Kant. Oder: Warum Gefühle schlecht sind

Immanuel Kant. Ein Name. Ein Mann. Ein Philosoph von Weltgeltung. Ein wichtiger Mitbegründer der Aufklärung. Und: Ein Unbekannter für die Generation Y!

Heute vor 291 Jahren, am 22.April 1724, erblickte Immanuel Kant das Licht der Welt. Zu diesem Anlass habe ich mich einmal auf der Straße umgehört und nachgefragt, was Generation Y zu Immanuel Kant einfällt.

Auf verwirrte Blicke folgten Aussagen wie „Ich glaube, das ist ein Philosoph oder Schriftsteller. So etwas in die Richtung.“, „Immanuel Kant? – Den Namen habe ich mal gehört, aber keine Ahnung wer das war.“ oder „Über den haben wir früher mal im Ethik Unterricht gesprochen, aber viel kann ich dir dazu nicht mehr sagen.“

Immanuel Kant ist für die Meisten von uns also ein Name ohne Inhalt. Dabei könnten gerade wir  so viel von diesem, zugegebenermaßen etwas eingestaubten, Mann lernen.  Generation Y, die Generation mit der Qual der Wahl, mit den tausend Möglichkeiten. Die Unentschlossenen, die sich entscheiden müssen in einer Welt, die sich immer schneller und schneller dreht.

Kant: Kann der noch was?

Dampft man Alles wofür Kant steht sehr stark zusammen, kommen zwei wichtige Statements dabei heraus.

Erstens: Der Mensch besitzt, anders als jedes andere Lebewesen, zwei Quellen der Erkenntnis: seine Vernunft und seine Erfahrung.

Zweitens: Eine Entscheidung ist nur dann moralisch richtig, wenn ich wollen kann, dass der Leitspruch dieses Handelns jederzeit zum allgemeinen Gesetz wird. Ob ich dies wollen kann, erkennt meine Vernunft. Also kann nur derjenige, der aus seiner Vernunft heraus handelt, moralisch richtig handeln.

Was sagt die Generation Y dazu? Achten wir bei wichtigen Entscheidungen darauf, was uns unsere Vernunft sagt oder folgen wir alle eher unseren Gefühlen d.h. unseren Erfahrungswerten?

„Das kommt auf die Entscheidung an. Bei privaten Dingen handle ich nach dem Gefühl – wenn es um andere Sachen geht nach der Vernunft.“

„Eigentlich nach der Vernunft, wenn ich betrunken bin nach dem Gefühl.“

„Zuerst höre ich auf meinen Bauch und dann sagt der Kopf doch: ne, mach´s lieber anders.“

„Das ist total abhängig von der Entscheidung, die ich treffen muss.“

„Das hängt vom vorherigen Alkoholkonsum ab.“

„Mmmmh … Beides?“

Dies sind nur wenige der vielen Meinungen, die es sicherlich zu dieser Fragestellung gibt, doch spiegeln sie alle Eines wieder: Einen genauen Maßstab für moralisch richtiges Handeln scheint die Generation Y nicht zu haben.

Warum ist Kants Vernunftethik der richtige Weg?

Um diese Frage mit einem Beispiel zu beantworten, stellen wir  uns folgende zwei Szenarien vor.

Erstes Szenario: Es ist ein Sonntagmorgen im August. Freundlich werden wir von den warmen Sonnenstrahlen, die den Weg durch unser Fenster gefunden haben, geweckt. Draußen nur Schleierwolken am Himmel. Wir öffnen das Fenster und ein angenehmer Windzug gemischt mit unendlich vielen Vogelgesängen weht durch den Raum – lässt die weißen Vorhänge tanzen. Noch etwas verschlafen gehen wir in die Küche und werden vom Geruch des frisch aufgekochtem Kaffees und entspannter Musik begrüßt. Am Herd, der oder die Auserwählte mit dem Lächeln auf den Lippen, in das wir uns einmal so verliebt haben. Da wir für das Frühstück noch Brötchen brauchen, werfen wir uns eine leichte Jacke über und machen uns auf den Weg zum Bäcker. Wir sind nur wenige Meter gegangen, da sehen wir einen kleinen Jungen auf einem Balkon im zweiten Stock eines Wohnhauses gefährlich nah an der Brüstung spielen. Zwar rechnen wir nicht damit, dass er fällt, doch machen wir uns Sorgen und bleiben, weil wir es heute sowieso nicht eilig haben, einen Moment stehen. Der Junge ist unachtsam und fällt. Gerade noch gelingt es uns ihn aufzufangen und ihn somit vor dem Zusammenprall mit dem harten Asphaltfußboden zu bewahren.

