Gutes Startup, schlechtes Startup: Gründungsfieber

Man spricht vom Silicon Valley Europas. Zwischen 42.000 und 44.000 neue Unternehmen wagen in Berlin jährlich den Markteintritt. Ob Höhenflug oder Vollpleite – die ersten Schritte sind entscheidend.

Nach Feierabend in einem Berliner Szenecafé. Zwei Freunde beklagen beim ersten Bier den Arbeitsalltag. Genervt vom Vorgesetzten, den eintönigen Aufgaben und der mangelnden Perspektive, schnell ist man sich einig. Nichts wäre schöner, als sein eigener Chef zu sein.

Gründen ist reizvoll, gerade für junge Menschen. „Startups bieten ein breites Aufgabenspektrum und enorme Aufstiegschancen“, so Björn Loose, Vorstand der Studenteninitiative START Berlin. Doch Übereifer ist fehl am Platz. Nur eines von zehn Konzepten mausert sich zur Existenzgrundlage, mindestens sieben werden wieder zum Hobby degradiert.

Keine Kompromisse

Was volkswirtschaftlich unumgänglich ist, wirft betroffene Unternehmer aus der Bahn. „Schon zu Beginn haben gewisse Entscheidungen enorme Tragweite“, erklärt Startup-Experte Loose. 70 Prozent aller Misserfolge basieren auf Teamschwierigkeiten – aufgrund der flachen Hierarchie ist Harmonie besonders wichtig. Gerade bei der Wahl des Geschäftspartners sind keine Kompromisse zu machen.

Doch solange das Projekt nicht im Konkurs endet, ist Scheitern nicht fatal. Viele Gründer profitieren vom schlechten ersten Anlauf. Learning by doing ist hier Programm. „Wer selbstständig sein will, braucht deutlich mehr Durchhaltevermögen“, so Startup-Blogger Kevin Pflock.

Gut geplant ist halb gewonnen

„Noch immer verwechseln viele Gründer eine wilde Idee mit einem Geschäftsmodell. Aus verrückten Konzepten lassen sich selten gute Unternehmen bauen“, erklärt Jungunternehmer Thomas Promny. Die perfekte Grundlage ist so simpel wie genial. „Fast so, dass man sich fragt – Wieso hat das noch keiner gemacht?“, fasst Loose zusammen. Dabei geht es gar nicht darum, neue Märkte zu erschließen. In nahezu gesättigten Branchen werden disruptive Geschäftsmodelle immer interessanter. „Es setzt sich durch, wer Lösungen anbietet, die vorteilhafter sind als die bisherigen.“ Nicht das qualitativ beste Produkt ist gefragt, sondern die kundenfreundlichste Alternative. Welcher Smartphone-Nutzer zückt für spontane Schnappschüsse die Digitalkamera?

Gerade in Berlin ist E-Commerce von großer Bedeutung, Zalando ist ein namhafter Vorreiter, der’s mittlerweile sogar an die Börse gebracht hat. Trotz breiter Angebotspalette lassen sich die Kosten für das Startup gering halten. Ein entscheidender Vorteil, denn das Kapital ist meist knapp bemessen. „Berlin hat im Vergleich zu anderen Großstädten geringere Lebenserhaltungskosten. Das unterstützt junge Unternehmer dabei, hier Fuß zu fassen“, erklärt Loose.

Chancen nutzen

Doch auch ein gutes Team und genaue Budgetplanung sind keine Erfolgsgarantie – lässt sich der Kunde nicht begeistern, ist jede Bemühung vergebens. „Früher Kundenkontakt hilft, das Produkt optimal auf die Bedürfnisse potentieller Nutzer anzupassen“, rät Gründungsexperte Loose. Reichweite schafft man durch Marketing und Networking. Letzteres wird oft unterschätzt.

„Ob im Fahrstuhl oder im Flugzeug, wie viele Worte wechseln wir mit den Menschen um uns? Dein Nachbar könnte ein geeigneter Mentor sein, einen Auftrag vermitteln oder einen entscheidenden Anstoß liefern.“ Da können wir Berliner uns noch einiges von den Amerikanern abschauen.

Von Diana Kabadiyski

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