Posten, tippen, teilen: Ist das noch Journalismus?

Was ist ein Journalist? Die dem Duden nach korrekte Beschreibung lautet: ein Journalist ist „jemand, der als freier Mitarbeiter, als Auslandskorrespondent oder Mitglied einer Redaktion Artikel o. Ä. für Zeitungen oder andere Medien verfasst“. Diese Beschreibung klingt einleuchtend – als Journalist ist man also derjenige, der Zeitungen und Radio- oder Fernsehsendungen mit Inhalt füllt.

Für jeden, der sich für das aktuelle Welt- oder Tagesgeschehen interessiert, machen die Journalisten das Leben leichter: Sie sorgen dafür, dass der Normalbürger ziemlich viel von dem, was in der Welt passiert, komprimiert auf wenigen Seiten oder innerhalb einer kurzen Sendung einfach und verständlich vermittelt bekommt.

Dieses Prinzip basiert auf dem Vertrauen der Verbraucher gegenüber den Journalisten – sie lesen eine Schlagzeile oder hören einen kurzen Radiospot, und was sie dabei aufnehmen halten sie für bare Münze. Das ist auch ihr gutes Recht, denn der Wunsch, das Weltgeschehen mitzubekommen und zu verstehen, sollte jedem erfüllt werden können. Gute Journalisten sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Recherche steht deshalb an oberster Stelle, etwas, das nicht geprüft oder frei erfunden ist, darf und soll dem Publikum nicht als wahre Nachricht übermittelt werden.

Doch die Zeiten ändern sich. Journalismus beschränkt sich längst nicht mehr auf die drei klassischen Kanäle Print, Radio und Fernsehen. Das Internet übernimmt weltweit immer mehr die Rolle dessen, was früher einmal die Tageszeitung oder die Tagesschau war. Während man sich damals mittels dieser zwei Instrumente informierte, macht man das mittlerweile fast nur noch im Internet.

Aber was heißt das – im Internet? Heißt das, dass man „News“ bei Google eintippt und sich durch die ersten zehn Suchergebnisse scrollt? Wohl kaum, das weiß heutzutage jeder. Das Internet bietet derart viele Möglichkeiten, dass man schnell den Überblick verliert. Hier ein Tweet, da ein oft geliketer Text auf facebook, dort ein YouTube-Video, in dem ein Teenager den Nahostkonflikt erklärt, und plötzlich poppt auch noch eine Push-Benachrichtigung von einer der 15 verschiedenen News-Apps auf dem Smartphone auf. Das, was hier passiert, kann man Reizüberflutung nennen – vorbei die alten Zeiten der komprimierten Informationen.

Dass das Internet so viele verschiedene Informationsquellen bietet und dass in der breiten Masse anscheinend auch eine große Wissbegierde herrscht, ist generell eine positive Entwicklung. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt. Denn: im Internet kann jeder Journalist sein. Jeder kann, wann immer er will, veröffentlichen, wonach ihm der Sinn steht. Man muss jetzt nicht mehr „Mitglied einer Redaktion“ sein – Nachrichten verbreiten kann man schließlich auch als Schüler, Busfahrer oder Schuhfachverkäufer. Die, die das Geschriebene dann lesen, wissen ja sowieso nicht, wer hinter dem Bildschirm saß.

Das Problem an diesem Konzept ist: die Leser, die auf ihre Smartphones schauen und die meist kurzen Texte, gespickt mit interessanten Fotos, sehen, gehen davon aus, dass der Verfasser ein Journalist ist, dem sie das oben genannte Vertrauen entgegenbringen. Doch woher weiß man, ob das, was da publiziert wird, tatsächlich auf wahren Fakten beruht, ob es recherchiert wurde, oder ob es vielleicht einfach von anderen Kanälen kopiert wurde? Wie können die Leser so Vertrauen aufbauen?

In einer Zeitung oder einer Zeitschrift findet man Informationen gebündelt und nach Themen geordnet und man kann sich sicher sein, dass ein Chefredakteur das, was die Journalisten schreiben, liest und prüft. Im Internet ist das nicht mehr gegeben, Zehntausende Blogger verbreiten hier jeden Tag Inhalte, die ohne jegliche Überprüfung auf Korrektheit im weltweiten Netz landen.

