Richard Gutjahr (links) und Clas Dammann (rechts) auf dem 29. Journalistentag der DJU

Journalistentag: Wer Profis will, muss in Ausbildung investieren

Zum 29. Mal trafen sich im Januar Journalisten und Medienschaffende in Berlin, um über die aktuellen Perspektiven ihres Berufsstandes zu diskutieren. Unter der Überschrift Shit & Candy hatte die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in die ver.di-Zentrale eingeladen. Und das Resümee ist klar und ernüchternd zugleich: It’s the end of the world as we know it.

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Prof. Ayad Al Ani sprach auf dem Journalistentag über den digitalen Wandel im Generellen

Warum der Journalismus vor einer ganz neuen Evolutionsstufe steht, erläuterte Professor Ayad Al Ani. Das seit Jahrhunderten hierarchisch geprägte Gesellschaftsmodell verändere sich durch die Digitalisierung massiv. Der Volonté générale als Zusammenfassung der mehrheitsfähigen Meinungen innerhalb einer Gesellschaft wird durch ein Prinzip struktureller Kopplungen abgelöst, die technisch durch die Entwicklungen der digitalen Transformation möglich wird.

Wann wird Journalismus disruptiv?

Dies führt nicht nur in klassischen Industriebranchen zu disruptiven Umbrüchen (Stichwort: Industrie 4.0). Auch der Journalismus muss sich im 21. Jahrhundert neu erfinden. Es geht nicht um die schlichte Frage, ob man als Journalist auch in sozialen Medien aktiv sein muss. Es geht vielmehr um die Frage, was Journalismus unter den neuen Randbedingungen einer vernetzten Gesellschaft inhaltlich und strukturell leisten muss.

Rund 250 Fachbesucher kamen zum 29. Journalistentag in Berlin
Rund 250 Fachbesucher kamen zum 29. Journalistentag in Berlin

Diese generellen Fragestellungen füllten die Medienpraktiker mit Leben, die auf dem Journalistentag die verschiedenen Sessions auf dem Podium bestritten. Die Medienjournalistin Barbara Baetz etwa forderte von den Praktikern mehr Selbstbewusstsein ein. Das journalistische Handwerkszeug sei heute wichtiger denn je: „Relevante Dinge nach transparenten Kriterien in die Öffentlichkeit bringen.“ Gelänge dies, würden journalistische Leuchttürme entstehen, die den Menschen Orientierung bei wichtigen Fragestellungen geben. Dabei sollte man ruhig selber Themen setzen und nicht nur den Ereignissen hinterherlaufen.

Selbstbewusste Journalisten sind Journalisten, die nach professionellen Kriterien nachvollziehbar und belastbar argumentieren. Oder wie es Bill Kovach und Tom Rosenstiel in ihren „Elements of Journalism“ formulieren: „The discipline of verification is what separates journalism from entertainment, propaganda, fiction, or art.“ Und in diese Kerbe schlug auch Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender, wenn er klarstellte: „Professionalität gibt es nur, wenn man in Ausbildung investiert“.

Professionalität entsteht durch Ausbildung

Journalistische Professionalität aber, das muss man nach dem Dialog zwischen Maria Exner (Zeit online) und Mark Heywinkel (ze.tt) feststellen, beschränkt sich nicht allein auf das journalistische Handwerkszeug. Immer wichtiger wird auch die Kompetenz im Umgang mit den unterschiedlichen technischen Kanälen und Formaten.

Bewegtbild und O-Töne aufzeichnen und schneiden, multimediales Storytelling mit Pageflow, Suchmaschinenoptimierung und Analytics, Instant Articles und originären Content für die verschiedene sozialen Netzwerke: Alles das ist heute state of the art – und morgen wahrscheinlich schon nicht mehr. Eines aber ist auch klar: Die Komfortzone der streng voneinander getrennten Medien – Print, Radio, Fernsehen – und den klar zugeschnittenen Rollen innerhalb dieser Medien wird definitiv nicht wiederkommen.

Umso mehr gilt, was Richard Gutjahr speziell in Bezug auf den Umgang von Journalisten mit sozialen Medien klarmachte: Wir erlernen derzeit eine neue Kulturtechnik und wie mit allen neuen Kulturtechniken muss der Umgang damit gelernt werden. „Was uns fehlt, ist digitale Empathie“.

Unterm Strich hat der 29. Journalistentag durch die Auswahl an Referenten, das gut zusammengestellte Programm und eine durchaus auch selbstkritische Diskussion im Auditorium sehr plastisch die Herausforderungen der Digitalisierung umrissen. Das Rollenverständnis im Journalismus wird sich ändern. Und ohne eine fundierte, akademisch abgesicherte journalistische Ausbildung  werden die gestiegenen Anforderungen nicht bewältigt werden. It’s the end of the world as we know it. And I feel fine.

Von Thomas Becker

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