Datenkrake: Hat Microtargeting den US-Wahlkampf entschieden?

Anfang Dezember sorgte ein Artikel für Aufsehen: Eine ominöse Firma soll anhand millionenfacher Daten und gezieltem Wähler-Targeting Donald Trump zum Wahlsieg verholfen haben. Was ist dran an der Geschichte?

Die Facebook-Aktivitäten der US-Wähler sollen Donald Trump den Weg ins Weiße Haus bereitet haben, so nachzulesen in einem Artikel der Schweizer Zeitschrift „Das Magazin“. Dabei geht es vor allem um zwei Männer: Michal Kosinski und Alexander Nix. Kosinski hat an der Cambridge-Universität eine Methode entwickelt, die anhand von Facebook-Likes und anderen Online-Daten die Persönlichkeit eines Menschen vermessen kann. Alexander Nix hat diese Methode kopiert und in Form des britischen Unternehmens Cambridge Analytica monetarisiert. Dieses erstellt mit Hilfe von Microtargeting individuelle Wähleranalysen und kann so passgenaue Botschaften an bestimmte Wählergruppen übermitteln. Im Sommer bedienten sich bereits die Verfechter der Leave-Kampagne im Brexit-Wahlkampf dieses Verfahrens und nun Donald Trump.

Die Methode geht so weit, dass nicht mehr nur Wähler eines bestimmten Staates oder einer Stadt angesprochen werden können. Alles, von Alter und Geschlecht, über Hautfarbe, sexuelle Vorlieben und politische Couleur wird berücksichtigt und ermöglicht so unglaublich genaue Aussagen über unglaublich homogene Wählergruppen. Diese, so das Versprechen von Nix, können dann mit gezielten politischen Botschaften zu Gunsten der eigenen Kampagne beeinflusst werden. So habe Trump, laut des Schweizer Magazins, etwa 175 000 Abwandlung einer einzigen Botschaft auf Facebook verteilt – an einem einzigen Tag. Jede einzelne zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Adressaten.

Szenarien wie aus einem Thriller

Dabei ist der von Mikael Krogerus und Hannes Grassegger verfasste Artikel aus dem Stoff, aus dem Verschwörungstheorien gemacht sind: Eine bis dato unbekannte Daten-Firma, die im Verborgenen die Fäden zieht und so einem anfangs chancenlos geglaubten Kandidaten quasi im Alleingang zum Sieg verhilft. Kosinski selbst spricht gar von einer „Bombe“, die er jedoch nicht gebaut habe. Er habe „nur gezeigt, dass es sie gibt.” Das Problem: Andere Gründe für Trumps Wahlsieg, etwa die Wut auf das Establishment, die FBI-Ermittlungen gegen Konkurrentin Clinton, sowie die wachsende Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung werden nicht einmal genannt. Kein Wunder, dass Experten und Journalisten die wahre Macht der britischen Firma hinterfragen.

Denn liest man den Schweizer Artikel genauer, fällt schnell eine Sache auf: Er basiert allein auf den Aussagen zweier Männer. Zum einen wäre das Nix, der dank der Daten-Methode mit Trumps Wahlkampf 15 Millionen US Dollar verdient hat und zum anderen Kosinski, der die Methode erfunden hat. Martin Fuchs etwa, Hamburger Politikberater und Social-Media-Dozent, ist sich sicher: „Trump hat es schlicht geschafft, jene Gruppen zu mobilisieren, die sich für seine Inhalte interessieren, und das allgemeine Unwohlsein in der US-amerikanischen Gesellschaft zu adressieren. Das ist Clinton nicht im gleichen Maße gelungen.“ Zwar sei die Methode hilfreich, doch „Trump hätte die Wahl auch ohne Cambridge Analytica gewonnen.“

Mircotargeting im Bundeswahlkampf 2017? 

Wirksamkeit der Methode hin oder her, die Frage, die sich nun stellt ist, ob auch im Bundestagswahlkampf 2017 Wähler mit Microtargeting beeinflusst werden können. Bedenkt man jedoch die wesentlich geringeren finanziellen Ressourcen, die den deutschen Parteien im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Konterparts zur Verfügung stehen, wird eines klar: Es fehlt hierzulande schlicht am Geld. Denn bei einem Gesamtbudget von 23 Millionen Euro (SPD) beziehungsweise 20 Millionen Euro (CDU) im Wahlkampf 2013, sind Nix-Dienste nicht erschwinglich.  

Trotz alle Kritik an dem Artikel aus Das Magazin, sowie der Effektivität von Cambridge Analytica: Wird die Methode weiter verbessert, und das wird unweigerlich in den nächsten Jahren passieren, könnte Microtargeting tatsächlich eine solch entscheidende Rolle in Wahlkämpfen einnehmen, wie von Krogerus und Grassegger beschrieben. Dann wird es vielleicht noch weniger um politische Inhalte gehen, sondern nur noch darum, wer die besseren Datenanalysten im Hinterzimmer sitzen hat.

Von Maximilian Haag

Bildnachweis: WOCinTech Chat via Flickr unter CC BY 2.0

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