Imagewerbung für Berlin: Allgegenwärtig und doch überflüssig

Es ist der 9. November 1989. Am späten Abend gegen 23:30 Uhr versammeln sich mehrere Tausend DDR-Bürger am Grenzübergang in der Bornholmer Straße in Berlin. Sie üben so viel Druck auf die Grenzbeamten aus, bis diese durch schiere Überforderung und unklare Befehle die Grenze nach West-Berlin öffnen. Es beginnt das wohl wichtigste historische Ereignis der deutschen Geschichte – der Mauerfall. Seitdem ist Berlin der Inbegriff von Offenheit, Toleranz, Individualität und vor allem Freiheit.

Fast zwanzig Jahre später versuchen zwei Berliner Stadt-Kampagnen diese Eigenschaften aufzugreifen, zu verwerten und vor allem zu verstärken. Doch braucht Berlin und die Welt gleich zwei Kampagnen, um wieder zu kapieren, was Berlin war, was Berlin ist und was Berlin als so tolle Stadt ausmacht?

Der Weg über die sozialen Netzwerke

Seit Ende März laufen nun die beiden Kampagnen #FreiheitBerlin und #bkenntnis. Bei der von „be Berlin“ initiierten Kampagne werden die Berliner aufgefordert, ihr eigenes Verständnis von Berlin und Freiheit zu äußern. Das Ziel ist es, dass Image von Berlin in die Welt zu tragen. Auch „Das B“ arbeitet mit den sozialen Netzwerken. Es wird aufgefordert, dass Berliner ihr #bkenntnis offenbaren sollen. Jegliche typischen Erlebnisse in der Stadt Berlin sollen geteilt werden, ob skurril, romantisch oder lustig.

Der Steuerzahler wird zur Kasse gebeten

Ein grundlegender Unterschied beider Kampagnen liegt in der Finanzierung. Die Kampagne „be Berlin“ wird finanziert von „Berlin Partner“. Jedoch ist das nicht alles. Jeder von Unternehmen gesponserte Euro wird vom Land Berlin gedoppelt. Das heißt 50% kommt von den Unternehmen, 50% vom Berliner Steuerzahler. Diese 50% extra bekommt die zweite Kampagne „Das B“ nicht. Sie wird ausschließlich von Unternehmen unterstützt.

#FreiheitBerlin: wirtschaftlicher Aufschwung

Geschäftsführerin von „Berlin Partner“ Andrea Jora spricht offen vom Anwerben von Fachkräften und Wissenschaftlern. Auch die Tourismusbranche soll natürlich weiter wachsen, um letztendlich den wirtschaftlichen Aufschwung Berlins noch weiter voranzutreiben. Für Sportler soll der Standort Berlin aber ebenfalls attraktiver werden. Markenbotschafter für #FreiheitBerlin und Stadionsprecher vom 1. FC Union Berlin Christian Arbeit wäre bestimmt auch nicht vom Gedanken abgeneigt, seine Jungs in der 1. Bundesliga kicken zu sehen.

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Vorstellung von #FreiheitBerlin vor dem Brandenburger Tor (Bild: Adrian Smiatek)

#bkenntnis: Alles, nur kein Hamburg werden

Von Tag zu Tag ziehen immer mehr Menschen nach Berlin. Deshalb prangert „Das B“ an, dass Berlin seine eigenen Werte vergisst und im schlimmsten Fall aufhört, Berlin zu sein. Zwar ist es typisch für Berlin, sich zu verändern, jedoch könnte diese Veränderung im schlimmsten Fall zu einem „ängstlichen, unentspannten, nicht weltoffenem und xenophoben Hamburg“ führen, so „Das B“-Pressevertreterin Alma Johanna Funke.

