Paul ist 11 Jahre alt. Paul bekommt 14 Euro Taschengeld im Monat. Marie ist auch 11. Sie bekommt 18 Euro jeden Monat. Laura ist schon 12. Sie kriegt jeden Monat 20 Euro. Warum kriegt jedes Kind unterschiedlich viel Taschengeld? Die einfache Antwort: Weil die Eltern nicht mehr Geld haben. Das ist aber meistens gar nicht der wahre Grund. Die Eltern überlegen sich ganz genau, warum sie ihren Kindern wie viel Taschengeld zahlen. Sie reden mit Nachbarn, sie reden mit der Schule, sie suchen im Internet und fragen andere Eltern.
Die Eltern geben sich also ziemlich viel Mühe, um herauszufinden, wie hoch das Taschengeld sein soll. Trotzdem kriegen Paul, Marie und Laura unterschiedlich viel jeden Monat. Paul 14 Euro, Marie 18 Euro und Laura sogar 20 Euro. Warum ist das so? Schauen wir uns die drei Kinder mal genauer an.
Paul ist 11, sein Papa ist Angestellter bei der Stadt, seine Mama dirigiert einmal in der Woche den Kirchenchor. Pauls Papa hat im Internet geschaut, wie viel Taschengeld ein Elfjähriger bekommen sollte. Da hat er dann gelesen, dass Kinder im Alter von Paul zwischen 13 und 15 Euro jeden Monat bekommen sollten. Also hat Pauls Papa gesagt: Super, dann nehmen wir die Mitte. Paul bekommt 14 Euro.
Maries Papa ist Schreiner, ihre Mutter arbeitet im Supermarkt. Marie bekommt 18 Euro jeden Monat. Eigentlich wollten ihre Eltern ihr nur 15 Euro geben, weil sie wie Pauls Eltern im Internet recherchiert hatten. Aber Marie hat ihren Eltern erklärt, dass ihre drei besten Freundinnen 18 Euro bekommen und Maries Eltern wollten, dass Marie genauso viel Geld hat, wie ihre Freundinnen.
Lauras Papa fährt Bus und ihre Mutter arbeitet halbtags im Altenheim. Laura hat eigentlich 13 Euro Taschengeld, also weniger als Marie und Paul. Aber sie ist zu ihren Eltern gegangen und hat mit ihnen gesprochen. Sie hat erklärt, dass sie gerne mehr Taschengeld hätte, weil alle in ihrer Klasse mindestens 15 Euro haben. Und sie hat angeboten, ab sofort immer den Müll runterzubringen. Das hat funktioniert. Die Eltern haben ihr Taschengeld auf 15 Euro erhöht.
Wie alle anderen Kinder in der Klasse hat Laura auch ein Handy. Ihre Eltern hatten ihr vorher immer eine Karte für 10 Euro gekauft, die hat dann rund ein halbes Jahr gereicht. Laura hat ihren Eltern erklärt, dass es doch gut wäre, wenn sie selbst lernt, mit dem Kosten fürs Handy klar zu kommen und ob sie sich in Zukunft nicht die Prepaid-Karte von ihrem eigenen Taschengeld bezahlen sollte. Dazu müsste natürlich das Taschengeld ein bisschen angehoben werden, sagen wir um 2 Euro. So hatte Laura schon 17 Euro im Monat.
Tja und dann ist Laura noch zu ihrer Oma gegangen und hat gefragt, ob Oma ihr nicht ein kleines Zusatztaschengeld gibt. Für so Dinge, die man sich manchmal gerne leistet wenn ein Tag besonders schön war. Nicht viel, € 3 wären völlig genug. Das Geld kann Laura jetzt sparen und sich einen großen Wunsch erfüllen. Oder sie kann es ausgeben, um sich ab und an was nebenher zu leisten. So kam Laura zu ihren 20 Euro Taschengeld.
