Jan Böhmermanns Neo Magazin Royale: Des Spartenkanzlers neue Kleider

Jan Böhmermann Ist mit seinem Neo Magazin Royale nun endlich im Hauptprogramm angekommen – auf dem schlechtesten Sendeplatz. Dass er da nicht hingehört, muss er erst noch beweisen.

Da hat er es also ins Hauptprogramm geschafft: Der „dünne, blasse Junge“ Jan Böhmermann, selbsternannter Spartenkanzler (nunmehr in Teilzeit) und Hoffnungsträger der deutschen Fernsehlandschaft sendet jetzt im großen ZDF. Auf dem letzten Sendeplatz zwar, freitagnachts, doch die Zielgruppe wird ja ohnehin im Internet bedient.

Internet, das kann er gut: Die Sozialen Netzwerke laufen heiß, wenn er auf Sendung geht. Das Hashtag der Woche war ein integraler Bestandteil seiner alten Sendung Neo Magazin und sorgte auch in regelmäßigen Abständen außerhalb von Twitter für Wirbel. Böhmermann hat inzwischen dreimal soviele Twitter-Follower wie Bild-Chef Kai Diekmann – der ohnehin nicht gut auf ihn zu sprechen ist. Zufall? Vielleicht.

Doch Diekmann ist nicht Böhmermanns einziger Gegner, er hat sich auf die Medien allgemein eingeschossen. Als Assistent von Harald Schmidt schaffte er es schon 2009 in die Hauptnachrichten von N24, Pro Sieben und Sat 1 – indem er vorgab, die Schweinegrippe zu haben. Und auch Urgestein Stefan Raab wurde mit der „Fernsehnothilfe“ geholfen: Die von Böhmermann produzierte, angeblich aus dem chinesischen TV stammende Version von Raab´s Blamieren oder Kassieren, schaffte es als Blamielen odel Kassielen in die Sendung TV Total.

Nachdem die auf Retro getrimmte Anarcho-Talkshow Roche & Böhmermann Ende 2012 nicht fortgesetzt werden konnte, weil es zu Differenzen zwischen den Produzenten und Co-Moderatorin und Feuchtegbiete-Autorin Charlotte Roche kam, erhielt Böhmermann seine eigene Show im Spartenkanal ZDF Neo, das Neo Magazin. Nun folgt der nächste Schritt an die Spitze der Medienlandschaft: Das Neo Magazin Royale.

Geldkoffer, Shitstorms & Dinosaurier

Im Intro geht es sogar noch überdrehter zu, als in dem von Böhmermanns Vorgängershow: Mit einem Geldkoffer in der Hand springt der Moderator in Comic-Optik aus einem Flugzeug, kämpft mit einem Emoji-Schild gegen einen riesigen Shitstorm und natürlich darf auch sein altes Reit- und Wappentier, der Triceratops, nicht fehlen.

Anstatt wie bisher an seiner Kommandozentrale, dem überproportionierten Schreibtisch sitzend, leitet Böhmermann nun stehend in die Show ein. Dabei wirkt er im neuen, größeren Studio allerdings etwas verloren. Die Gags wollen alle nicht so richtig lustig sein, das war streckenweise auch im alten Neo Magazin das Problem, heute aber wirkt Böhmermann nicht so souverän wie damals, als er selbst die geschmacklosesten Witze so flockig abfeuern konnte, dass sie allein durch seine Moderation pointiert wurden. Böhmermann ist nicht Harald Schmidt, das wird nun deutlich. Die Frage ist, ob er das werden will – oder ob er sich und das Fernsehen in Schmidts Tradition weiterentwickeln möchte.

Der neue Boden spiegelt „wie die Schlafzimmerdecke der Effenbergs“

Der neue, spiegelnde Boden des Studios kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass alte Gimmicks und Rubriken – zumindest in der ersten Folge – fehlen. Das beim Studio-Publikum so unbeliebte Prism is a Dancer zum Beispiel, bei dem privateste Details aus dem Leben der Anwesenden von Facebook & Co geklaut und anschließend in die Sendung integriert werden: Ein frischer Einfall, mit dem social media in die Sendung eingebunden wurde. Gleichzeitig kam man dem Bildungsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen nach, indem man seinem Publikum zeigte: Schütze dich online, oder werde in meiner Show bloßgestellt.

Vieles, was das Neomagazin ausmachte, fehlt in dieser ersten Folge, zum Glück jedoch nicht Böhmermanns Sidekicks: William Cohn und Florentin Will. Letzterer mimt, wortgewitzt wie immer, den Beefträger, um Böhmermann den verdienten Beef von Fler und Baba Haft persönlich zu überbringen. Dies kommt eher mäßig witzig, sollte Will im Verlauf der Staffel jedoch an seine ausgesprochen merkwürdigen Scherze und Einspielfilme (Stichwort: Marder sind zum Töten da!) aus Zeiten des Neomagazins anknüpfen können, wäre das eine absolute Bereicherung, nicht nur für Freunde des arg schrägen Humors.

Mit an Bord: Rapper Dendemann

Apropos Bereicherung: Böhmermann hat jetzt eine Band. Rapper Dendemann ist als Frontmann der freien Radikale mit an Bord. Ein schlauer Schachzug der Produzenzen der Bild und Tonfabrik: Der mittlerweile 40-Jährige genießt aufgrund seiner Wortspiele und seiner intelligenten Texte gerade in der Zielgruppe der 20-30 Jährigen einen derart guten Ruf, dass alleine sein Name wohl einige Zuschauer vor den Fernseher oder die Mediathek zieht.

Zusammen mit den Studiogästen von Deichkind, die ansonsten nicht durch viel geistreiches auffielen, performten Dendemann und Böhmermann dann auch eine im Diskostil gehaltene Neuinterpretation der aktuellen Single „So´ne Musik“. Bandmitglied Ferris fehlte dabei, wurde allerdings durch Dendemann und Böhmermann mehr als würdig vertreten.

Sollten die Witze besser werden, sollte Böhmermann wieder lockerer und die Einfälle, die das alte Neomagazin so gut gemacht haben, übernommen werden, steht einer Show, die das deutsche Fernsehen dringend braucht, nichts im Wege. Bis dahin ist es noch ein gutes Stück Arbeit, doch auch das alte Neo Magazin lief zu Anfang nicht wirklich rund. Dort war allerdings zu merken, dass das Team Lust auf Innovationen hatte: Ständig wurde erneuert, das Gute behalten und das Schlechte wieder aussortiert.

Es ist zu früh, dem Neo Magazin Royale diese Innovationskraft abzusprechen, und wahrscheinlich wäre es auch nicht richtig: Das gleiche junge Team der Bild und Tonfabrik aus Köln zeichnet sich auch für die neue Show verantwortlich. Ob das neue Gewand dem Spartenkanzler Böhmermann zu groß ist, oder ob er hier und da etwas einreißt und es sich ganz einfach passend macht – das wird sich zeigen. Aber im Ernst: Was kann schon schief gehen, wenn man auf Dinosauriern reitend Kai Diekmann zur Weißglut treiben kann?

Von Felix Mergemeier

Bildmaterial: ZDF/Ben Knabe

Edit: Ursprünglich hieß es, der Deichkindauftritt sei vorproduziert gewesen. Da haben wir uns von der Vielseitigkeit des neuen Studios täuschen lassen. FM

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