Die (gar nicht mal so) neuen Kampagnen für Berlin

Wem beide Kampagnen irgendwie schon bekannt vorkommen, liegt gar nicht allzu falsch. So startete die Kampagne „be Berlin“ bereits 2008 und verschluckte bereits mehrere Millionen Euro Steuergelder, bis sie 2012 erst einmal pausiert wurde. Aber auch „Das B“ ist durch die Kampagne „b like Berlin“ bekannt. Mittlerweile gibt es, initiiert von Alexander S. Wolf, ein Buch und ein Theaterstück. Ein Film ist ebenfalls in Arbeit. Doch was haben die Kampagnen bisher, neben großen Plakaten und Flyern überall, eigentlich bewirkt?

Außer einem „Ja, dit is Berlin!“ oder einem anerkennenden Nicken beim Betrachten der Plakate in jeder U-Bahn-Station hat es doch eigentlich gar nichts bewirkt. Natürlich stimmt es, dass man in Berlin anziehen kann, was man will, dass man jede Religion ausleben darf und allgemein leben kann, wie man es für richtig hält. Dafür muss es aber kein Plakat geben, denn das merkt man auch selbst, wenn man einmal mehrere Stationen morgens oder abends S- oder U-Bahn gefahren ist.

#bkenntnis: #FreiheitBerlin, aber nur mit Einschränkungen

#FreiheitBerlin zeigt schön die Grundlage und vielleicht auch das einzigartige an Berlin, nämlich frei in allem zu sein. Leider kratzt #FreiheitBerlin aber nur an der Oberfläche mit ihren Zitaten und Slogans. Da ist das #bkenntnis doch deutlich persönlicher. Die typischen und „urigen“ Berliner Momente werden einem warm ans Herz gelegt. Doch vermittelt der Slogan „Hilf Berlin, Berlin zu bleiben“ einem Nicht- oder Neu-Berliner das Gefühl, dass man hier sein kann wie man will, aber doch nur in einem bestimmten Rahmen. „Das B“ sagt selbst, dass es für Berlin typisch ist, sich zu verändern. Trotzdem will man nicht, dass es sich zu sehr verändert. Das ist wie ein All-you-can-eat-Buffet bei dem man sich nur zweimal einen Nachschlag holen darf.

Vielleicht doch zu viel Interaktivität?

Der Vorteil von „Das B“ ist, dass sie sich deutlich freier und schneller in der Ausrichtung der Kampagnen bewegen können. Sie müssen keine öffentlichen Gelder beantragen und dann langsam und wohl bedacht Arbeiten. Jedoch scheint #FreiheitBerlin in der Öffentlichkeit trotzdem besser anzukommen. Nach nun gut drei Wochen, nachdem beide Kampagnen gestartet sind, strömen täglich unter #FreiheitBerlin viele Bilder ins Internet und wenn es auch nur Bilder von den Plakaten selbst sind. Viele #bkenntnis(se) findet man in den sozialen Medien nicht. Auf Facebook, Twitter oder Instagram sieht man nur Posts von „Das B“ selbst. Dies ist eigentlich sehr schade, da ein #bkenntnis vom Berliner selbst inhaltlich deutlich mehr Potenzial hätte, aber daran liegt wahrscheinlich auch die Schwierigkeit. Ein kurz und knackig formuliertes #bkenntnis ist nicht so schnell dahergeschrieben. Das brauch Zeit und Zeit hat der Berliner ja bekanntlich nicht. Der Berliner rennt ja auch nach der U-Bahn, obwohl die Nächste in drei Minuten kommt.

FreiheitBerlin wird wieder aufgeladen
Wie lange wird die Kampagne von „be Berlin“ diesmal überleben? (Bild: Adrian Smiatek)

Am Ende bringen beide Kampagnen keinen direkten offensichtlichen Nutzen und sind doch nur „ganz nett“. Den Nutzen von gleich zwei Kampagnen kann man sowieso anzweifeln und die Subventionierung durch das Land ebenfalls. Das dafür eingesetzte Steuergeld würde an einer anderen Stelle auch einen guten Nutzen finden. Baustellen, jeglicher Art, findet man in Berlin sicherlich einige.

Text und Bilder von Adrian Smiatek

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