wie bei den Fotos, die zu der Hungernot in Sudan entstanden, 1993 und 1998, von Fotojournalisten wie Tom Stoddart und Kevin Carter. So wie bei dem Foto eines Mannes, der sich nur noch auf allen Vieren zur Essensausgabe schleppen kann. Und dem man sehnlichst wünscht, dass er es geschafft hat. Zum Essen und durchs Leben. Den Mädchen wünscht man es auch. Dass sie wieder lernen zu essen, es nicht verabscheuen. Und sie wieder Spaß am Leben haben können, egal welcher Body Mass Index.

Von Safia Ziani

Bildquelle: http://www.hercampus.com/school/bc/thinspiration-pinterest

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