Es ist dunkel und kalt. Immer wieder das Blinken der roten Sicherheitslampe direkt neben meinem Kopf. In regelmäßiger Unbarmherzigkeit zeigt sie mir an, dass etwas nicht in Ordnung ist. 1, 2, 3, Blink. 1, 2, 3, Blink. Ich befinde mich in einem Aufzug. Wo, warum und wie ich hier hinein gekommen bin, weiß ich nicht. Es spielt auch keine Rolle. Ich fühle mich unwohl, beklemmt. Angstschweiß sammelt sich auf meiner Stirn, das spüre und sehe ich gleichzeitig. Ich sehe mich selbst in diesem von Metallwänden eingeengten Raum stehen, während sich mein dort stehendes Ich beobachtet fühlt. Eine unmögliche Situation und doch ist es wahr. Ein Knarren – dann ein lauter Schlag auf das metallene Dach. Und bevor ich darüber nachdenken kann, befinde ich mich im freien Fall. Geschätzte ein, zwei Sekunden, dann schrecke ich aus dem Schlaf. Ein Albtraum.
Warum haben wir Albträume?
Wer kennt sie nicht? Albträume. Jede Nacht träumen wir und verbringen damit rund 20% unseres Schlafes. Mit Beginn des 70ten Lebensjahres hat ein Mensch ganze sechs bis sieben Jahre seines Lebens verträumt und dabei um die 150.000 Situationen schlafend erlebt.
Meist ordnen wir Träume als etwas Positives ein, einen Weg dem Alltag zu entfliehen – eine Welt, in der alles möglich ist. Doch wenn uns diese Welt zum Verhängnis wird, dann befinden wir uns in einem Albtraum.
„Ich habe mal geträumt, dass ich gerannt und gerannt bin. Hinter mir waren Monster. Irgendwo kam dann ein Haus – ich war schon froh in Sicherheit zu sein und schmiss die Tür zu. Doch das Schloss ist nicht eingerastet und sie ist immer wieder aufgegangen. Das habe ich wirklich oft geträumt.“
„Mein letzter Albtraum war, dass sich eine fremde Frau an meinen Freund rangeschmissen hat. Ich stand daneben und konnte mich einfach nicht bewegen und nichts sagen.“
„Manchmal träume ich, dass ich in meinem Bett liege und tausend Menschen in meinem Schlafzimmer stehen und mich anstarren.“
„Mein häufigster Traum ist es irgendwo herunter zu fallen. Immer weiter und weiter und nicht zu wissen, was unten auf mich wartet.“
Dies sind nur wenige Einblicke in die Traumwelten verschiedener Menschen. Doch warum kommt es überhaupt zu solch unrealistischen Gedankenkonstrukten in unseren Köpfen während des Schlafes?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich mir Unterstützung von einem Traum-Experten geholt. Psychotherapeut und Traumdeuter Dr. Karl Werner Ehrhardt. „Wenn wir träumen, wird in unserem Unterbewusstsein sortiert, was den Tag über passiert ist. Wachen wir von einem Traum auf, dann ist dieser emotional besetzt. Sozusagen eine Botschaft vom Unterbewusstsein, dass noch etwas zu klären ist. Raum und Zeit, Vergangenheit und Gegenwart laufen im Traum parallel ab. Je verschlüsselter der Traum, je schlimmer der Albtraum, desto belastender das Thema.“
Menschen, die das Gefühl haben, nicht zu träumen, weil sie sich an ihre Träume nicht erinnern können, sind also mit sich selbst im reinen. Da Kinder jeden Tag neue Dinge lernen, die im Schlaf verarbeitet und eingeordnet werden müssen, sind sie auch am anfälligsten für Albträume. Zudem leiden Frauen häufiger unter Albträumen als Männer. Warum das so ist, ist noch ungeklärt.