Paul bekommt 14 Euro, Marie 18 Euro und Laura 20 Euro. Warum bekommt Marie mehr als Paul?
Paul akzeptiert die Situation. Die Eltern bestimmen, wie viel Taschengeld es gibt. Also ist so ok. Man kann es nicht ändern.
Marie redet mit ihren Eltern. Sie begründet, warum ihr Taschengeld zu niedrig ist. Klar, Maries Eltern wollen natürlich nicht, dass Marie weniger Taschengeld hat als ihre engen Freundinnen und legen deshalb etwas nach. Was Marie macht sind also drei verschiedene Dinge:
- sie gibt sich mit ihrer Situation nicht zufrieden, sondern will etwas ändern
- sie unternimmt etwas, nämlich sie spricht ihre Eltern an und
- sie hat einen Grund gefunden, den ihre Eltern verstehen und der es ihnen ermöglicht, tatsächlich mehr Taschengeld zu geben
Ziele schaffen Veränderung. Ziele lösen Aktivitäten aus.
So ähnlich funktioniert auch die Wirtschaft. Dazu ein Beispiel: Ein Bäcker kann jeden Morgen hundert Brötchen backen. Er verkauft aber immer nur 50 oder 60. Das erste was jetzt passiert, ist dass der Bäcker seine Unzufriedenheit umwandelt und zwar in ein Ziel. Er sagt sich: wenn ich hundert Brötchen backen kann, dann möchte ich auch hundert Brötchen verkaufen. Das ist so wie bei Marie, die sagt: 15 Euro sind mir zu wenig, meine Freundinnnen bekommen 18 Euro, das will ich auch. Wirtschaft fängt immer damit an, dass man ein Ziel hat.
Das zweite was passiert: Der Bäcker unternimmt etwas, um sein Ziel zu erreichen. Er entwirft einen Plan. Und woraus besteht ein Plan normalerweise? Aus mehreren einzelnen Schritten. Wenn man plant, von hier hinauf nach Zavelstein zu wandern, dann plant man im Kopf oder mit der Karte verschiedene Streckenabschnitte: erst hinauf in den Stadtgarten, dann hoch zum Schafott, dann über den Rötelbach, zu den Krokuswiesen bis ins Städtle und zur Burg. Was der Bäcker genau plant, wissen wir nicht. Marie aber plant einen ganz einfachen Plan: Sie braucht nur einen Schritt, nämlich sie muss ihre Eltern ansprechen.
Das Dritte, was passiert – bei Kindern, die mehr Taschengeld brauchen wie bei Bäckern, die mehr Brötchen verkaufen wollen: Wenn man etwas haben will, dann muss man auch etwas anbieten können. Marie hat sich dafür etwas Schlaues einfallen lassen. Sie hat ihr direktes Umfeld angeschaut und festgestellt, dass ihre engsten Freundinnen mehr Geld bekommen. Dabei verdienen deren Eltern auch nicht mehr und alle wohnen in derselben Stadt, haben ähnliche Hobbies und daher ähnliche Ausgaben. Warum sollte Marie dann nicht auf 18 anstatt 15 Euro bekommen?
Etwas nicht als gegeben hinnehmen, sondern es verändern wollen und dafür ein Ziel anstreben: Das nennt man Unternehmertum. Man unternimmt etwas, um die Situation zu ändern.
Einen Weg zu planen, mit dem man das Ziel erreicht, das nennt man Strategie. Bei Marie ist das sehr einfach: Ihre Strategie heißt: Ihre Eltern anzusprechen und nach mehr Geld zu fragen.
Das Dritte schließlich ist das, was man braucht, um die Strategie zu einem Erfolg zu führen: Ein gutes Argument, das den Eltern – der Zielgruppe – einleuchtet. Dieses Argument findet man, indem man sein direktes Umfeld beobachtet, also nicht Kinder in Afrika oder Kinder in München sondern die engen Freundinnen, mit denen man morgens zur Schule geht.