Journalisten sind auch diejenigen, die zwischen den Menschen „da oben“ und den Normalbürgern vermitteln können. Gerade die politischen Aktivitäten vermögen Journalisten den Lesern näherzubringen. Und auch nur sie sorgen dafür, dass das, was im Sport oder in der Welt der Film- und Musikstars passiert, die Normalbürger erreicht. Denn all diese wichtigen Leute sprechen mit Journalisten, weil sie darauf vertrauen, dass diese ihren Job gewissenhaft ausführen – mit einem beliebigen Blogger würde wohl kaum jemand über wichtige politische Entscheidungen sprechen. Journalisten aber gelangen an Informationen aus erster Hand und können den Verbrauchern diese so auf einer vertrauenswürdigen Basis abliefern.

Es ist nicht der Job der Öffentlichkeit, zu entscheiden, ob eine Nachricht wahr oder falsch ist. Das ist das, was Journalisten machen müssen. Ob diese die Nachricht befürworten oder kritisieren, positiv oder negativ darstellen, das bleibt den Journalisten natürlich selbst überlassen. Hier ist es dann an den Verbrauchern, sich für das Medium zu entscheiden – lese ich lieber den Spiegel oder den Focus, schaue ich die Tagesschau oder die RTL News? Wichtig ist der Wahrheitsgehalt, der dahintersteckt.

Doch natürlich ist die Lösung des Problems nicht „back to the basics“ und „Tschüss Digitalisierung“. Der digitale Journalismus hat klare Vorteile – aber nur, wenn er von Journalisten betrieben wird. Nachrichten-Apps, über die Journalisten die News direkt aus den Redaktionen oder bei Großereignissen und Katastrophen sogar vom Ort des Geschehens aus verbreiten können, sind ein Beispiel dafür. Auch, dass Textinhalte mit Fotos und Videos kombiniert werden können und weiterführende Links sind Tools, die den Journalismus enorm weiterbringen.

„Die Zukunft ist digital“ – das ist auch eines der Ergebnisse, die der „PWC Media Outlook“ hervorbrachte, eine Studie über die Zukunft der Medienlandschaft. Doch auch in dieser Studie bleibt die Frage offen, wie diese Zukunft aussehen soll. Dass ein Jeder sein Smartphone zücken, schnell ein Foto machen, einen Text dazu tippen und das kleine Werk dann auf sämtlichen Kanälen posten und teilen kann, kann nicht die Lösung sein. Der Beruf des Journalisten muss wieder mehr in den Vordergrund rücken und die Menschen müssen wieder lernen, die Arbeit des echten Journalisten zu schätzen.

Ob Paywalls eine Lösung sind, darüber ist sich auch die PWC-Studie nicht sicher. Damit werden die Verbraucher aufgefordert, für die digitalen Inhalte zu bezahlen – aber solange es genug kostenlose Alternativen gibt, seien sie auch qualitativ noch so viel schlechter als die gebührenpflichtigen Inhalte, werden sich die Menschen immer für die kostenlose Variante entscheiden.

Doch in einer Welt, in der man langsam entdeckt, dass billige Kleidung eine schlechtere Qualität hat als teure und dass billiges Fleisch aus antibiotikaverseuchter Massentierhaltung gesundheitsschädlicher ist als das teure, werden die Menschen vielleicht auch bald verstehen, dass billige, also kostenlose journalistische Inhalte nicht den gleichen Wert haben wie teure, also gebührenpflichtige.

Eine solche Entwicklung würde auch das Problem der zukünftigen Finanzierung des Journalismus lösen. Denn wenn der Print-Absatzmarkt immer weiter sinkt, statt Fernsehen nur noch Onlinestreams geschaut werden und das Radio sowieso nur noch Nebenbei-Medium ist, wird das Internet der Schwerpunkt des Journalismus. Und nur, weil sich der Marktplatz von der realen in die digitale Welt verschiebt, heißt das ja nicht, dass Journalisten dann umsonst arbeiten. „Der Journalismus ist im Wandel“ – diese Parole hat wohl jeder schon gehört. Aber ein Journalist bleibt ein Journalist. Daran ändert auch der Wandel nichts.

Von Pauline Schnor

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