Zwischen Kunst, Exzess und Provokation: Fuck Yes, Daniel Josefsohn!

Daniel Josefsohn ist vieles: Künstler, pensionierter Skater, geiler Macker. Seine Fotos sind roh und unverfälscht. 2012 erlitt er einen Schlaganfall. Doch Aufgeben ist nicht sein Ding.

Der große Durchbruch gelang Josefsohn durch die „Miststück“-Kampagne des Fernsehsenders MTV. 1994 fotografierte er Leute von der Straße und lies sie sich selbst mit ein bis zwei Worten beschreiben. Die Aktion wurde ein riesiger Erfolg. Im ganzen Land hingen Plakate seiner Bilder. Leute rissen sie von den Wänden und hingen sie bei sich zu Hause auf. Über Nacht wurde Josefsohn bekannt.

Kunst, nicht bloß Fotografie

Damals, 1994, zierte Josefsohn selbst eines der Poster und verlieh sich das Prädikat „Fauler Sack“. Faul ist er auch beim Fotografieren: „Meistens reicht ein kleines, inneres: Ja, ich will!“ Von viel Technik hält er nichts, ebenso wenig wie von der Arbeit mit Stativen. Man muss sich „die Freiheit aus dem Bauch heraus behalten und in Bewegung bleiben.“ Heute, nach dem Schlaganfall, sei ein Stativ aber manchmal unverzichtbar.

Die erste Kamera kaufte sich Josefsohn von 300 Mark, die ihm sein damaliger Drogenberater geliehen hatte. Sie wurde seit diesem Tag zu seinem steten Begleiter.

Josefsohn ist mehr Künstler als Fotograf, inszeniert seine Bilder und transportiert eine Nachricht. Nicht immer kommt es darauf an, wer den Auslöser drückt. Dieses Selbstverständnis als Künstler erklärt, warum für ihn die Fotografien untrennbar mit ihren Titeln verknüpft sind. Es geht nicht ums Bild, sondern um ein Werk.

Diese Kunst macht er jedem zugänglich. „Ich war immer der Mann für den Bauzaun.“ Heißt: Seine Fotos hingen in der ganzen Stadt, für jeden sichtbar. An Bauzäunen eben. Ohne Barrieren, ohne Eintrittspreis. Das war schon 1994 mit MTV so und auch wieder zwischen 2010 und 2013, während seiner Zeit als Kreativdirektor der Volksbühne Berlin.

Nach dem ersten Coup mit der MTV Kampagne machte Josefsohn immer wieder mit extravaganten, teils provokanten, aber nie plumpen Aktionen auf sich aufmerksam.

So lässt er den Kaiser höchstselbst – Franz Beckenbauer – aussehen wie einen Knaben bei seiner Kommunion. In der italienischen Provinz simulierte er Porno-Situationen mit Helmut Berger und für ein Kunstprojekt mit dem Namen „Die dunkle Seite“ hat er als Spurensicherer verkleidet das Haus eines Kannibalen fotografiert.

Das erste politische Parfum der Welt

Trotz aller Provokation schlägt Josefsohn Brücken. Sein Duft: MoslBuddJewChristHinDao, „Damit wir uns wieder riechen können“ versucht alle Religionen und Kulturen dieser Welt zu vereinen.

Es ist der erste politische Duft der Welt und weit mehr als eine Aktion, die Aufmerksamkeit generieren soll. Der Guide of Perfumes hat es mit fünf von fünf Sternen ausgezeichnet. Ein Ritterschlag, der nur den besten Parfums erteilt wird.

Provokateur mit Stil

Auch politisch bezieht er Stellung. Dabei bis 2012 stets im Gepäck: ein Stormtrooper-Helm, wie man ihn aus der Star Wars Reihe kennt. Mit diesem traut er sich in politisch brisante Zonen. Auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking spielt er die Szene des Demonstranten nach, der sich 1989 einer Panzerkolonne in den Weg stellte.

Wer sich nach dem tieferen Sinn des Stormtrooper-Helms fragt, der wird enttäuscht: „Ich hätte mir auch genauso gut eine Papiertüte über den Kopf ziehen können, aber das ist halt nicht cool.“

Sein spitzbubenhaftes, undiplomatisches Verhalten projiziert er keineswegs nur auf andere, sondern auch auf sich selbst. So ist sein jüdischer Hintergrund immer wieder Thema: Auf dem ehemaligen Ferienhaus der Nazi-Größe Hermann Göring auf Sylt hisste er eine israelische Flagge. Der Name des Fotos: More Jewish Settlements on the Sylt Strip. Soll in Josefsohns Worten so viel heißen wie „Lass doch die ‚Pallis’ da in Ruhe, siedelt doch hier“. Oder er posiert mit dem Stormtrooper-Helm auf dem Kopf vor der für Juden heiligen Klagemauer in Jerusalem.

„Man kann auch sexy im Scheißrollstuhl aussehen“

Daniel Josefsohn hat nicht nur die Sonnenseiten des Lebens gesehen. 2012 schien sein Leben aus den Fugen zu geraten. Ein Schlaganfall lähmte ihn teilweise. Mit der Krankheit kamen Zweifel. Zeitweise ging es ihm derart miserabel, dass er dachte „vor Schmerzen verrückt zu werden“. Dank seines starken Willens und der Liebe zu seiner Frau und seinem kleinen Sohn Milo überstand er diese dunklen Monate.

Bei allem Leid hat er den Schicksalsschlag stets mit Humor genommen. So ist etwa auf seiner Facebook-Seite ein Kissen mit dem Schriftzug: „Jude, Israeli, jetzt auch noch schwerbehindert. Das muss sich doch in Deutschland kommerzialisieren lassen können“ zu sehen. Auch das ist Josefsohn. Er sieht immer ein Licht am Ende des Tunnels.

Ein solches Licht war im Jahr 2014 ein Auftrag des ZEIT-Magazins. Mirko Borsche und Christoph Amend, Kreativdirektor und Chefredakteur des ZEIT-Magazins, fragten, ob Josefsohn nicht an einer autobiografischen, wöchentlichen Fotokolumne interessiert sei. Gemeinsam mit seiner Frau nahm er das Angebot an. Er machte die Fotos, sie die Texte. Der Titel: „Am Leben“. Die Resonanz war überwältigend, mal wieder. Ende des Jahres wurde die Reportage mit dem Lead Award in Gold ausgezeichnet. Josefsohn war wieder da. Rückblickend, sagt er, habe ihm der Auftrag das Leben gerettet. Später erschien das ganze als Buch im Distanz Verlag des Kunstsammlers Christian Boros. Der Name: „Fuck Yes“. Und das trifft den Nagel auf den Kopf: Fuck Yes, Daniel Josefsohn!

Von Maximilian Haag

Bildnachweis: © Daniel Josefsohn

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