Es gibt einen Traum, den die meisten von Albträumen verfolgten Menschen immer wieder träumen: Das unendliche Fallen. Aber was bedeutet dieser unendliche Fall in den Raum, wenn ich träume? Heißt es, dass ich mich unsicher in meinem Umfeld fühle und keinen Rückhalt in den Menschen sehe, die mich umgeben? Oder sagt mir dieser Traum etwas komplett anderes? Lassen sich Träume deuten? Und wie können wir nervenaufreibende Albträume vermeiden?
„Alle Träume, an die man sich erinnert sind von Bedeutung! Allerdings gibt es keine Standard-Traumdeutungssymbole. Nur der Träumer selbst, kann seinen Traum deuten.“, sagt Dr. Karl Werner Ehrhardt.
Wie werde ich einen Albtraum los?
Albträume kosten uns Kraft und verhindern einen erholsamen Schlaf, den wir brauchen, um unser Privat- und Arbeitsleben zu meistern. Wie werden wir unsere Albträume also schnellstmöglich wieder los?
Auf diese Frage gibt es viele Antworten. Experten raten etwa, früh schlafen zu gehen, weil der Schlaf vor Mitternacht deutlich weniger albtraumgefährdet sei. Andere Ratgeber verweisen auf eine positive Wirkung beim Verzicht von Alkohol und fettigem Essen am Abend. Dies sind sicherlich gute Tipps für den perfekten Beach Body, doch wollen wir uns wirklich so stark in unserem Leben einschränken lassen, um Albträume eventuell vermeiden zu können? Um 19 Uhr ins Bett und davor nur Rohkost mit Sprudelwasser?
Da muss es doch einen besseren Weg geben. Und ja, den gibt es auch! Entscheidend dafür, einen Albtraum wieder los zu werden, ist nämlich der richtige Umgang mit diesem. Träume ich einen Traum immer wieder, dann ist in meinem Gehirn eine Art Pfad entstanden. Ein fertiger Weg, der immer und immer wieder durchlaufen wird. Um diesen Prozess zu beenden, ist es notwendig, dass ich mich mit meinem Traum auseinander setze und ihn deuten lerne.
16 Schritte, um einen Albtraum loszuwerden
Um das Auswerten eines Traumes einfacher zu gestalten, bietet Dr. Ehrhardt einen Katalog mit 16 Fragen an.
1. Wie wurde der Traum initiiert?
2. War es ein diffuses assoziatives Nachdenken – was war das letzte Thema vor dem Einschlafen?
3. War es ein klares Thema – welche präzise Frage habe ich bewusst zur Bearbeitung in Auftrag gegeben?
4. Was waren die Hauptbestandteile meines Traumes?
5. Welche Einzelheiten sind für mich bedeutungsvoll? Weshalb?
6. Betitel den Traum mit einem einzigen Satz.
7. Betitel den Traum mit einem einzigen Wort.
8. Was ereignet sich am Anfang des Traumes?
9. Welche Handlungen wurden unternommen?
10. Wer war in dem Traum anwesend?
11. Wären die in dem Traum anwesenden Personen Teil meiner selbst, was würden sie mir zu sagen haben?
12. Wie ist die Grundstimmung des Traumes?
13. Auf welche Weise fügt sich dieser Traum in mein augenblickliches Leben?
14. Könnte mir dieser Traum etwas über mein Leben zu sagen haben, was ich sonst möglicherweise übersehen würde?
15. Wie geht der Traum aus?
16. Wenn ich diesen Traum in meinem wirklichen Leben leben würde, was würde ich anders machen?
Kann ich all diese Fragen ehrlich für mich beantworten, so komme ich der verschlüsselten Bedeutung meines Traumes immer näher und kann ihn irgendwann deuten, ihn somit loswerden. Es ist also wichtig sich mit seinen Albträumen zu befassen und sie nicht als bedeutungslose Hirngespinste abzutun. Denn wenn wir ehrlich sind gibt es in unserer schnelllebigen und hektischen Welt doch kaum etwas Schöneres als einen erholsamen und tiefen Schlaf.
Von Kim von Ciriacy
Bildnachweis: Von Pelly Benassi on Unsplash