Gestern las ich im Online-Journalismus-Blog von Stefan Dörner einen schönen Artikel über die Lebenslügen der digitalen Avantgarde und der Verlage.
Als Lebenslüge wird eine Vorstellung bezeichnet, deren Fürwahrhalten, so unbegründet oder ungereimt sie auch sein mag, einem Menschen das Dasein erträglich macht, und woraus er den Mut schöpft, weiterzuleben. Der Begriff wurde von Henrik Ibsen Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt, der damit das krampfhaftes Festhalten am schönen Schein anprangerte, das für ihn typisch für das Bürgertum war.
Was nun sind die Lebenslügen, die das Leben von digial natives auf der einen und bricks-and-mortar Verlagen auf der anderne Seite erträglich gestalten? Dörner greift jeweils Aspekte auf:
Fünf Lebenslügen der Digitalen Avantgarde
- “Die Verlage haben das Internet verschlafen”
- “Es gibt funktionierende Geschäftsmodelle für Qualitätsjournalismus im Netz”
- “Es gibt keine Krise des Journalismus, sondern der Verlage”
- “Es mangelt nur an der konsequenten Paid-Content-Stragie – bequem und einfach umgesetzt”
- “Eine konsequente Digitalstrategie wäre die Lösung des Problems – immerhin fallen dann auch die Vertriebskosten weg”
Fünf Lebenslügen der Verlage
- “Fehlendes Unrechtsbewusstsein haben die Gratis-Kultur des Internets befördert”
- “Die Verlage setzen online auf Qualitätsinhalte”
- “Google verdient mit Verlagsinhalten Geld”
- “Digitalinhalte mit Layout im Tablet-Format sind eine Alternative zum Gratis-Web”
- “Das Hauptproblem ist die Gratis-Kultur im Netz”
Dass sich auf Basis dieser Lebenslügen prima leben lässt, zeigt sich seit über zehn Jahren – als die Tageszeitungen sich die Rubrikenmärkte aus der Hand nehmen ließen von Branchenneulingen wie mobile, friendscout oder monster.
Das einzig Dumme ist: Eine Lebenslüge verhindert nicht den Fortschritt. Als ich jüngst einen Kurs von Erstsemestern (18-20 Jahre als, rund 30 Personen) über die Nutzung von Zeitungen und Zeitschriften befragte, kam heraus, dass keiner von Ihnen Zeitung liest und nur ein Anteil von rund 20% ab und an eine Zeitschrift kauft. Dennoch verbringen die jungen Leute mehr Zeit mit Medien und über Medien vermittelte Inhalte als alle Generationen vorher. Mal schauen, wie lange die Lebenslügen noch tragen.
Von Thomas Becker
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