Zu dir oder zu mir? Oder gleich im Treppenhaus?

Berlin ist groß, bunt, voll von Menschen und auch sehr anonym. Eine echte Großstadt eben. Viele schätzen diese Anonymität. Aber sie macht auch einsam. Man hetzt vom einen Termin zum anderen, man geht in die Uni, zum Sport, sitzt in der Bahn und geht dann wieder nach Hause. Oft allein. Es ist selten Zeit für Menschen außerhalb des Freundeskreises.

Die Wohnung ist der Rückzugsort, man mag es ruhig, man genießt es allein zu sein. Aber sind wir das nicht den ganzen Tag? Natürlich sind wir in dieser Stadt immer von Leuten umgeben und trotzdem schirmen wir uns hinter unseren Bildschirmen ab. Oder kannst du dich erinnern, wann du das letzte Mal ein unverfängliches Gespräch mit einem Fremden geführt hast?

Unsere Nachbarn kennen wir nicht mehr, nur deren Musikgeschmack, den wir durch die dünnen Wände der Neubauten zwangsläufig ertragen müssen. Wir wissen auch, ob unser Nachbar leichtfüßig durch die Wohnung über uns schwebt, ob er ein Türenknaller ist oder nicht. Aber wie sieht er eigentlich aus? Ist er überhaupt ein er? Vielleicht ist es ja auch eine Sie. Wenn man sich dann kurz auf dem Flur trifft reicht die Geduld meist nicht für mehr als für ein flüchtiges „Hallo.“.  Aber in welcher Wohnung die Person nun lebt, keine Ahnung.

Genau dieses Großstadtproblem hat das Projekt „Auf halber Treppe“ erkannt. Die Anonymität im eigenen Haus soll weichen und es soll eine Gemeinschaft entstehen die über das übliche „wir wohnen in einem Haus“ hinausgeht.

Das Pop-up Café fürs Treppenhaus

Es handelt sich um ein Pop-up Café eben auf halber Treppe. Im Hausflur, auf den Stufen, überall wo Platz zum Sitzen oder zum Abstellen der süßen Leckereien, Kaffee und Kuchen ist. Stühle, Tische, Verpflegung und Dekorationen werden von den Organisatoren des Projekts mitgebracht. Man muss sie nur einladen. Es werden Flyer zur Organisation zur Verfügung gestellt und wenn das Team erst mal da ist und das kleine Treppenhauscafé aufgebaut, werden auch die schüchternen Nachbarn aus der Wohnung geklingelt und motiviert sich an dem Spektakel zu beteiligen.

Vielleicht hat die Person in der Wohnung über dir, den du immer nur liebevoll als „Klumpfuß“ beschrieben hast, ja ein Holzbein und stampft nur deshalb so durch die Wohnung. Vielleicht lädt dich ja der Partylöwe mit der lauten Musik, die dich immer so nervt, das nächste Mal auch ein. Vielleicht hilft dir die nette Familie von gegenüber auch einfach nur irgendwann mit einer Tasse Zucker aus. Aber sowas gehen eben nur, wenn man sich schon kennt, wenn man sich unterhält, und sich auch über die Probleme austauscht. Vielleicht bist du ja auch, ohne es zu merken, ein furchtbarer Türenknaller.

Aber warum brauchen wir überhaupt eine Internetseite, die sich damit beschäftigt, wie man am besten seine Nachbarn kennenlernt und zusammenbringt? Ein Treffen mit den Menschen aus dem eigenen Haus oder der eigenen Etage sollte man doch auch ohne Hilfe aus dem Internet organisiert bekommen.

Ist es nicht eigentlich schade, wie große Hemmungen wir davor haben einfach mal an der nächsten Wohnungstür zu klingeln, nur um sich kennenzulernen?

Von Antonia Schlote

Bild: Fanny Huth

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