Nichts los im TV:  Wie das Fernsehen sich selbst abschafft

Guckt jemand eigentlich noch dieses ominöse Fernsehen? In Zeiten von Internet, Netflix und Websendungen rückt der gute alte Fernsehapparat immer mehr in den Hintergrund. Der medienaffine Durchschnittsstudent greift höchstens noch zur Fernbedienung, wenn er eine Smart-TV-App öffnen möchte.

Doch wen wundert das? Nach einer nachmittäglichen Zapp-Session stellt man fest, dass das deutsche Fernsehen nur noch wenig zu bieten hat. Es sei denn, man liebt scripted reality shows – also solche Sendungen, die ganz nach Drehbuch, das „wahre Leben“ darstellen sollen. Die Geschichten, die dann aus solchen Drehbüchern entstehen, wirken wie ein grotesker Traum, den man in einer verschwitzten Nacht nach zu viel mexikanischem Essen hatte. Oft siedeln sich die Themen irgendwo zwischen „Oh nein, meine Sammlung lateinamerikanischer Kronkorken passt nicht mehr in meine Wohnung“ und „Verdammt, ich habe vergessen wie meine Kinder heißen“ an.

Fernsehprobleme: Mangel an Innovation bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, Mangel an Schamgefühl bei den Privaten

Die Fallhöhe der einzelnen Sendungen scheint immer größer zu werden: So kann ich mit nur zwei Klicks auf der Fernbedienung von Polit-Talks mit Günther Jauch zu Schwiegertochter gesucht und dann zu kykladischem Ballett wechseln. Seit dem Mord an „Wetten, dass…?“ zeigen sich die beiden größten Probleme des deutschen Fernsehens: Der Mangel an Innovation bei den öffentlich-rechtlichen Sendern und der Mangel an Schamgefühl bei den Privaten.

Da wünsche ich mich doch zurück in eine Zeit, als das Fernsehen hierzulande noch ernst genommen wurde, eine Zeit die ich nur aus Dokus und Erzählungen meiner Eltern kenne. Früher war nämlich doch alles besser, denn genau heute vor 40 Jahren lief die erste Folge der Erfolgsserie Derrick über den Bildschirm. Die Serie über den Münchener Oberinspektor Stephan Derrick und sein Team war der deutsche Serien-Exportschlager. In über hundert Ländern lief die Serie.

Deutsche TV-Unterhaltung, weltweit geschätzt

Horst Tappert als Stephan Derrick und Fritz Wepper als sein Assistent Harry Klein ermittelten für die Welt. Und das, obwohl die ersten Folgen der von  Herbert Reinecker geschriebenen Krimiepisoden auf katastrophale Kritik stießen. Doch man gab Derrick Zeit, sich zu entwickeln, und diese Zeit rechnete sich, wie Fritz Wepper in einem Interview bei Spiegel-Online erzählt.

Die 281 Folgen der Serie fesselte ein Millionenpublikum an das heimische Sofa und stürzte die Nation, nach der Absetzung im Jahr 1998, wöchentlich in ein Unterhaltungsvakuum. Die meisten Vertreter der Generation Y werden mit der Serie nicht mehr viel anfangen können, aber stellt euch das Ende von Derrick ungefähr so vor wie das Serienfinale von Breaking Bad und Desperate Housewives zusammen.

Seither kam kaum noch eine TV-Sendung mit vergleichbarem internationalem Erfolg nach. Die Liste von Gründen ist lang: es gibt zu viele Sender, der Zuschauer verlangt angeblich nicht mehr nach hoher Qualität, usw. usf. Doch wirft man einen Blick auf die Haltbarkeitsdaten der heutigen Sendungen, sticht ein Grund besonders hervor: Neue Formate werden so schnell wie noch nie einfach wieder abgesetzt.

Gab’s kein Konzept, wurde einfach das Testbild ausgestrahlt

Ich erinnere mich noch vage an die Sendung „Die Millionärswahl“ mit Elton (nein, nicht John) auf ProSieben im Jahr 2013. Eine Sendung bei der demokratisch abgestimmt werden sollte, welcher der Kandidaten als frischgebackener Millionär nach Hause gehen darf. Das Format scheiterte am Konzept und wurde nach nur wenigen Folgen als Websendung ausgestrahlt und damit auf den Quotenfriedhof verbannt. Der springende Punkt ist, dass Sendungen heutzutage keine Zeit mehr gelassen wird, sich zu entwickeln. Bringt ein neue Show nicht den gewünschten Erfolg, wird sie direkt wieder abgesetzt. Es gibt keine Ursachenforschung oder Entwicklung des Konzepts, allein die erste Quote entscheidet.

Vielleicht sollten wir uns wieder auf die Ursprünge des Fernsehens besinnen. Denn zu Zeiten von Derrick gab es noch kein 24/7 Programm. Die Sender arbeiteten mit weniger Druck. Hatte man kein Sendekonzept, wurde ein Testbild ausgestrahlt und offen gestanden wünscht man sich doch bis heute die Testbilder zurück, frei nach Motto: „Wenn man nichts Nettes zu senden hat, sollte man besser gar nichts senden.“

Von Julia Lehrter

Bildnachweis: https://unsplash.com

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