Krün ist ein verschlafenes Örtchen nahe der österreichischen Grenze. Nicht ein mal 2000 Einwohner zählt der Ort. Kühe laufen frei herum, Blumenkästen hängen von hölzernen Balkonen. Im Hintergrund thront das Karwendel, eine massive Gebirgsgruppe. Ein Idyll wie aus dem Bilderbuch – eigentlich. Denn kommendes Wochenende wird die Ruhe gestört. Der internationale Politikzirkus kommt in die Stadt: Der G7-Gipfel – das Treffen der Staatschefs der sieben führenden Wirtschaftsnationen – tagt am 7. und 8. Juni im Krüner Luxushotel Schloss Elmau.
In Krisenzeiten ist es wichtig gemeinsam über die Probleme zu reden. Sei das mit dem Partner, in der Familie oder im Job. In der Politik ist das nicht anders, vor allem in Zeiten wie diesen: Der Klimawandel schreitet voran und lässt den Meeresspiegel ansteigen, der Islamische Staat ist weiter auf dem Vormarsch und der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine kommt nicht zur Ruhe. So ist es nur folgerichtig, dass sich Staats- und Regierungschefs treffen, um Lösungen zu finden.
G7: Ohne China und Russland nur ein Debattierclub…
Vorausgesetzt sollte allerdings sein, dass diese Menschen die Probleme auch lösen können. Genau da aber findet sich die erste Schwachstelle im System G7. Denn wie bitte sollen Klima geschützt und Terror bekämpft werden, wenn zwei der wichtigsten internationalen Akteure fehlen. China und Russland sind nicht Teil der G7. Russland wurde – zu mindestens vorübergehend – ob der Ukraine-Krise ausgeschlossen, China war noch nie dabei. Das ist in etwa so, wie wenn man Unstimmigkeiten mit seiner Familie beilegen will, die Hälfte aber nicht am Tisch sitzt. Sie merken schon, das wird schwierig.
Vor allem beim Hauptthema des Gipfels, dem Klimaschutz, wird es schwer werden, mögliche Beschlüsse, die auf Schloss Elmau gefasst werden, ernst zu nehmen. Denn mit China, Indien und Russland fehlen gleich drei der vier Nationen mit dem höchsten Kohlenstoffdioxidausstoß. Globale Repräsentation sieht anders aus.
Den erwarteten Demonstranten ist das ein Dorn im Auge. Sie stört es, dass sich sieben Staatschefs anmaßen über das Schicksal unseres Planeten zu entscheiden. Deshalb wurde bereits im September vergangenen Jahres das Protestbündnis „Stop G7“ gegründet. Ihre Forderungen: Das Freihandelsabkommen TTIP stoppen, das Klima retten und die Armut bekämpfen. Für sie bedeutet die Politik der G7 „Krieg und Militarisierung, Ausbeutung, Armut und Hunger.“
… der für rund 300 Millionen Euro tagt
Ein weiterer Kritikpunkt sind die exorbitanten Steuergelder, die für das 24-stündige Treffen der Merkels und Obamas ausgegeben werden. Die offiziellen Kosten belaufen sich auf etwa 210 Millionen Euro – 81 Millionen für den Bund und 130 Millionen für Bayern als Gastgeberland. Der Bund der Steuerzahler kam bei seiner Rechnung auf rund 360 Millionen Euro.
Den Demonstranten ist das zu viel. Sie wollen „denen da oben“ zeigen, dass sie unzufrieden sind. Schon frühzeitig wurde eine Wiese angemietet, die während des Gipfels als Camp genutzt werden sollte. Doch die Behörden stellten sich quer. Politiker und Polizei appellierten gleichermaßen an die Bürger den G7-Gegnern keine Flächen zur Verfügung zu stellen. Das Camp wurde verboten, aufgrund einer angeblichen „Überschwemmungsgefahr“ der Wiese. Den Organisatoren war dies zu fadenscheinig. Sie zogen vor Gericht – und bekamen Recht. Am vergangenen Dienstag entschied das Verwaltungsgericht München zu Gunsten der Protestler. Die Zelte können also doch aufgebaut werden. Ein erster kleiner Erfolg des Bündnisses.
Anwohner der Region sind gespalten. Manche solidarisieren sich mit den Demonstranten, andere sind strikt dagegen. Auch die Polizei ist gewappnet. Rund 20.000 Polizisten sollen dafür sorgen, dass alles sicher und friedlich abläuft. Das Gebiet um das fünf Sterne Hotel Schloss Elmau gleicht seit Wochen einer Hochsicherheitszone: Gullideckel wurden zugeschweist und massive Zäune errichtet. Tag und Nacht patrouillieren Polizisten rund um den Veranstaltungsort.
Die möglichen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten bereiten vielen Anwohner Sorgen: „Da hat man schon Angst, wenn man das alles so hört und liest. Da kommen die Bilder von Heiligendamm hoch“, sagt ein Anwohner. Der Planungsstab-Sprecher des Gipfels, Hans-Peter Kammerer, hingegen ist sich sicher, dass dieses Mal alles friedlich ablaufen wird, die Sicherheit sei gewährleistet: „Eventuelle Einschränkungen zur Gewährleistung der Sicherheit werden auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt.“
Vielen Krünern reicht das nicht. Sie haben Angst und treffen Vorkehrungen: Sie versichern sich gegen etwaige Schäden oder verlassen gleich ganz den Ort während des Gipfels.
Doch nicht alle blicken mit Bangen auf das Großereignis. Viele sehen es als Chance. Vor allem die Hoteliers rechnen mit guten Umsätzen. Viele Hotels sind seit Wochen ausgebucht. 5.000 Journalisten, sowie 20.000 Sicherheitskräfte müssen schließlich irgendwo unterkommen. Jutta Gries vom Hotel Rheinscher Hof in Garmisch ist sich sicher, dass „der Gipfel unterm Strich ein Gewinn für die Region sein wird.“ Sie für ihren Teil werde Stände aufbauen und die Menschen mit Essen und Trinken versorgen.
Das Ergebnis des Gipfels: Außer Spesen nichts gewesen?
Die Meinungen über den Gipfel könnten also kaum kontroverser sein. Am kommenden Wochenende wird sich zeigen, was dabei herauskommt und ob die Staatschefs konstruktive Lösungen für die Probleme im Jahr 2015 finden können. Es wird sich zeigen, ob die Politiker auf die Bevölkerung zugehen. Ob sie den Forderungen der Demonstranten Gehör schenken und ob sie offen sind für mehr Partizipation und Repräsentation.
Schaut man sich allerdings die Hundertschaften der Polizei sowie den acht Kilometer langen, drei Meter hohen Maschendrahtzaun an, der zwischen den Demonstranten und den G7-Chefs steht an, so wird man unweigerlich an die sinnbildliche Entkopplung von Politik und Gesellschaft erinnert. Wieder einmal wird über Menschen entschieden, ohne sie dabei einzubeziehen.
Von Maximilian Haag
Bildnachweis: Jean Pierre Hintze, lizenziert unter CC BY-SA 2.0. Das verwendete Original wurde beschnitten.