Zweites Szenario: Der schrille Klang des Weckers reißt uns erbarmungslos aus dem Schlaf. Draußen regnet es. In einer Stunde müssen wir in der Uni sein. Schnell machen wir uns fertig, verschlingen ein  Brötchen vom Vortag und verlassen, wie immer, viel zu spät die Wohnung. Mittlerweile hat der Regen zwar nachgelassen, doch ist es immer noch kalt und ungemütlich. Auf dem Weg  zur U-Bahn laufen wir an mehreren Wohnhäusern vorbei. Nur flüchtig erblicken wir einen kleinen Jungen, der sehr nahe der Brüstung eines Balkons spielt. Zwar schließen wir die Möglichkeit, dass er fallen könnte nicht komplett aus, aber rechnen tun wir nicht damit. Wir rennen weiter um gerade noch die Bahn zu erwischen. Hinter uns ein Schrei – dann der dumpfe Aufprall.

Dieses extreme Beispiel soll verdeutlichen, wie stark unser Handeln von banalen äußeren Einflüssen geleitet wird. In diesem von Gefühlen bestimmten Handeln liegt die Schwäche. Unsere Gefühlswelt ist variabel, subjektiv, lässt sich beeinflussen und ist an Gegebenheiten gebunden. Das ist bei der Vernunft nicht der Fall. Erkenne ich eine mögliche Gefahr für das Kind, bleibe ich stehen, weil ich nur wollen kann, dass genau dieser Leitsatz „Achte auf deine Mitmenschen und helfe ihnen in einer möglichen Notsituation.“ zum allgemeinen Gesetz wird. Wir hätten das Kind also in beiden Fällen auffangen können.

Kant und Generation Y

Kants Vernunftethik zu folgen ist nach diesem Beispiel für jeden Menschen wichtig. Doch warum betrifft es im Besonderen die Generation Y?

Der Grund dafür ist einfach. Wir sind die Politiker, Journalisten, Umweltaktivisten, Ärzte, Taxifahrer, Schauspieler, Apotheker und Unternehmensberater von morgen. Alle stehen wir kurz vor unserem Berufsleben oder haben gerade damit begonnen. Wir sind im besten Alter, etwas zu ändern, da wir noch flexibel, wissbegierig und formbar sind. Und alle gehen wir in die komplett falsche Richtung – gefühlsgetrieben und egoistisch. Wir sind Teil einer Wegwerf-Gesellschaft, in welcher das Wort „Moral“ bestenfalls noch auf einem Aufkleber in irgendeiner versifften Toilette in Berlin-Kreuzberg zu finden ist.

Alle haben wir ein iPhone, shoppen bei H&M oder Primark und besitzen vielleicht ein Auto. Nun müssen wir uns fragen: Können wir wollen, dass jeder einzelne Mensch auf dieser Welt ein iPhone besitzt, bei  H&M und Primark einkauft und ein Abgase in die Luft schleuderndes Auto besitzt? Und noch besser: Diese Dinge meist nur eine begrenzte Zeit lang benutzt, bis dann das neue iPhone, die neuen Klamotten und das neue Auto kommen. Können wir  wollen, dass jeder Mensch auf dieser Welt den gleichen verschwenderischen Lebensstil führt, wie wir es tun?

Wer auf diese Frage mit „Ja“ antwortet, hat nicht nachgedacht. Denn Nachhaltigkeit sieht anders aus. Und wenn die Antwort auf diese Frage nun zwangsläufig „Nein“ lautet, was gibt gerade uns dann das Recht, so unmoralisch zu handeln? Nur weil wir das Glück hatten in Deutschland geboren zu sein, dürfen wir uns nun alles uns zur Verfügung stehende nehmen und uns hin und wieder den Kick eines guten Gewissens gönnen, wenn wir einem Bettler auf der Straße einen Euro zustecken?

Mit Mitleid betrachten wir die Bilder von kleinen Kindern in Afrika, die sich wahnsinnig über eine Brille freuen, weil sie nun die Ausweglosigkeit, die sie umgibt noch genauer sehen können. Doch von Mitleid hat niemand etwas. Mitleid macht die Welt nicht besser.

Was zählt ist zu handeln. Was zählt ist die eigene Komfort-Zone zu verlassen und auch einmal selbst zurück zu stecken. Und das nicht aus Mitleid, Trauer oder einem anderen Gefühl. Denn diese Gefühle vergehen und sind in höchstem Maße subjektiv.

Benutzen wir unsere Vernunft, dann wird uns klar, dass es nur richtig sein kann, so zu Handeln, wie wir auch wollen können, dass jeder andere Mensch auf dieser Welt handelt.

Wir sollten beginnen unseren Verstand zu gebrauchen, anstatt uns auf schlechten Gefühlen auszuruhen!

Von Kim von Ciriacy

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