Der Second Life Flop: Die Grenzen der Digitalisierung

Second Life. 2003 galt es als die Zukunft. Eine technische Revolution, die laut Prognosen unser ganzes Leben verändern sollte. Heute folgt, wenn die Rede von Second Life ist, nur noch ein müdes Lächeln, vorausgesetzt man hat davon überhaupt schon einmal gehört. Second Life – ein zweites Leben in einer virtuellen Parallelwelt, betretbar allein durch PC oder Spielkonsole. Eine Wunschwelt, frei nach dem Motto: Wir machen uns die Welt, so wie sie uns gefällt. Und das mit allem Drum und Dran.

Wollten Sie schon immer etwas größer sein? Oder schlanker? Vielleicht ein paar mehr Haare auf dem Kopf? Mit Second Life kein Problem! Hier kann man sich selbst genau so neu erfinden, wie man schon immer sein wollte. Avatar nennt man dieses neu erschaffene Ich dann. Und mit diesem neuen Ich wird die andere Welt erforscht, eine Wohnung eingerichtet, einem Job nachgegangen, Sehenswürdigkeiten besichtigt und Freundschaften mit den Avataren der rund 3,7 Millionen anderen User geschlossen. Für das wirkliche Erleben darf natürlich auch nicht fehlen, dass alles Geld, welches man im zweiten Leben ausgibt auch im ersten Leben vom Bankkonto abgebucht wird.

Entwickelt wurde diese virtuelle Welt 1999 vom US-amerikanischen Unternehmen Linden Lab und zunächst hauptsächlich als Online Spiel genutzt. Doch bald sind Firmen auf die neue Welt aufmerksam geworden. Bis 2006 eröffneten unter anderem Adidas, BMW, Daimler und die Deutsche Post Filialen in der 3D-Welt. Und mit „The Avastar“, einer virtuellen Wochenzeitung von Axel Springer, konnte man sich sogar über aktuelle Geschehnisse informieren. Bezahlt wird in Second Life mit einer eigenen Währung – dem Linden-Dollar, welcher in jede andere Währung umgetauscht werden kann. Neben dem Verkauf von Autos und Schuhen, bestehend nicht aus Metall, Plastik oder Leder sondern Bits und Bytes, ging es Adidas, BMW und Co wohl hauptsächlich um PR und Selbstvermarktung.

Auch ein zweites Leben endet mal – und manchmal schneller als gedacht

Doch heute, neun Jahre später, scheint dem zweiten Leben der Atem ausgegangen zu sein. Von den ehemals 3,7 Millionen Registrierten sind nur knapp eine Millionen Besuche im Monat übrig geblieben. Und auch Adidas, Axel Springer und Co haben Second Life schon vor Jahren wieder aufgegeben. In einer Zeit, in der es praktisch zu fühlen ist, wie die Digitalisierung unseres Lebens von Tag zu Tag ansteigt ist dieser Fakt doch eigentlich unlogisch. Ist unsere Welt also gar nicht im höchsten Maße digitalisiert, wie es immer heißt und haben wir in Second Life eine Grenze des wahnsinnigen Fortschritts gefunden? Oder lag der Flop dieses Konzepts schlichtweg an zu schlechten Grafiken und einer ausbaufähigen Bildauflösung?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich mit den Menschen gesprochen, die im Allgemeinen als geradezu abhängig von Smartphone und Co gelten: Der Generation Y. Kennen diese Second Life?

„Also ich kenne Second Life nur als Computerspiel.“ Oliver, 21

„Second Life? Das Leben nach dem Tod vielleicht?“ Adrian 27

„Da kann man doch Möbel und Klamotten weggeben, falls die nochmal Jemand braucht.“ Orfa, 20

„Davon habe ich noch nie was gehört.“ Aladdin, 19

„Second Life? Das ist so ein Internet Ding oder?“ Nora, 24

„Second Life… Wenn ich im Ausland lebe und meine Familie in Deutschland? Dann habe ich sozusagen zwei Leben. Das ist Second Life.“ Robert, 26

 So wirklich weiß also auch in der Generation Y niemand, um was es sich bei Second Life wirklich handelt. Und nach einer Erklärung kann sich kaum jemand vorstellen, seine Freunde, Familie und bekannte nur noch in einer virtuellen Welt zu treffen – da kann diese so schön sein, wie sie will.

In Pantoffeln zum Geschäftsmeeting

Doch wie sieht es im Berufsleben aus? Wäre es nicht praktisch zum Arbeiten nicht mehr wirklich, sondern nur mit dem Avatar das Haus zu verlassen um die Avatare seiner Kollegen online zum Meeting zu treffen? Sozusagen in Pantoffeln, vorm PC zum schicken Geschäftsmeeting.

Realisiert wurde dies schon. 2008 entwickelte Second Life zusammen mit Rivers Run Red eine neue Art der Webkonferenz:„Immersive Workspace 2.0“. Für große Unternehmen gar nicht so unlukrativ, da diese Art der Kommunikation weitaus kostengünstiger als die herkömmliche Videokonferenz ist.

Genutzt wird Second Life trotzdem auch in geschäftlicher Hinsicht kaum. Ein Zeichen dafür, dass ein zweites, virtuelles Leben in der heutigen Zeit für den Großteil der Menschen noch undenkbar ist. Und ein Beweis dafür, dass die Digitalisierung vielleicht doch nicht so schnell und dramatisch fortschreitet, wie es immer heißt.

Von Kim von Ciriacy

Bildnachweis: „Second Life 11th Birthday Live Drax Files Radio Hour“ by HyacintheLuynes – Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Second_Life_11th_Birthday_Live_Drax_Files_Radio_Hour.jpg#/media/File:Second_Life_11th_Birthday_Live_Drax_Files_Radio_Hour.jpg

 

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