In der Wirtschaft muss man genauso vorgehen. Man will Geld haben und das bekommt man von seinen Kunden. Wenn man mehr Geld haben will, muss man beobachten, was das direkte Umfeld macht. Das nennt man Wettbewerb. Und man muss beobachten, was die Kunden sonst noch so kaufen. Beide Seiten zusammen – man nennt das auch Angebot und Nachfrage – bilden einen Markt.
Ich sage „einen“ Markt, weil es ganz viele Märkte gibt. Den Markt für Brot und Brötchen in Calw. Das sind die Leute die hier wohnen und die verschiedenen Bäckereien, Supermärkte und Tankstellen. Oder Maries Markt für Taschengeld – das sind in dem Fall die Eltern.
Allerdings unterscheiden sich der Brotmarkt und der Taschengeldmarkt. Wenn ich ein Brötchen kaufen will, habe ich die Auswahl, ob ich zum Raisch gehe oder ins Kaufland. Wenn ich mehr Taschengeld haben will, gibt es nur die Eltern, die ich fragen kann, oder?
Schauen wir uns mal an, wie Laura vorgegangen ist, damit sie jeden Monat 20 Euro bekommt.
Eigentlich hat Laura nur 13 Euro pro Monat bekommen. Ihre Eltern hatten auch die Empfehlung im Internet gelesen und gedacht: Besser wir geben nur 13 Euro, dann lernt Laura gut, mit Geld umzugehen.
Laura hat sich dann ein Ziel vorgenommen. Sie will auf 20 Euro Taschengeld kommen. Dazu entwickelt sie eine Strategie, indem sie den Markt beobachtet. Zunächst stellt sie fest, dass die anderen Kinder alle 15 Euro bekommen. Aber weil sie ahnt, dass ihre Eltern darauf allein nicht reagieren werden, legt sie sich noch ein zweites Argument zurecht: Sie bietet eine zusätzliche Leistung an. Sie sagt ihren Eltern: Alle bekommen 15 Euro. Ich würde auch gerne 15 Euro Taschengeld bekommen und ich bin bereit, dafür in Zukunft immer den Müll rauszubringen. Das ist der erste Schritt von Lauras Strategie.
Der zweite Schritt ist clever. Neben Taschengeld müssen Lauras Eltern ja noch andere Dinge bezahlen: Klamotten, Essen, Computer ja und auch das Handy. Laura soll ja erreichbar sein und anrufen, wenn irgendwas unterwegs passiert. Dafür kaufen Lauras Eltern eine Telefonkarte für 10 Euro, die ungefähr ein halbes Jahr reicht. Also telefoniert und smst Laura für 20 Euro im Jahr. Teilt man das durch 12, kommt man auf Kosten von € 1,66 pro Monat. Da das so schwer abzuzählen ist, hat Laura vorgeschlagen, fürs Telefon einfach 2 Euro im Monat zu bekommen und dafür kümmert sie sich selbst um die Telefonkarten. Dafür kann sie jetzt entscheiden, wann und wie oft sie telefoniert und kann durch selbst bestimmen, ob sie das Geld fürs Telefon oder lieber andere Dinge ausgibt. So vergrößert sie ihren Markt: Die Eltern geben nicht mehr aus, bloß das Geld kommt jetzt direkt zu Laura und geht nicht direkt an die Telefongesellschaft.
Im dritten Schritt schließlich schaut Laura nach ganz neuen Märkten: Sie hat ja nicht nur Eltern, sondern auch noch Großeltern (oder andere enge Verwandte). Klar, Oma würde nie das Taschengeld bezahlen. Aber so ein ganz kleiner Zuschuss für die Dinge, die über das Notwendige hinausgehen, das geht schon. 3 Euro sind nicht viel, aber zusammen mit den 17 Euro die Laura schon hat, sind das jeden Monat 20 Euro sicher.
