Kreuzberger Kiez-Kneipe: Wo die Anzugträger Klopse essen

In Berlin braucht man sich essenstechnisch nicht zu langweilen: Bratwurst oder Burritos,  Curry oder Chili, Dim-Sum oder Döner, Pasta oder Pelmeni – es gibt für jeden Geschmack etwas. Aber was ist typisch für Berlin? Wie speist man stilecht in Alt-Berliner Flair? Und das auch noch in der Mittagspause, also schnell und günstig?

Eine Antwort darauf findet man an einem Ort, wo man sie ganz bestimmt nicht vermutet: in der Nähe des Potsdamer Platzes, der Shopping- und Kommerzmeile, die kaum von Berlinern, aber umso mehr von Touristen genutzt wird. Ok, unser Ziel liegt nicht direkt am Potsdamer Platz. Man muss ein paar Meter gehen, bis zum Anhalter Bahnhof, und der – das ist ein wichtiger Unterscheid – gehört nicht mehr zum Bezirk Mitte, sondern liegt in Kreuzberg.

Vom Anhalter Bahnhof, dem Tor zum Süden, wie man ihn Berlin nannte, ist bis auf ein Stück der Fassade und vielen Legenden nichts mehr erhalten. Was aber heute noch gibt, ist die Stadtklause in der Bernburger Straße, direkt am Askanischen Platz.

Tradition seit 1845

Die Berliner Stadtklause wurde 1845, vier Jahre nach dem Anhalter Bahnhof, eröffnet. Hier konnten die Kutscher pausieren und neben einem gepflegten Kaltgetränk natürlich auch was essen. Einfache Kost, selbst gekocht, schmackhaft und günstig. Dieses Konzept ist bis heute gültig und führt zu einer spannenden Melange in den urigen Räumlichkeiten. Wenn Koch Atze immer Mittwochs Schnitzel (natürlich vom Schwein, wir sind in Berlin und nicht in Wien) brät, kommen in der Mittagszeit rund 350 Gäste: Anzugträger aus den Büros der Umgebung, Journalisten von den benachbarten Redaktionen von Zeit und Tagesspiegel, Studierende, Arbeitende und Arbeitslose. Die Stadtklause ist für alle da, die ein bisschen Auszeit von der Hektik der Stadt brauchen und in historischem Ambiente neue Energie sammeln können.

Das alte Berlin ist vergangen. Berlin ist jung, Berlin ist Trend, Berlin lebt. Dennoch ist es faszinierend, den Charme der Gründerzeit einigermaßen authentisch einzuatmen. Beim Mittagstisch wird erst das Essen an der Luke zur Küche geholt. Selbstgebackenes Brot gibt’s gratis dazu und wenn man viel Hunger hat, ruft man Atze zu, er möge eine Schippe drauflegen.

Frisch gekocht auf den Tisch

Die großen Portionen machen nicht nur satt, sie schmecken auch verdammt lecker. Königsberger Klopse, Schweineschnitzel mit Salzkartoffeln und Gemüse, Linsensuppe mit Knacker oder Nudeln mit Wurstgulasch: Alles wird frisch gekocht und man nimmt Platz an Bänken, auf denen man schnell ins Gespräch mit anderen Gästen kommt.

Im Mittagsangebot sind meist drei Gerichte, die zwischen 3 und 6 Euro kosten. Abends kann man auch nach Karte essen, aber auch hier gibt’s kein internationales Einerlei, sondern Hausmannskost, Berliner Art: Bulette, Brote mit Käse und Aufschnitt, Strammer Max.

In der Stadtklause findet man alles, was man von einem richtig guten Lokal erwartet: Atmosphäre, interessante Gäste, lecker Essen, kalte Getränke. Das einzige, was hier in Schlagdistanz zum Potsdamer Platz fehlt, sind Touristen – gut so! Die Stadtklause ist auch so international genug. Wer einmal hier war, kommt garantiert immer wieder, selbst wenn er schon längst nicht mehr in Berlin wohnt.

Von Kim von Ciriacy und Lada Osornina

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