„Haben wir eigentlich noch Idole?”, frage ich mich neulich auf meinem Sofa liegend, eine ziemlich misslungene, aber immerhin selbstgemachte Quiche essend und irgendein YouTube Video glotzend – vormittags um halb 11 an einem Donnerstag.
Voller Tatendrang dieser Frage nachzugehen, esse ich auf, klopfe mir die Krümel von der Hose, mache ein Vormittags-Nickerchen, staubsauge die Krümel vom Boden, schaue mir noch zwanzig weitere YouTube Videos an, warte drei Tage und mache mich dann daran dieser Frage nachzugehen.
Was ist ein Idol?
Laut Duden ist ein Idol „jemand, etwas als Gegenstand schwärmerischer Verehrung, meist als Wunschbild von Jugendlichen“ zu sehen oder in der bildenden Kunst „ein Gottes-, Götzenbild [in Menschengestalt]“. Halten wir uns an das erste Statement.
Ein Idol ist also jemand, der verehrt wird. Schwärmerisch. Von Jugendlichen. Zumindest meistens. Das wundert mich. Ich dachte immer, dass besonders heutzutage eher unsere Eltern Idole hätten als wir. Wir, das sind die „Jugendlichen“ bzw. die jungen Erwachsenen in ihren frühen Zwanzigern. Aber vielleicht ist der Duden auch einfach nicht up-to-date und die Jugendlichen von damals sind eben unsere Eltern von heute.
Das Wort Idol kommt aus dem Griechischen und bedeutet eigentlich „Bild“ oder „Abbild“, im speziellen „Trugbild“. „Idol“ ist also eigentlich negativ belegt. Im Deutschen benutzt man das Wort Idol erst seit dem 18. Jahrhundert. „Im allgemeinen Sprachgebrauch werden häufig Personen, denen große oder übertriebene Bewunderung entgegengebracht wird, als Idole bezeichnet“, so mein Freund Wikipedia. Mmh, in Ordnung: Ein Idol ist also ein Mensch und wird stark bewundert. So weit war ich auch schon vor der Recherche.
Wenn der Duden und Wikipedia nicht mehr weiter helfen, dann suche ich mir eben eine richtig seriöse Quelle: GuteFrage.net.
Dort schreibt jemand mit dem Namen Lulu221 etwas, dass ich ziemlich schlau finde. Besonders für jemanden, der sich Lulu221 nennt. „Idole dienen eher zur Anbetung, Anschwärmung. Man bewundert sie, aber man weiß meistens auch, dass man ihren Status nur selten erreicht. Idole sind häufig Berühmtheiten, denen man nur selten begegnet. Man himmelt sie an, man verherrlicht sie, aber man hat auch eine gewisse Distanz zu ihnen.“ und „Soweit ich weiß, kann man ein Vorbild nachahmen, Idole eher nicht.“
Warte. Idole und Vorbilder sind nicht dasselbe? Zumindest sagt das jemand aus dem Internet. Die Duden Definition von Vorbild ist, eine „Person oder Sache, die als [idealisiertes] Muster, als Beispiel angesehen wird, nach dem man sich richtet“. Also nicht so viel Schwärmen, mehr Nachmachen.
Trotzdem glaube ich, dass ich nicht die einzige Person bin, die die Begriffe „Idol“ und „Vorbild“ gerne mal über einen Kamm schert.
Idol-Umfrage: Jesus schlägt Günther Jauch knapp
Eine uralte, aber sehr unterhaltsame Forsa-Umfrage von 2003 hat 577 Menschen nach ihren Idolen gefragt. Stolz auf dem ersten Platz mit 35% landete die eigene Mutter, direkt dahinter mit 34,9% Mutter Theresa. Der eigene Vater war mit 32,5% knapp vor Nelson Mandela (31,7%) platziert. Und Jesus (26,9%) machte den zehnten Platz, direkt gefolgt von Günther Jauch mit immer hin 25,3%. Allein diese komplett absurde Mischung an Idolen zeigt auf, dass Menschen den Begriff „Idol“ wohl ziemlich unterschiedlich verwenden. Und so ist es immer noch. Ich habe meine Freunde gefragt, ob sie ein Idol haben.
„Hmmm, schwierige Frage. Ich glaube, allerhöchstens würde das in manchen Bereichen auf meinen Papa zutreffen. Aber ich glaube, ich habe ihn noch nie so bezeichnet.“
„Eher nicht. Natürlich hat man irgendwo Vorbilder, aber die würde ich nicht als Idole bezeichnen. Ich glaube wenn man jünger ist, ist das leichter. Irgendwelche Sänger, Fußballer, Superhelden oder Schauspieler. Aber umso älter man wird, umso kritischer wird man mit so etwas – beziehungsweise umso realistischer wird man. Dann bildet man sich seine eigene Meinung und schätzt bestimmte Eigenschaften an Menschen, mit denen man übereinstimmt.“
„Ich finde Prince Ea sehr gut. Ist ein YouTuber.“
„Mmh. Gute Frage. Also die Fankultur ist ja irgendwie nicht so ausgeprägt in Schland.“
„Sportlich gesehen, Hans Günther Winkler. Und sonst Frida Kahlo.“
„Nein, aber das hatte ich auch nie. Wenn, dann waren es Menschengruppen, von denen ich mir bestimmte Dinge abgeschaut habe.“
„Idol im Sinne von, dass man so wie jemand sein will? Dann nein.“
Es scheint so, dass die meisten von uns keine Idole im ursprünglichen Sinne haben und auch nicht wirklich Vorbildern nacheifern. Das heißt nicht, dass wir Werte und Wege, die andere verfolgen oder für die sie stehen, nicht mehr bewundern oder schätzen, nur das wir versuchen unseren eigenen Weg zu gehen. In dieser Zeit, in der sich alles so wahnsinnig schnell verändert, gibt es den einen Weg, der an das eine Ziel führt ohnehin nicht mehr. Wie formuliert Literaturnobelpreisträger Bob Dylan: „People are crazy and times are strange, I’m locked in tight, I’m out of range, I used to care, but things have changed.“ Die Dinge haben sich geändert. Die Dinge ändern sich. Und das wissen wir.
Von Kim von Ciriacy
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