Die einfachen Grundregeln des Marketing
Man sieht an Paul, Marie und Laura wie Marketing funktioniert:
Paul macht kein Marketing. Er bekommt soviel Taschengeld, wie seine Eltern meinen und akzeptiert das.
Marie macht Marketing. Marketing heißt, seinen Markt zu beobachten, also: Was bekommen die anderen Kindern im direkten Umfeld von ihren Eltern. Aus der Marktbeobachtung findet Marie heraus, dass sie zu wenig bekommt und beschließt, das bei ihren Eltern anzusprechen – also zu handeln. Das ist sehr einfaches Marketing, aber es führt zum Erfolg.
Laura verfolgt eine richtige Marketing-Strategie: Ihr Ziel ist es, 20 Euro zu bekommen und dafür wendet sie drei Schritte an: Sie bietet mehr Leistung (Müll rausbringen), lenkt Geld, dass sonst direkt zu Telefongesellschaft geflossen wäre, auf sich (Telefonkarte) und sie spricht einen neuen Markt an: ihre Großmutter.
Was wir hier im Kleinen gesehen haben, funktioniert natürlich auch im Großen. Ganz viele Menschen beschäftigen sich damit, herauszufinden, wie sie mehr Produkte verkaufen können oder wie sie für ihre Produkte mehr Geld verlangen können. Dafür mal drei Beispiele aus der Wirtschaft:
Paul ist wie ein Arzt. Ein Arzt behandelt Patienten und das Geld, dass er dafür kriegt, legen andere fest: die Krankenkassen. Ob ein Arzt gut oder schlecht behandelt: Er kriegt immer dasselbe Geld. Ein Arzt braucht kein Marketing (oder nur ganz wenig, weil Marketing ihm helfen kann, seine Patienten glücklich zu machen und glückliche Patienten kommen wieder).
Marie ist wie eine Stromgesellschaft: Sie beobachtet, welche Preise die anderen Stromgesellschaften nehmen und wenn sie zu wenig bekommt, dann erhöht sie ihre Preise mit der Begründung, alle anderen bekommen auch so viel. Das funktioniert oft, aber nur in Märkten, in denen es wenig Teilnehmer gibt. Wie beim Strom. Oder in der Familie, wenn’s ums Taschengeld geht.
Laura ist wie ein Automobilhersteller: Sie versucht, über neue Leistungen – mehr PS, weniger Spritverbrauch, schönes Aussehen etc. – mehr Geld zu bekommen. „Der Daimler“ bietet aber nicht nur Autos an. Viele Leute können ein Auto gar nicht auf einen Schlag bezahlen. Also brauchen sie einen Kredit. Das haben früher die Banken gemacht, mittlerweile bieten das die Autohersteller aber selbst und erhöhen so ihre Einnahmen. Und ein Autohersteller verkauft heute nicht nur Autos. Er nutzt sie auch selbst und vermietet sie. So können Menschen, die sich kein eigenes Auto kaufen wollen, trotzdem Auto fahren. Vorteile im Wettbewerbsumfeld schaffen (Produktentwicklung), den Markt vertiefen oder verbreitern und neue Märkte erschließen (Marktentwicklung): Das sind Folgen von Marketing.
Marketing: Das ist die Kunst herauszufinden, was Menschen mögen und wofür sie bereit sind Geld auszugeben. Wer sich dafür interessiert, sollte früh anfangen. Also: Legt euch ein Ziel fest, überlegt euch eine Strategie: Welchen Schritte müsst ihr unternehmen, um das Ziel zu erreichen. Und beobachtet euren Markt – also die Kinder und Eltern um euch herum. Dann findet er die Argumente, mit denen man sein Taschengeld erhöht.
Dieser Text ist das Transkript eines Vortrags im Rahmen der sogenannten „Kinderuniversität“, die 2013 an der SRH-Hochschule veranstaltet wurde.
Von Thomas Becker
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